Die Stille im Saal ist gespenstisch, die Anspannung greifbar. Am Dienstag, um 8.11 Uhr ist es so weit: Thomas N.* (34), der Vierfach-Killer von Rupperswil AG, wird in den Raum der Mobilen Einsatzpolizei in Schafisheim AG geführt. Die Handschellen wurden ihm abgenommen, Fussfesseln trägt er keine. Der Angeklagte nimmt neben seiner Verteidigerin Platz und blickt zu Boden. Er trägt ein modisches graues Hemd, Jeans, Lackschuhe. Seine Haare sind perfekt frisiert, dazu ein lockerer Dreitagebart. Er ist viel schmächtiger als auf dem Bild, das die Schweiz seit zwei Jahren von ihm kennt.
Doch: Hinter der Fassade des perfekten Schwiegersohns verbirgt sich ein brutaler Killer. Thomas N. löschte im Dezember 2015 vier Menschenleben aus. Eiskalt, perfide, unvorstellbar grausam. Erst 146 Tage später wurde der Aargauer geschnappt, da hatte er schon weitere Mordpläne geschmiedet. Ein Rucksack samt Adressen neuer Opfer und Tat-Utensilien lagen griffbereit.
Keinen Blickkontakt
Gerichtspräsident Daniel Aeschbach wartet drei quälend lange Minuten, bevor er um 8.15 Uhr dreimal mit dem Hammer auf den Tisch klopft. Sein strenger Blick verharrt immer wieder bei Thomas N. Nur: Der Angeklagte schaut kaum hoch, kratzt sich lieber über die Brauen. Selbst wenn er sich die Nase putzt, wendet er den Kopf vom Saal ab. Immer wieder schliesst er die Augen.
So auch, als er die Ausführungen des Gutachters Elmar Habermeier hört. Der Zürcher Psychiater traf sich sechsmal mit Thomas N. Er zeichnet das Bild eines gespaltenen Menschen.
Nach sorgenfreier Jugend- und Schulzeit stehen Thomas N. mit Anfang 20 alle Türen offen. Der junge Mann träumt von einem Medizinstudium. Nicht, um Menschen zu helfen – es geht ihm ums Renommee. Habermeier: «Er hat sich nie wirklich bemüht, geschweige um Studieninhalte gekümmert.» Doch die Legende ist geboren. Als Juniorenbetreuer fabuliert Thomas N. vor Kameraden über eine Anstellung als Laborarzt. Dazu meistert er angeblich eine Krebserkrankung. Sogar eine Freundin erfindet er.
Aber Thomas N. weiss von sich schon lange: Er ist homosexuell und pädophil. Seine Neigungen kann er nur im Internet ausleben. Er konsumiert verbotene Kinderpornos. Immer kommen darin Buben vor. Seiner Mutter offenbart sich der Sohn nicht. Gaukelt ihr Studienerfolge vor, fälscht Zeugnisse – und wohnt weiter mit ihr zusammen. «Spätestens nach dem Tod des Vaters im Jahr 2011 wurde sie zu seiner wichtigsten Bezugsperson», sagt Psychiater Habermeier.
Sein Mordplan wird immer realer
Das Lügengebilde wackelt. Anfang 2015 gehen Thomas N. die Argumente und das Geld aus. Sein kranker Mordplan wird von Tag zu Tag realer. Sich seiner Mutter zu offenbaren, ist für N. keine Option. Er muss morden, damit seine Fantasiewelt nicht nach zwölf Jahren in sich zusammenstürzt. In seiner Befragung wird Thomas N. konkret: «Ich wollte und konnte ihr nicht die Wahrheit offenbaren, die Schmach wäre zu gross gewesen.»
Stattdessen grübelt Thomas N. über das perfekte Verbrechen. Ein Raub, der seine Geldnot lindert. Ein Sexualdelikt, das seine pädophilen Neigungen befriedigt. Mit Familie Schauer um den kleinen Davin (†13) findet er im eigenen Quartier seine Opfer. «Bei Spaziergängen ist mir der kleine Bub aufgefallen, in meinem Kopf reifte die Idee», sagt der Täter. «Jedes Mal, wenn ich ihn sah, spürte ich Glücksgefühle.»
