Auf einen Blick
- Hausbesitzer verzweifelt an Behörden und will wegziehen
- Gemeinde verrechnet interne Sitzungen und Nachbargespräche an Bauherrn
- Fast 30'000 Franken für Vorabklärungen, allein 12'000 Franken in sechs Monaten
Christian Di Giorgio (43) aus Siglistorf AG hat gekämpft – und verloren. Jahrelang versuchte er, sein altes Bauernhaus zu renovieren. Und hat sich dabei im Behördendschungel verheddert. «Ich habe mittlerweile fast 30’000 Franken gezahlt – für Vorabklärungen!», sagt der zweifache Familienvater. Ein Baugesuch durfte er bisher aber gar nicht erst einreichen. «Ich habe die Nase gestrichen voll! Die Gemeinde hat es geschafft: Ich vertschutte mein Haus jetzt weit unter Wert und ziehe hier so bald wie möglich weg!» Zu verlieren habe er ohnehin nichts mehr, ein grosser Teil seiner Ersparnisse sei aufgebraucht.
Der Kapitulation geht eine lange Vorgeschichte voraus: Blick traf Di Giorgio schon einmal. Vor einem guten Jahr berichtete er über ungerechtfertigte Gebühren im Zuge der Abklärungen für sein Bauprojekt. Damals waren es «nur» rund 4000 Franken. Das Problem: Die Gemeinde Siglistorf hat nur eine sehr rudimentäre Bauverwaltung. Fast alle Abklärungen werden deshalb an einen externen Experten ausgelagert – und Di Giorgio in Rechnung gestellt. Die Gemeinde stellt ihm auch Sitzungen, Telefonate und das Schreiben von Mails in Rechnung.
Und Sitzungen und Schreiben gab es viele: Autoabstellplätze sollte er renaturieren, Stein-Sichtschütze wurden verboten, ebenso eine neue Aussenisolation. Ein Ortsbildbeauftragter stellt sicher, dass sich das Bauernhaus in die Nachbarschaft einfügt. Und all das passiert auf Rechnung des Bauherrn. Und noch bevor er überhaupt eine Baubewilligung eingereicht hat!
Gebühren hatten keine rechtliche Grundlage
Die Gebührenpraxis der Gemeinde ist damals intransparent und juristisch problematisch. Blick bohrt nach und erfährt: Die Praxis hatte damals keine rechtliche Grundlage. Heute sieht die Lage anders aus, die Gemeinde hat das Gebührenreglement im Juli 2024 angepasst und darf jetzt, juristisch gesehen, fast jegliche Kosten auf Bauherren überwälzen. «Ein Buebetrickli!», sagt Di Giorgio.
Ab Juli 2024 greift die Gemeinde dann beinahe ungeniert ins Portemonnaie des weiterhin bauwilligen Di Giorgio, der mittlerweile einen Anbau plant. Allein von Juli bis Dezember haben sich die zusätzlichen Gebühren auf über 12’000 Franken summiert. Über 2000 Franken pro Monat! «Für das Geld könnte man jemanden einstellen, der sich ausschliesslich um mich kümmert!», scherzt Di Giorgio. Darin enthalten sind auch mehrere interne Gemeindeaufwände wie Aktenstudium, interne Besprechungen und gar allein vier Stunden à 100 Franken fürs «Aktenordnen»!
Und: «Die Rechnungen für die letzten zwei Monate stehen noch aus!», erklärt er «Ich muss auch hier mit 4000 bis 5000 Franken rechnen.» Weitere 5000 Franken im Voraus sollen dazukommen, damit sich die Gemeinde überhaupt weiter mit einer möglichen Baueingabe beschäftigt. Macht summa summarum bis zu 27'000 Franken in gut zwei Jahren – die eigenen Kosten für seinen Architekten nicht eingerechnet.
Portemonnaie leer, Nase voll
Doch nicht nur das: Di Giorgio werden auch Besprechungen der Gemeinde mit Nachbarn verrechnet sowie interne Besprechungen über den Ausstand des Vizeammans der Gemeinde. «Das muss man sich mal vorstellen!», wütet Di Giorgio «Ich zahle doch Steuern? Sie lassen sich ihre internen Sitzungen einfach doppelt zahlen!»
Die Höhe: Ende Januar 2025 kommt es zur Einwendungsverhandlung mit den Nachbarn, die Einsprache gegen sein Bauprojekt eingelegt haben. Di Giorgios Stellungnahme wird den Nachbarn aber nicht einmal zugesandt, wie später klar wird. Die Gemeinde entschuldigt sich bei Di Giorgio dafür mit einem handgeschriebenen Fresszettel! «Dilettantischer geht es nicht», so Di Giorgio.
Während der Besprechung geht es um typische Fragestellungen: Ist der Grenzabstand genug gross? Ist die Statik gegeben? Wird das Volumen eingehalten? Im Unterschied zu vor einem Jahr erachtet der Ortsbildbeauftragte das Bauprojekt mittlerweile als «möglich» und «zielführend». Die Einwendungen machen aber weitere Vorabklärungen notwendig, die Di Giorgio wiederum selbst berappen soll – ein Ende der Gebühren rückt somit in weite Ferne.
Gemeinde verteidigt Gebührenhunger
Der Siglistorfer Gebührenhunger frisst nach und nach seine Ersparnisse auf und schlägt ihm auf die Psyche und das Portemonnaie. Di Giorgio sieht nur noch einen Weg: «Ich will nur noch weg hier, bevor ich verarme!» Sein ursprüngliches Bauprojekt hat er definitiv in den Wind geschossen: «Ich will das Haus nur noch loswerden und mir anderswo wieder eine neue Existenz aufbauen.»
Blick konfrontiert die Gemeinde nach einem Jahr abermals. Diese beruft sich in einer knappen Antwort aufs Amtsgeheimnis, geht aber auch nicht auf allgemeine Fragen zur Gebührenregelung ein. Auch eine Erklärung zu den horrenden Gebühren wird nicht abgegeben. «Die Aufwände der externen Bauverwaltung sind geregelt und dürfen vom Gemeinderat nicht publik gemacht werden», lässt sich Gemeindeammann Dieter Martin zitieren.
Di Giorgio befürchtet: «Wenn ich damals alles still über mich ergehen lassen hätte, wäre es vielleicht anders gekommen. Mir ist es jetzt wichtig, andere davor zu warnen, hier in Siglistorf zu bauen.» Der Aufwand lohne sich nicht. «Ich habe jetzt noch die Möglichkeit, irgendwo anders neu anzufangen. Ich muss einen klaren Schnitt machen, sonst gehe ich zugrunde. Psychisch und finanziell.»