Hat der Zürcher Tamedia-Verlag ein Problem mit der Unternehmenskultur? Seit die gekündigte «Magazin»-Redaktorin Anuschka Roshani (56) im deutschen Magazin «Spiegel» ihre Erfahrungen mit Mobbing und Sexismus publik machte, ist das die grosse Frage in der Medienbranche. Lang seien die Verantwortlichen untätig geblieben, als sie sich intern über das «Mobbing-Regime» ihres ehemaligen Vorgesetzten Finn Canonica (57) beschwert hatte, schrieb Roshani in dem Artikel vom Freitag vor einer Woche. Sie sei alleine gelassen worden, und nicht nur das: Man habe ihr das Gefühl gegeben, sie selbst sei das Problem. Zudem habe sie weiter mit ihrem Chef an einem Tisch sitzen müssen, als der bereits über ihre Vorwürfe informiert gewesen sei.
In den letzten Tagen schilderten diverse Medien mit Verweis auf anonyme Quellen weitere Fälle – hat es im Verlagshaus an der Zürcher Werdstrasse etwa System, dass die Aufarbeitung von Missständen für die Betroffenen so lange dauert? Und dass sie kaum über das Vorgehen informiert werden?
SonntagsBlick liegen Dokumente vor, die diesen Verdacht erhärten. So wartete eine Mitarbeiterin, die sich wegen des Fehlverhaltens eines Vorgesetzten gemeldet hatte, mehrere Monate, bis die Personalabteilung reagierte.
Externe Spezialistin schlug Alarm
Aus dem Mailverkehr im Jahr 2021, der SonntagsBlick vorliegt, geht hervor, dass sogar die externe Spezialistin Christine Lüders (70) die lasche Haltung der Tamedia-Führung in jenem Fall bereits intern feststellte. Unter anderem moniert die Gutachterin in der Korrespondenz mit der Betroffenen, dass sich «herabwürdigende oder diskriminierende Fälle bei Tamedia ereignen», diesen aber von den Vorgesetzten nicht deutlich genug Einhalt geboten werde*. Lüders war in Deutschland Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes und hatte von Tamedia den Auftrag, Vorwürfe von Sexismus, Mobbing und Machtmissbrauch im Unternehmen zu untersuchen.
Der Gang an die Öffentlichkeit von Anuschka Roshani hat in der Branche einen Stein ins Rollen gebracht. So haben mittlerweile auch andere Journalistinnen ihre Erfahrungen im Zusammenhang mit Sexismus, Mobbing und Machtmissbrauch publik gemacht. Darunter die Wirtschaftsjournalistin Patrizia Laeri (45). Sie wirft einem SRF-Redaktor vor, sie vor 20 Jahren als Praktikantin beim Medienhaus sexuell belästigt zu haben. Dieser sei heute in einer leitenden Funktion im Medienhaus tätig. SRF hat eine Untersuchung eingeleitet. In der Folge haben sich weitere SRF-Mitarbeitende mit eigenen Erlebnissen beim Schweizer Syndikat Medienschaffender gemeldet, wie dieses gegenüber Watson bestätigt.
Auch bei der Gewerkschaft für Medienschaffende Syndicom haben sich in den letzten Tagen vermehrt Journalistinnen gemeldet, die Ähnliches erlebt haben. Alleine in den letzten Wochen seien es gut ein Dutzend gewesen, sagt Sprecherin Romi Hofer. «Und das ist nur die Spitze des Eisbergs.» Für Syndicom ist klar: In vielen Medienkonzernen herrsche ein strukturelles Sexismus- und Mobbingproblem, Vorfälle blieben oft ohne richtige Konsequenzen. Es brauche nichts weniger als einen Kulturwandel auf den Redaktionen.
