Zeugen sprechen von minutenlangem Todeskampf
USA haben erste Hinrichtung mit Stickstoff vollstreckt

In den USA fand in der Nacht die erste Hinrichtung mittels Stickstoff statt. Der Verurteilte wand sich laut Zeugen in einem längeren Todeskampf. Die Henker versuchten den Todeskandidaten schon 2022 hinzurichten, fanden aber keine Vene für die tödliche Injektion.
Publiziert: 26.01.2024 um 02:17 Uhr
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Aktualisiert: 26.01.2024 um 15:36 Uhr
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Der wegen Auftragsmord zum Tod verurteilte Kenneth Smith wurde am späten Donnerstag (Ortszeit) in den USA hingerichtet.
Foto: Keystone
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Daniel KestenholzRedaktor Nachtdienst

Es ist ein 30-stündiger Prozess, bis die eigentliche Hinrichtung beginnt. Am Donnerstagmorgen Ortszeit hat der zum Tod verurteilte Kenneth Smith (58) im US-Bundesstaat Alabama die Henkersmahlzeit serviert erhalten. Sein letzter Wunsch nach einem Essen waren Steak, Hashbrowns und Eier, wie US-Medien berichten. Vor 20.30 Uhr Ortszeit (3.30 Uhr MEZ am Freitag) bestätigte Alabamas Gouverneurin Kay Ivey (79), dass der Staat die Todesstrafe vollzogen habe. Ivey gab keine Details, wie lange die Vollstreckung gedauert oder ob Smith gelitten habe.

Smith ist der erste Todeskandidat in den USA, der durch die Todesstrafe mittels Stickstoff starb. Diese Hinrichtungsmethode war zuvor noch nie in den USA an einem Menschen getestet worden. Es war die Rede von einem «Hinrichtungsexperiment», mit Smith als «Versuchskaninchen». Dabei hatte Smith selber um diese Hinrichtungsmethode gebeten – als Alternative zur Todesspritze.

Bis zur letzten Minute liefen die Drähte zwischen Anwälten und Gerichten heiss, die Exekution noch zu stoppen. Doch mehrere Gerichte, darunter der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten, haben bereits grünes Licht gegeben. Smith soll für den Auftragsmord 1988 an einer Frau sterben.

Makabre Details aus Hinrichtungskammer

Medien waren mit fünf Journalisten im Zeugenraum vertreten. Wie diese nach der Vollstreckung des Urteils berichteten, sei um 19.53 Uhr der Vorhang geöffnet worden. Smiths letzte Worte seien unter anderem gewesen: «Heute Abend lässt Alabama die Menschheit einen Schritt rückwärts machen. Danke, dass ihr mich unterstützt habt. Ich liebe euch alle.»

Nachdem das Gas zu fliessen begann, lächelte Smith, nickte seiner Familie zu und deutete «Ich liebe euch» an.

Dann habe sich Smith zu wehren versucht, als das Gas in die Maske zu strömen begann, die sein ganzes Gesicht bedeckte. Während mehrerer Minuten habe er sich im Todeskampf zu winden und zu strampeln begonnen, gefolgt von etwa fünf Minuten schwerer Atmung. Um 20.07 Uhr Ortszeit beugte sich ein Justizvollzugsbeamter über die Bahre und untersuchte Smiths Gesicht genau. Als genauen Todeszeitpunkt gab der Staat später 20.25 Uhr an.

«Nichts wird Mama zurückbringen»

Ein Sohn der 1988 getöteten Frau sagte nach der Hinrichtung zu Journalisten: «Nichts, was hier heute passiert ist, wird Mama zurückbringen. Es ist eine Art bittersüsser Tag. Wir werden nicht herumhüpfen vor Freude. Aber wir sind froh, dass dieser Tag vorbei ist. Böse Taten haben Konsequenzen. Kenneth Smith traf vor 35 Jahren einige schlechte Entscheidungen, und seine Schuld wurde heute Abend beglichen.»

Brutales Déjà-vu

Die Gefängnisbehörden hatten zuvor das Protokoll des Ablaufs in der Hinrichtungskammer veröffentlicht. Smith wird auf eine Trage festgeschnallt. Er erhält eine Maske auf den Kopf gesetzt, in die ein Stickstoffstrom eingeleitet wird. Dies entzieht ihm den Sauerstoff, was zum Tod durch Ersticken führen soll.

Wie lange der Sterbeprozess dauern wird und wie qualvoll das ist, das weiss niemand. Ein brutales Déjà-vu für den Todeskandidaten. Es ist das zweite Mal, dass Alabama versuchte, Smith zu töten. Im November 2022 schlug eine tödliche Injektion fehl.

Die Henker konnten keine geeignete Vene finden und stachen noch in den Knochen, bevor das Todesurteil auslief. Nach vier Stunden und mehreren gescheiterten Versuchen war die Hinrichtung abgebrochen und Smith in seine bereits geräumte Todeszelle zurückgeführt worden.

Erstickungstod durch Erbrochenes?

Seither klagte Smith über Schmerzen. Laut einem seiner Anwälte litt sein Mandant noch heute an den Folgen dieses gescheiterten Tötungsversuchs – wegen der Stiche in die Muskeln und Knochen, nur nicht in den Blutkanal.

In diesen letzten Stunden von Smith argumentierten dessen Anwälte, dass Alabama nicht ausreichend vorbereitet sei, um die Hinrichtung durchzuführen. Eine Maske könne genug Sauerstoff einlassen, um den Prozess zu verlängern und Smith leiden zu lassen. Er könne an eigenem Erbrochenen ersticken, lautet ein weiteres Argument. Um zu verhindern, dass er sich erbricht, wird Smith am Donnerstag nicht erlaubt, nach 10 Uhr morgens noch zu essen.

Offenbar habe sich Smith noch am Mittwoch «häufig in einen Abfalleimer im Gefängnis übergeben und befürchtet, dass seine Übelkeit die Hinrichtung erschweren könnte». Mit diesen Worten zitiert die «New York Times» Pfarrer Jeff Hood, den geistlichen Berater von Smith, der während der Hinrichtung im Raum sein wird.

Letzter verzweifelter Appell an Richter

«Wir haben das Gefühl, dass wir ein krankes, verdrehtes Horrorhaus betreten», so Hood. Smith habe «grosse Angst. Er hat Angst, dass diese Sache ihn komplett foltern wird.»

Die auf 18 Uhr Ortszeit (1 Uhr MEZ am Freitag) angesetzte Hinrichtung könne sich um mehrere Stunden bis tief in die Nacht verspäten, berichten US-Medien. Dies, weil die Anwälte von Smith am Donnerstagmorgen einen weiteren Eilantrag beim Obersten Gerichtshof eingaben. Smith wartet auf die Antwort der Richter zu diesem letzten verzweifelten Versuch, die Hinrichtung zu stoppen, um neueste Argumente zu prüfen. Kurz vor 19 Uhr Ortszeit kam das zweite grüne Licht der obersten Richter der USA. Die Exekution werde nicht ausgesetzt. Seitens der Vollstreckungsbehörden hiess es, die Hinrichtung schreite voran.

Als Zeugen des Verurteilten waren Smiths Frau, zwei Söhne, sein Anwalt und ein Freund in der Hinrichtungskammer anwesend. Die Frist für diese zweite Hinrichtung von Smith wäre am Freitagmorgen, 6 Uhr Ortszeit abgelaufen (13 Uhr Schweizer Zeit). 

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