Auf einen Blick
- Fotografin war Zeugin bei Einsatz von Sarco-Suizidkapsel in Schaffhausen
- Sterbewillige Amerikanerin habe in keinem Moment gezögert
- Erfinder der Todeskammer war aus Deutschland zugeschaltet
Irgendwann am späteren Nachmittag hatte sich eine 64-jährige Amerikanerin im Kanton Schaffhausen SH in die futuristische Sarco-Suizidkapsel gelegt. Minuten später war sie tot.
Eine niederländische Fotografin war Zeugin beim ersten Einsatz der Todeskapsel. Sie war vorübergehend verhaftet worden und veröffentlichte nach ihrer Freilassung das Protokoll der Vorgänge im Schaffhauser Wald. In der Zeitung «Volkskrant» beschreibt die Fotografin im Detail, wie sie die letzten Momente der Mutter von zwei Kindern und ihren Tod in dem abgelegenen Wald erlebte, etwa fünf Kilometer von Merishausen SH entfernt.
Mit einem schlichten, bewegenden Foto zeigt die Holländerin die Frau mit blond meliertem Haar, wie sie vor der Kapsel steht, ohne dass ihr Gesicht erkennbar ist. Die Frau trägt bei ihrem letzten Gang einen flauschigen, cremefarbenen Pullover, eine schwarze Hose und offene Sandalen.
Keinerlei Zögern
Nach einem kurzen Moment der Andacht vor der Kapsel sei die Amerikanerin ohne zu zögern eingestiegen und habe sich hingelegt. Mit einem 24 Stunden lang gültigen Zugriffscode aktivierte sie ein Computerprogramm. Eine Roboterstimme stellte ihr ein paar Fragen. Schliesslich: «Wenn Sie sterben wollen, drücken Sie diesen Knopf.» Die an einer Immunschwäche leidende Frau habe keine Sekunde gezögert.
Augenblicke später wurde der versiegelten Kammer mit der Flutung von Stickstoff der Sauerstoff entzogen. Um 16.01 Uhr sei die Frau für tot erklärt worden. Laut der anwesenden Fotografin sei ihr Ableben «friedlich und schmerzlos» erfolgt.
Der von seinen Gegnern auch «Dr. Tod» genannte Erfinder der Suizidkapsel, die nach einer Kurzform von «Sarkophag» benannt ist, lebt heute in den Niederlanden. Der gebürtige Australier Philip Nitschke (77) war laut dem Bericht von Deutschland aus zugeschaltet.
Letzte Erklärung
Die Schaffhauser Staatsanwaltschaft, die gegen die von Nitschkes Frau präsidierte Sterbehilfsorganisation The Last Resort ermittelt, machte keine genaueren Angaben zu den Verhaftungen. Der «Volkskrant»-Bericht lässt darauf schliessen, dass neben der Amerikanerin vier Personen anwesend waren – darunter die Fotografin und der Vizepräsident von The Last Resort, der deutsche Psychologe Florian Willet.
Drei der vier verhafteten Personen sind seit Mittwoch wieder frei. Für eine Person hat das Schaffhauser Zwangsmassnahmengericht die von der Staatsanwaltschaft beantragte Untersuchungshaft angeordnet.
Die Amerikanerin hatte vor ihrem Tod eine mündliche Erklärung über ihr «folgenschweres» Vorgehen abgeben müssen, bevor sie sich in die Kapsel legen konnte. In der mehr als vierminütigen Aufzeichnung sagte sie, wie es heisst, dass sie seit zwei Jahren an schweren chronischen Beschwerden leide. Ihre beiden Söhne, die nicht anwesend waren, würden ihren Entscheid zu 100 Prozent unterstützen.
Einsatz von Sarco in der Schweiz verboten
Der Freitod mittels Suizidkapsel ist in der Schweiz nicht erlaubt. Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider (60) sagt: «Die Sarco-Suizidkapsel ist in zweierlei Hinsicht nicht rechtskonform.» Sie verstosse gegen das Produktesicherheitsrecht. «Sie darf nicht in Verkehr gebracht werden.» Weiter hält die SP-Gesundheitsministerin fest, dass das Verwenden des Stickstoffs in der Suizidkapsel gegen das Chemikaliengesetz verstosse.
Mehrere Personen aus dem Umfeld der Organisation The Last Resort, die die umstrittene Sarco-Kapsel zum ersten Mal einsetzten, wurden diese Woche vorübergehend festgenommen. Die Staatsanwaltschaft leitete gegen diese ein Verfahren wegen Verleitung und Beihilfe zu Selbstmord ein. Während die Staatsanwaltschaft für eine Person einen Antrag auf Untersuchungshaft stellte, wurden die übrigen im Verlaufe dieser Woche wieder entlassen.
Diese Stellen sind rund um die Uhr für Menschen in suizidalen Krisen und für ihr Umfeld da:
- Beratungstelefon der Dargebotenen Hand: Telefon 143 www.143.ch
- Beratungstelefon von Pro Juventute (für Kinder und Jugendliche): Telefon 147 www.147.ch
- Weitere Adressen und Informationen: www.reden-kann-retten.ch
Adressen für Menschen, die jemanden durch Suizid verloren haben
- Refugium – Verein für Hinterbliebene nach Suizid: www.verein-refugium.ch
- Nebelmeer – Perspektiven nach dem Suizid eines Elternteils: www.nebelmeer.net
Diese Stellen sind rund um die Uhr für Menschen in suizidalen Krisen und für ihr Umfeld da:
- Beratungstelefon der Dargebotenen Hand: Telefon 143 www.143.ch
- Beratungstelefon von Pro Juventute (für Kinder und Jugendliche): Telefon 147 www.147.ch
- Weitere Adressen und Informationen: www.reden-kann-retten.ch
Adressen für Menschen, die jemanden durch Suizid verloren haben
- Refugium – Verein für Hinterbliebene nach Suizid: www.verein-refugium.ch
- Nebelmeer – Perspektiven nach dem Suizid eines Elternteils: www.nebelmeer.net