In seiner Befragung sagt Thomas N. aber auch, dass die Tötungen nicht geplant gewesen seien. «Ich wollte es nicht eskalieren lassen.» Bei den Angehörigen seiner Opfer sorgen die Worte für ungläubiges Staunen. Sie vermissen echte Reue. Auf die Frage, warum er nicht die Chance auf eine Entschuldigung wahrnimmt, sagt N. nur: «Ich wollte den Prozessablauf nicht stören.»
Empathie? Fehlanzeige
Ein Opferanwalt hakt nach, zitiert aus einem Entschuldigungsbrief: «Ich schäme mich, dass Ihre Liebsten Ihr Leben verloren, weil ich mein Leben nicht in den Griff bekam.» Im ganzen Schreiben fehlt das Wort Entschuldigung. Und: Der Brief ging wortgleich an alle Opferangehörigen, N. änderte immer nur den Namen des Adressaten. Empathie? Fehlanzeige.
N. versucht, sich zu verteidigen, wenn es eng wird, spielt er auf Erinnerungslücken. Die Wahnsinnstat kann und will er sich nicht erklären. Lieber verweist er auf ein neues Studium, das er aus der Zelle in Angriff nehmen wolle. Zudem baut er auf die Treue seiner Mutter: «Sie besucht mich alle zwei Wochen in Pöschwies, ausserdem kann ich im Monat 160 Minuten mit ihr telefonieren.»
Auf die Frage, was passiert wäre, wenn er seiner Mutter vor dem Vierfachmord von seinem gescheiterten Studium berichtet hätte, hat Thomas N. eine ebenso einfache wie verstörende Antwort: «Sie hätte mich in den Arm genommen und gesagt, das packen wir zusammen.»
* Name der Redaktion bekannt
BLICK berichtet über den Tag 2 des Rupperswil-Prozess hier im Liveticker.
Die Feuerwehrmänner sind die Ersten, die das Grauen zu Gesicht bekommen. Vier verkohlte Leichen. Es handelt sich um Carla Schauer (†48), Sohn Davin (†13), Sohn Dion (†19) und seine Freundin Simona (†21). Es ist der 21. Dezember 2015, ein Montag. Der Tag geht in die Schweizer Kriminalgeschichte ein. Der Mörder ist Thomas Nick (heute 35). Schweizer, Junggeselle, unscheinbar. Er wohnte 500 Meter vom Tatort entfernt. Mit einer List schlich er sich ins Haus. Während er die übrigen Familienmitglieder gefangen hält und bedroht, liess er Carla Schauer Bargeld besorgen. Dabei plante er die Tötung aller Anwesenden von Anfang an. Den jüngeren Sohn missbraucht er. Alle waren gefesselt und geknebelt worden, bevor er ihnen die Kehle durchschnitt. Die Leichen übergoss er mit Brandbeschleuniger und steckte sie in Brand. Rund ein halbes Jahr nach dem Verbrechen wird Nick in einem Café verhaftet. Er legt ein Geständnis ab. Wie man ihm auf die Schliche kam, sagt die Polizei nicht. Technische Mittel spielten eine Rolle, die Fahnder werteten Daten von 30000 Handynutzern aus. – Nick hatte wohl weitere Taten geplant.
Die Feuerwehrmänner sind die Ersten, die das Grauen zu Gesicht bekommen. Vier verkohlte Leichen. Es handelt sich um Carla Schauer (†48), Sohn Davin (†13), Sohn Dion (†19) und seine Freundin Simona (†21). Es ist der 21. Dezember 2015, ein Montag. Der Tag geht in die Schweizer Kriminalgeschichte ein. Der Mörder ist Thomas Nick (heute 35). Schweizer, Junggeselle, unscheinbar. Er wohnte 500 Meter vom Tatort entfernt. Mit einer List schlich er sich ins Haus. Während er die übrigen Familienmitglieder gefangen hält und bedroht, liess er Carla Schauer Bargeld besorgen. Dabei plante er die Tötung aller Anwesenden von Anfang an. Den jüngeren Sohn missbraucht er. Alle waren gefesselt und geknebelt worden, bevor er ihnen die Kehle durchschnitt. Die Leichen übergoss er mit Brandbeschleuniger und steckte sie in Brand. Rund ein halbes Jahr nach dem Verbrechen wird Nick in einem Café verhaftet. Er legt ein Geständnis ab. Wie man ihm auf die Schliche kam, sagt die Polizei nicht. Technische Mittel spielten eine Rolle, die Fahnder werteten Daten von 30000 Handynutzern aus. – Nick hatte wohl weitere Taten geplant.