Auf einen Blick
- Amerikanerin stirbt in Sarco-Kapsel in Schaffhausen
- Staatsanwaltschaft ermittelt wegen möglicher vorsätzlicher Tötung
- Florian Willet seit fünf Wochen in U-Haft
Sie legte sich in die Kapsel, drückte auf den Knopf und schlief für immer ein: Am 23. September schied bei einer Waldhütte in Merishausen SH eine sterbewillige Amerikanerin (†64) aus dem Leben. Sie starb durch Stickstoff, der in die blau-weisse Sarco-Kapsel strömte. Die Frau sei «friedlich» eingeschlafen, beschrieb die Sterbehilfeorganisation «The Last Resort» den Tod der Frau in einer Stellungnahme. Im Nachgang an das Ableben der Frau verhafteten die Schaffhauser Behörden vier Personen, Florian Willet (47), Co-Präsident von «The Last Resort», zwei Anwälte sowie eine niederländische Journalistin, die den ersten Einsatz der Kapsel begleitet hatte.
Willet sitzt auch fünf Wochen nach dem Vorfall noch immer in U-Haft, die anderen drei Personen kamen nach 48 Stunden wieder frei. Laut einem Bericht der niederländischen Zeitung «de Volkskrant» untersucht die Schaffhauser Staatsanwaltschaft offenbar, ob die Amerikanerin getötet worden sein könnte. Der Präsident von «The Last Resort» sei die einzige anwesende Person gewesen, als die Frau in Meirishausen SH auf den Stickstoff-Knopf drückte.
Die «de Volksrant»-Reporter haben das Projekt von Sarco-Erfinder Philip Nitschke sehr eng verfolgt. Sie waren die einzigen Journalisten, die von der Sarco-Premiere wussten und waren deshalb auch mit einer Fotografin vertreten.
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Mysteriöse Verletzungen
Laut dem Blatt soll ein Forensiker wenige Stunden nach dem Tod der Amerikanerin den Ermittlern am Telefon berichtet haben, dass die Verstorbene schwere Nackenverletzungen aufwies. Dies habe bei den Ermittlern den schweren Verdacht ausgelöst, dass die Frau erwürgt worden sein könnte.
Die Journalisten schreiben, dass weiterhin ein grosses «Geheimnis» um die Todesursache der Frau gemacht werde. So soll den Anwälten der festgenommenen Personen der Autopsiebericht vorenthalten worden sein. Was laut «de Volkskrant» ebenfalls fragwürdig sei: Der Staatsanwalt soll den Vorwurf der vorsätzlichen Tötung bisher nicht öffentlich gemacht, diesen jedoch bei der Beantragung einer verlängerten Untersuchungshaft für Willet hervorgebracht haben.
Gegenüber der «NZZ» erklärt eine Person aus dem Umfeld von «The Last Resort», dass die Verstorbene an einer Osteomyelitis an der Schädelbasis gelitten habe. Das heisst: Das Knochenmark der Amerikanerin war entzündet. Die Erkrankung könnte ein Grund für die Male im Hals- und Nackenbereich gewesen sein, schreibt die Zeitung.
Zwei Videoaufnahmen sollen Willet entlasten
Nach Angaben von «de Volkskrant» existieren zwei Videoaufnahmen, die Willet entlasten könnten: Eine Kamera filmte den Kontrollknopf innerhalb der Kapsel, eine zweite Kamera war aussen an einem Baum angebracht. Die aufgezeichneten Szenen haben zwar Lücken, da sie nur auf Bewegung reagieren, es sei aber ersichtlich, dass Willet nie den Deckel der Sarco geöffnet oder sich anderweitig verdächtig verhalten habe, so der Bericht. Ob die Ermittler Zugriff auf das Material haben, ist bislang unklar.
Die niederländischen Journalisten fragen in dem Bericht, ob die Behörden den Verdacht der vorsätzlichen Tötung nutzen könnten, um weiterreichende Ermittlungen durchführen zu dürfen. Möglicherweise erhöhe der Verdacht die Chancen auf ein allfälliges Auslieferungsgesuch der Schweiz für Sarco-Erfinder Philip Nitschke und seine Ehefrau Fiona Stewart (56). Die Australier haben die Schweiz mittlerweile verlassen.
Auf Anfrage der «NZZ» äussert sich Staatsanwalt Sticher mit Verweis auf das Amts- und Untersuchungsgeheimnis nicht zu den Ermittlungen. Es ist derzeit nicht bekannt, ob ein Auslieferungsgesuch für Nitschke und Stewart besteht.