Es drohen strafrechtliche Konsequenzen
Kanton Schaffhausen verbietet Einsatz der Todeskapsel

Der Kanton Schaffhausen droht der Betreiberin der umstrittenen Suizidkapsel «Sarco» mit strafrechtlichen Konsequenzen. Öffentlich kommentieren möchte der Kanton das aber nicht. Dokumente, die Blick vorliegen, sprechen jedoch eine deutliche Sprache.
Publiziert: 08.07.2024 um 18:05 Uhr
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Aktualisiert: 08.07.2024 um 18:50 Uhr
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«Der Tesla der Sterbehilfe», die Suizidkapsel «Sarco», wird im Kanton Schaffhausen vorerst wohl nicht zum Einsatz kommen: Der Kanton droht den Betreibern mit rechtlichen Konsequenzen.
Foto: Exit International
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Sebastian BabicReporter Blick

Alles schien bereit für den ersten Einsatz der Selbstmordkapsel «Sarco», dem «Tesla der Sterbehilfe», wie deren Erfinder, Philip Nitschke (76), die futuristische Suizid-Apparatur bei mehreren Gelegenheiten nannte. In der «NZZ» wurde der erste Einsatz bereits für den Juli dieses Jahres angekündigt. Doch ganz so einfach, wie geplant, ist es nicht. Wie Blick erfahren hat, droht die Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen dem Betreiber der Suizidkapsel mit einem Strafverfahren, sollte diese im Kanton zum Einsatz kommen.

Nach Jahren der Vorbereitung schien der Coup des australischen Freitodaktivisten Nitschke zum Greifen nah: Bereits kommende Woche sollte die Suizidkapsel, die Sterbewillige mit Stickstoff tötet, in der Schweiz erstmals eingesetzt werden.

In der Kapsel töten sich Menschen mithilfe eines Knopfes selbst. Nach dem Drücken fliesst Stickstoff in die Kapsel und führt zum Ersticken. Laut dem Erfinder ganz ohne Schmerzen. Im Gegenteil: Ein Hochgefühl soll den Sterbewilligen kurz vor seiner Reise ins Jenseits begleiten. Eine Aussage, die zahlreiche Experten in Zweifel ziehen. Insbesondere nach einer Hinrichtung in den USA, bei der Stickstoff verwendet wurde: Zeugen berichteten damals von einem minutenlangen Todeskampf des Häftlings.

Zweifelhafte Premiere

Nichtsdestotrotz führt die Organisation Exit Switzerland (nicht zu verwechseln mit Exit Schweiz) die Planungen ungehindert fort, was sich aktuell im Kanton Schaffhausen zeigt. Dort erkundigte sich die Organisation via Anwältin beim Schaffhauser Kantonsarzt über die Eckpunkte einer «Betriebs- und Berufsausübungsbewilligung». Laut der Antwort des kantonsärztlichen Dienstes sei diese für die Apparatur nicht nötig, jedoch unterliege diese aus Sicht des Kantonsarztes «den rechtlichen Bestimmungen der Medizinprodukteverordnung». Weiter dazu äussern möchte man sich auf Anfrage aber nicht.

Kurze Zeit später doppelt die Schaffhauser Staatsanwaltschaft nach und setzt sich mit der Kanzlei der Sterbehilfe-Anbieterin in Verbindung. Bei einem Einsatz der Kapsel drohen ernsthafte juristische Konsequenzen, so das Schreiben des ersten Schaffhauser Staatsanwalts Peter Sticher an die Adresse der Anbieter. Das Dokument liegt Blick exklusiv vor.

Bis zu fünf Jahre Haft

Konkret wirft die Verwendung der Kapsel aus Sicht der Staatsanwaltschaft strafrechtlich relevante Fragen auf, die mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden könnten. Dabei spielt Artikel 115 des Strafgesetzbuches eine entscheidende Rolle. Dieser regelt, dass «Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord aus selbstsüchtigen Gründen» sanktioniert wird. Dazu zählt eine finanzielle Bereicherung an einem freiwilligen Suizid. Nicht zuletzt deswegen werden die allermeisten Sterbehilfe-Organisationen strikt als Non-Profit-Organisationen geführt.

Zudem sei die Anfrage an den Kanton Schaffhausen derart diffus gewesen, dass wichtige Punkte offenbleiben: «Es fehlen jegliche gesicherten Informationen über die Tötungsmethode», heisst es im Schreiben. Es sei somit «völlig unklar, wer beim Sterbeprozess welche Tatherrschaft über welchen mechanischen Vorgang hat». Zudem sei das Finanzierungsmodell völlig offen, ebenso die Lokalität. Fazit: Bei einem Einsatz der Suizidkapsel müsse «zwingend» ein Strafverfahren eingeleitet werden. 

Kanton und Sterbehilfe hüllen sich in Schweigen

Auf Blick-Anfrage äussert sich die Staatsanwaltschaft nur allgemein. Der Einsatz der Kapsel sei zurzeit nur theoretischer Natur: «Aussagen über mögliche strafrechtliche Folgen des Einsatzes der Suizidkapsel sind derzeit noch nicht möglich.»

Auch Exit Switzerland wurde von Blick um eine Stellungnahme gebeten. Bis zur Publikation ging allerdings keine Reaktion ein.

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