Ukraine-Gipfel in Genf: Können Sergei Rjabkow (Russland) und Wendy Sherman (USA) das Schlimmste verhindern?
An diesen Topdiplomaten hängt der Frieden

In der Ukraine droht ein neuer russischer Einmarsch. Am Montag treffen sich in Genf darum Delegationen aus Russland und den USA zum Krisengespräch. Nur: Eine echte Einigung scheint schon vom Tisch, bevor der erste Diplomat in Genf gelandet ist.
Publiziert: 10.01.2022 um 00:26 Uhr
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Der russische Vize-Aussenminister Sergei Rjabkow (61) und seine US-Amtskollegin Wendy Sherman (72) werden am Montag in Genf die Ellbogen ausfahren.
Foto: keystone-sda.ch
Michael Sahli

Es sind Drohgebärden, die auch direkt aus dem Kalten Krieg stammen könnten: Wohl über 100'000 Soldaten liess der russische Präsident Wladimir Putin (69) seit Dezember an der ukrainischen Grenze aufmarschieren. Und weckt damit Erinnerungen an den Überfall auf die Krim 2014. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (62), ein Norweger, nimmt die Bedrohung nahe der EU-Grenze ernst. Er sprach vom «realen Risiko» einer Invasion, von einem «aggressiven» Vorgehen der Russen – und drohte mit Gegenmassnahmen.

Während vor den Toren der Europäischen Union die Situation langsam eskaliert, treffen sich am Montag Russland und die USA in Genf, um eine diplomatische Lösung zu suchen. Nicht am Tisch sitzen dabei die EU und die Ukraine. Das Treffen scheint ohnehin schon gescheitert, bevor der erste Unterhändler in der Schweiz gelandet ist.

EU ist Zuschauerin

Wenn die USA und Russland in Genf verhandeln, ist sie die grosse Abwesende: die Europäische Union. Die Kommentare in der europäischen Presse sind deutlich: Die EU fühle sich ausgeschlossen, gar düpiert vom bilateralen Treffen zwischen den USA und Russland. «Wir wollen keine unbeteiligten Zuschauer sein, über deren Köpfe hinweg entschieden wird», sagte der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell.

Am Mittwoch tagt immerhin erstmals seit 2019 wieder der Nato-Russland-Rat, wo auch EU-Länder am Verhandlungstisch sitzen. Und am Donnerstag ist ein weiteres Treffen bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) geplant, hier ist die Ukraine selber auch Mitglied.

Wenn die USA und Russland in Genf verhandeln, ist sie die grosse Abwesende: die Europäische Union. Die Kommentare in der europäischen Presse sind deutlich: Die EU fühle sich ausgeschlossen, gar düpiert vom bilateralen Treffen zwischen den USA und Russland. «Wir wollen keine unbeteiligten Zuschauer sein, über deren Köpfe hinweg entschieden wird», sagte der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell.

Am Mittwoch tagt immerhin erstmals seit 2019 wieder der Nato-Russland-Rat, wo auch EU-Länder am Verhandlungstisch sitzen. Und am Donnerstag ist ein weiteres Treffen bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) geplant, hier ist die Ukraine selber auch Mitglied.

Russen wollen Eingeständnisse erzwingen

Denn wenn der stellvertretende russische Aussenminister Sergei Rjabkow (61) und seine US-Amtskollegin Wendy Sherman (72) am Montag in Genf offiziell aufeinandertreffen, ist schon klar: Weder der Russe noch die Amerikanerin sind gekommen, um Zugeständnisse zu machen.

Konkret: Russland will von Washington die Zusicherung, dass die Nato nicht weiter expandiert, vor allem nicht in die Ex-Sowjetrepublik Ukraine. «Wir brauchen Garantien über eine Nicht-Erweiterung der Nato», so Vize-Aussenminister Rjabkow, der seine Karriere schon in der Sowjetunion gestartet hat. Um zu unterstreichen, wie ernst es ihm ist, hat Putin im Dezember unterschriftsbereite Verträge an USA und Nato schicken lassen!

Die Amerikaner machten aber schon klar: Man denkt nicht daran, irgendetwas zu unterschreiben. Ein US-Regierungsvertreter sagte gegenüber Journalisten im Hinblick auf den Ukraine-Gipfel, es sei nicht an Moskau, darüber zu entscheiden, mit welchen Ländern andere Staaten Bündnisse eingingen. «Im Zusammenhang mit der Nato bezeichnen wir das als offene Tür, und die wird weder Russland noch ein anderes Land zuschlagen.»

Niemand glaubt an diplomatischen Durchbruch

Dass von den Genfer Gesprächen kein diplomatischer Durchbruch zu erwarten ist, wissen auch die Russen. «Nach den Signalen, die wir in den vergangenen Tagen aus Washington und Brüssel vernommen haben, wäre es wohl naiv, einen Fortschritt – erst recht einen schnellen – vorauszusetzen», so Vize-Aussenminister Sergei Rjabkow gegenüber der russischen Nachrichtenagentur Interfax. Immerhin: Den Vorwurf, man plane, in die Ukraine einzumarschieren, wies die russische Seite zurück.

Was bleibt, sind gegenseitige Drohungen: US-Vertreter drohen den Russen mit Wirtschaftssanktionen, die Russland auf eine Stufe mit Syrien, Nordkorea oder Kuba stellen würden. Und Russland könnte noch mehr Soldaten Richtung Europa schicken, noch weiter an der Eskalationsspirale drehen. Oder tatsächlich schon wieder in ukrainisches Gebiet einmarschieren.

Erst im Juni 2021 trafen sich US-Präsident Joe Biden (79) und Wladimir Putin zum Gespräch in der Genfer Villa La Grange. Auch da war der Ukraine-Konflikt ein Thema zwischen den beiden Präsidenten. Aber zu einer politischen Annäherung kam es am Genfersee ganz offensichtlich nicht.

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