Angst vor Invasion der Ukraine
Putins Spiel mit dem Feuer

Nachdem Russland gut 100'000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengetrommelt hat, wächst die Sorge vor einer weiteren Eskalation des Konflikts.
Publiziert: 26.12.2021 um 11:51 Uhr
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Wladimir Putin hat in den letzten Wochen Berichten zufolge gut 100'000 russische Soldaten an der Grenze zur Ukraine stationiert.
Foto: keystone-sda.ch
Valentin Rubin

Dass Russlands Präsident Wladimir Putin seine Truppen im Land verschiebt und dabei mit all seinen Säbeln rasselt, ist nicht neu. Dass er den Westen als Feind und Bedrohung wahrnimmt, auch nicht. Und dass es Putin auf die Ukraine abgesehen hat, ist spätestens seit der völkerrechtswidrigen Annexion der Halbinsel Krim im Jahr 2014 kein Geheimnis mehr.

Sicherheitsexperten und Politikberater sind sich der latenten Gefahr aus dem Osten so auch seit langem bewusst. Dass Putin eine weitere Eskalation aber effektiv in Kauf nimmt, hielten sie stets für weniger wahrscheinlich. Bis jetzt.

Russische Staatsmedien stimmen die eigene Bevölkerung auf einen Krieg in der Ukraine ein. Gemäss Berichten hat Putin bereits über 100'000 Soldaten in der Nähe der ukrainischen Grenze zusammengetrommelt – einzelne Truppen wurden gar aus dem fernen Sibirien aufgeboten.

Mehr noch: Nebst Kampfeinheiten wurden auch logistische und medizinische Einheiten in Richtung Ukraine verschoben. Damit ist klar: Eine Invasion der Ukraine er- scheint zumindest möglich. Die USA, Deutschland, ja die gesamte EU hat bislang das gemacht, was sie fast immer machen: untereinander diskutieren sowie Moskau zum Dialog auffordern und mit Sanktionen drohen.

Ob das reicht, ist fraglich. Putin will – zumindest rhetorisch – aufs Ganze gehen. Die Ukraine gilt ihm als heiliger Gral, der Russland in den 90er-Jahren nach dem Zerfall der Sowjetunion abhandengekommen ist. Die Ukraine ist für Russland mehr als nur ein Nachbarstaat. Sie ist der Puffer, der Mittel- und Westeuropa auf sichere Distanz halten soll.

Ausserdem war die Ukraine jahrzehntelang wichtiger Kornspeicher, Nahrungsmittellieferant und Industriestandort für die Sowjetunion. Weiter ist sie historisches Kernland der russischen Kultur: Im Mittelalter entstand mit der Kiewer Rus ein bedeutendes slawisches Grossreich, das als Vorläufer der modernen Staaten Russland, Belarus und Ukraine gilt. Länder, die aus Sicht Moskaus gar nie erst hätten getrennt werden dürfen.

Die Mehrheit der Ukrainer sieht das natürlich anders. Politisch und wirtschaftlich fühlen sie sich mehr und mehr dem Westen zugehörig. Ein direkter Nato-Beitritt ist zwar formal (noch) kein Thema. Aber die Sympathie für das Militärbündnis wächst. Vor Kriegsausbruch im Jahr 2014 sahen die Ukrainer die Nato mehrheitlich als Bedrohung. Gemäss einer Umfrage aus diesem Herbst wäre mittlerweile aber eine Mehrheit für einen Beitritt. Genau das will Putin aber unter allen Umständen verhindern.

Das zeigt: Die Ukrainer wollen von seiner Strategie der Aggression nicht viel wissen. Putins Bemühungen, das Land militärisch auf seine Seite zu zwingen, haben letztlich genau das Gegenteil bewirkt.

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