Auf einen Blick
- Noten spielen untergeordnete Rolle bei Lehrstellensuche. Potenzial ist entscheidend
- Soft Skills wie Pünktlichkeit und Freundlichkeit sind zentral für Erfolg
- 14-jährige Buben zeigen oft Unterschied zwischen schulischer Leistung und Potenzial
Immer wieder fallen Jugendliche bei der Lehrstellensuche durchs Raster. Trotz Dutzenden Bewerbungen kommen viele nicht einmal bis zu einem Bewerbungsgespräch, wie im Fall von Gianni Alig (14) aus Aadorf TG. Trotz genügendem Notenschnitt und 40 Bewerbungen schaffte er es nicht, sich eine Stelle im KV oder als Sportartikelverkäufer zu ergattern. Seine Mutter Carmen (41) macht unter anderem den einseitigen Fokus der Lehrbetriebe auf die Noten dafür verantwortlich.
Sind die Noten schuld? «Nein», sagt Thomas Maag (60), Geschäftsführer beim Ausbildungszentrum Wibilea in Neuhausen am Rheinfall SH. «Wenn wir bei Schülern Potenzial erkennen, spielen die Noten eine untergeordnete Rolle. Wir erwarten keine Perfektion.»
Basis muss da sein
«Der erste Schritt ist für uns eine grobe Überprüfung der Eignung», erklärt Maag das Vorgehen bei der Lehrlingssuche: «Die absoluten Mindestanforderungen müssen erfüllt sein, danach schauen wir kaum mehr aufs Zeugnis», sagt er. Natürlich gäbe es aber Berufe, für die gewisse Grundvoraussetzungen notwendig seien.
Für einen Schüler aus der Sonderschule ist es schwer, Polymechaniker oder Kaufmann zu werden. Zeigen schwächere Schüler aber in relevanten Fächern grosses Talent, sei vieles möglich: «Beim Polymechaniker reicht es oft auch aus, wenn er in diesen naturwissenschaftlichen Fächern gut ist.» Für das KV oder Informatik sei jedoch ein solider Sek-Abschluss notwendig. Alleine das Zeugnis sage oft nicht viel über das Potenzial eines Bewerbers aus, deshalb gäbe es mittlerweile weitere Hilfen, wie den Stellwerktest.
Potenziale erkennen
«Der Stellwerktest als Beispiel ist für uns sehr hilfreich, um versteckte Potenziale zu erkennen», sagt Maag. Gerade bei den Jungs, sei oft ein Unterschied zwischen schulischer Leistung und Potenzial erkennbar: «Buben haben mit 14 oft einen anderen Antrieb, sind manchmal schulmüde und für Lehrer anstrengend im Umgang. Die Mädchen sind disziplinierter.»
Das Motivationsschreiben sei, je nach Berufswunsch, ein weiterer Faktor: «Es sollte authentisch sein und vom Jugendlichen selbst stammen. Wir erwarten nichts Perfektes. Schliesslich sind das noch Kinder» so Maag. «Einem Polymechaniker verzeihen wir Rechtschreibfehler. Für das KV sollte der Text hingegen fehlerfrei sein.» Authentizität sei viel wichtiger. Man merke schnell, wenn ein Text vom Vater oder einer KI optimiert wurde, was keinen guten Eindruck mache. Auch persönliche Interessen spielen eine Rolle: «Wenn ein Mediamatiker als Hobby Filmen oder Fotografieren angibt, hilft das natürlich.»
Soft Skills als entscheidender Faktor
Ist die erste Hürde überwunden und man darf schnuppern, spielen die sogenannten «Soft Skills» die zentralste Rolle: «Sind sie pünktlich? Sind sie freundlich? Sind sie teamfähig?», fasst Maag die Kriterien zusammen. Man könne durch Interesse und Teamfähigkeit punkten: «Freundliche Kinder haben einfach die grössere Chance.» Nur schon ein einfaches «Grüezi» am Morgen könne positiv auffallen.
Ein letzter Faktor ist die Art des Unternehmens. Während bei grossen Unternehmen das Augenmerk häufig auf standardisierten Auswahlkriterien läge, würden sich bei KMU Chancen auch für eher durchschnittliche Schüler auftun: «Bei kleineren Betrieben zählt das Persönliche viel mehr.»