Auf einen Blick
- Sarco-Chef aus U-Haft entlassen. Kritik an Schweizer Behörden geäussert
- Philip Nitschke überrascht von Problemen in der Schweiz für Sterbehilfe
- 70 Tage verbrachte Florian Willet in Schaffhauser Untersuchungshaft
Kaum ist der Co-Präsident von The Last Resort, Florian Willet, aus der U-Haft entlassen, heisst es vom Unternehmen, das die Suizid-Kapsel Sarco gebaut hat: Jetzt erst recht!
Sarco-Erfinder Philip Nitschke (77) äussert sich am Tag nach der Freilassung seines Geschäftspartners gegenüber Blick und macht eine Ansage: «Wir gehen davon aus, dass wir eine Lösung finden werden, um unsere Dienste zur Sterbehilfe für geistig zurechnungsfähige Erwachsene auch weiterhin anbieten zu können.» Die Ankündigung eines Rückzugs aus der Schweiz würde anders klingen.
Doch nicht nur das. Nitschke will den Sarco gar ausbauen – im wahrsten Sinne des Wortes. In Zukunft sollen zwei Personen gemeinsam in den Tod gehen können. «Derzeit wird eine Doppelkapsel für Paare produziert», bestätigt der australische Aktivist und Arzt. Daneben sollen andere technische Aspekte der Suizid-Kapsel verbessert werden, zum Beispiel sollen die Körper leichter aus der Kapsel entfernt werden können.
Nach 70 Tagen wieder frei
Nitschkes Aussagen klingen trotzig, nachdem die Schaffhauser Staatsanwaltschaft einen sehr gewichtigen Vorwurf gegen seinen Geschäftspartner Florian Willet am Montag fallengelassen hatte. Willet wird nun nicht mehr vorsätzliche Tötung vorgeworfen.
Der Obduktionsbericht des Institutes für Rechtsmedizin des Kantons Zürich liege zwar noch nicht vor, schrieb die Schaffhauser Staatsanwaltschaft. Der Verdacht auf ein Tötungsdelikt sei aber nicht mehr gegeben. «Der Vorwurf der vorsätzlichen Tötung war und ist absurd», schrieb Sarco-Erfinder Nitschke am Montag in einem Post in den sozialen Medien. «Es fällt mir schwer, die äusserst harte Behandlung von Florian seit dem Sarco-Einsatz zu verstehen.» Darum sei er froh, dass dieser nach 70 Tagen endlich aus der U-Haft entlassen worden sei.
Florian Willet war verhaftet worden, nachdem die Suizidkapsel Sarco Ende September bei einer Waldhütte im Kanton Schaffhausen zum Einsatz gekommen war. Eine 64-jährige US-Amerikanerin starb darin. Die Verantwortlichen um Philip Nitschke bestritten gegenüber den Medien immer vehement, dass jemand beim Tod der sterbewilligen Person «nachgeholfen» habe. Die Amerikanerin habe die Kapsel aus eigenem Antrieb betreten, den Deckel selbstständig geschlossen und selbst auf den Knopf gedrückt, um ihr Leben zu beenden. Der Tod im Sarco wird dabei durch Stickstoff herbeigeführt.
Nicht aus dem Schneider
Wie es seinem Geschäftspartner aktuell geht, weiss der Sarco-Erfinder derweil nicht. «Ich konnte Florian bisher nicht kontaktieren. Ich habe aber eine Nachricht erhalten, dass er okay ist und hoffe bald mit ihm sprechen zu können», so Nitschke.
Das wird auch nötig sein, denn das juristische Ungemach ist für Willet noch nicht ausgestanden. «Aufgrund des neusten Ermittlungsstandes besteht nach wie vor ein dringender Tatverdacht betreffend der Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord», wie die Staatsanwaltschaft Schaffhausen am Montag ebenfalls mitteilte.
Entsprechend sagt Nitschke: «Es müssen Fragen rund um die Rechtmässigkeit des Sarco-Einsatzes geklärt werden. Man hat uns aber von mehreren Seiten versichert, dass die Verwendung mit dem geltenden Schweizer Recht vereinbar ist.»
Nitschke ist denn auch überrascht über den Gegenwind, der dem Projekt Sarco in der Schweiz entgegenbläst. Bisher habe er die Schweiz als weltweit führend in der Sterbebegleitung wahrgenommen: «Das alles kam unerwartet. Ich habe immer betont, dass die Schweizer Gesetzgebung in der Frage der Sterbehilfe die fortschrittlichste der Welt ist. Nach den jüngsten Ereignissen werde ich in meiner Begeisterung für die Schweiz aber viel zurückhaltender sein», so der australische Arzt.