Der Gang an die Öffentlichkeit von Anuschka Roshani hat in der Branche einen Stein ins Rollen gebracht. So haben mittlerweile auch andere Journalistinnen ihre Erfahrungen im Zusammenhang mit Sexismus, Mobbing und Machtmissbrauch publik gemacht. Darunter die Wirtschaftsjournalistin Patrizia Laeri (45). Sie wirft einem SRF-Redaktor vor, sie vor 20 Jahren als Praktikantin beim Medienhaus sexuell belästigt zu haben. Dieser sei heute in einer leitenden Funktion im Medienhaus tätig. SRF hat eine Untersuchung eingeleitet. In der Folge haben sich weitere SRF-Mitarbeitende mit eigenen Erlebnissen beim Schweizer Syndikat Medienschaffender gemeldet, wie dieses gegenüber Watson bestätigt.
Auch bei der Gewerkschaft für Medienschaffende Syndicom haben sich in den letzten Tagen vermehrt Journalistinnen gemeldet, die Ähnliches erlebt haben. Alleine in den letzten Wochen seien es gut ein Dutzend gewesen, sagt Sprecherin Romi Hofer. «Und das ist nur die Spitze des Eisbergs.» Für Syndicom ist klar: In vielen Medienkonzernen herrsche ein strukturelles Sexismus- und Mobbingproblem, Vorfälle blieben oft ohne richtige Konsequenzen. Es brauche nichts weniger als einen Kulturwandel auf den Redaktionen.
Der von Lüders geschilderte Sachverhalt fügt sich in das Bild, das sich derzeit von Tamedia verfestigt: Das Management wusste mehr, als es öffentlich einräumt. So zeigen Recherchen von SRF, dass die Personalabteilung des Verlagshauses bereits 2014 vom Fehlverhalten in der «Magazin»-Chefredaktion gewusst haben soll. Dies belegten Dokumente, die SRF vorliegen, aber auch Aussagen von mehreren ehemaligen «Magazin»-Mitarbeitenden.
Gestern berichtete das Wirtschaftsportal «Inside Paradeplatz», Tamedia habe im Fall Roshani unter anderem deshalb reagiert, weil die SP-Politikerin und Verwaltungsrätin Pascale Bruderer (45) aktiv geworden sei. Roshanis Mann habe ihr eine Dokumentation mit den Vorwürfen gegen Canonica ausgehändigt und das Papier in die Unternehmensführung getragen. Pascale Bruderer wollte sich auf Anfrage von SonntagsBlick nicht dazu äussern.
SonntagsBlick konfrontiert Tamedia mit den Anschuldigungen. Das Verlagshaus antwortete schriftlich. Im Fall Roshani-Canonica, in dem es «leider zu einem Gerichtsverfahren gekommen ist», vertraue der Verlag darauf, dass der «teilweise lang zurückliegende Sachverhalt» nochmals geklärt und darauf gestützt eine gerechte Lösung gefunden werde. «Falls sich – auch unabhängig von dem Gerichtsverfahren – zu dem aktuellen Fall neue Fakten ergeben, wird Tamedia diese selbstverständlich untersuchen.»
Weiter heisst es in der Mitteilung: Respekt, Wertschätzung und eine darauf beruhende Führungskultur seien essenzielle Prinzipien von Tamedia; «unaufgeklärte Vorkommnisse arbeiten wir unverzüglich auf».
In den vergangenen zwei Jahren seien Initiativen zur Kultur wie zur Verbesserung der Strukturen angegangen worden. Weiter schreibt Tamedia, der Bericht von Christine Lüders sei nie zur Veröffentlichung vorgesehen gewesen. Ziel sei es gewesen, Informationen zu sammeln, damit später Massnahmen umgesetzt werden könnten. In der Folge habe man beispielsweise Team-Workshops oder «moderierte Aussprachen» durchgeführt. Zudem gebe es regelmässige Mitarbeitenden-Befragungen.
*Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes verzichtet SonntagsBlick auf die Wiedergabe von weiteren Zitaten und präziseren Zeitangaben.
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