«Die Polizisten dachten zuerst, dass ich lüge»
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Strafe wegen fehlender Brille:«Die Polizisten dachten zuerst, dass ich lüge»

Heinz Rieder (64) wurde wegen fehlender Brille gebüsst, obwohl er keine braucht
«Ich habe den Glauben an die Schweizer Justiz verloren»

Heinz Rieder (64) sieht gestochen scharf – doch auf seinem Führerschein stand lange etwas anderes. Darauf hiess es nämlich, dass er am Steuer eine Brille brauche. Dieses Missverständnis brachte den Rentner in eine absurde Situation.
Publiziert: 01.12.2022 um 00:05 Uhr
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Aktualisiert: 01.12.2022 um 09:18 Uhr
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Absurde Geschichte: Heinz Rieder (64) braucht keine Brille zum Autofahren, trotzdem muss er nun eine Busse bezahlen.
Foto: Luisa Ita
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Luisa ItaRedaktorin «Food»

Eine harmlose Polizeikontrolle im Juli 2021 endet für Heinz Rieder (64) aus Nods BE rund ein Jahr später vor Bundesgericht. «Die Machenschaften der Behörden sind absurd», sagt der pensionierte Finanzberater. «Ich wurde unschuldig verurteilt und muss nun vermutlich fast 1500 Franken zahlen. Das macht mich wütend!»

Tatsächlich klingt die Geschichte nach einem Drehbuch für eine schräge Hollywood-Komödie. Rieder war am 28. Juli 2021 mit seinem roten Ford ferienhalber im Wallis unterwegs. In Leuk fuhr er um 11.15 Uhr nichtsahnend in eine Polizeikontrolle.

Bloss eine fadenscheinige Ausrede?

«Die Beamten haben sich meinen gültigen Führerausweis angeschaut, den ich bereits seit Jahren auf mir trug und der auch schon kontrolliert worden ist», erzählt der Rentner. Dabei hätten die Polizisten festgestellt, dass er laut seinem Ausweis eigentlich eine Brille am Steuer hätte tragen müssen. «Der entsprechende Zahlencode war offenbar darauf vermerkt, obwohl ich noch nie eine Brille hatte und meine Sehkraft gut ist.»

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«Ich wurde unschuldig verurteilt. Das macht mich wütend!»
Heinz Rieder
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Die Polizisten glaubten, er suche bloss eine Ausrede – doch Rieder versprach, die nötigen Dokumente nachzureichen. «Ich war gerade erst zurück aus dem Wallis, als am 13. August schon der Strafbefehl mit 150 Franken Busse ins Haus flatterte», führt er kopfschüttelnd aus. Am 17. August reagierte Rieder mit einem Schreiben – darin bat er um etwas Zeit, da er noch auf Unterlagen vom Berner Strassenverkehrsamt warten würde.

Busse für ein Missverständnis

Doch was Heinz Rieder zu dem Zeitpunkt nicht ahnt: Sein Schreiben gilt formell nicht als Einsprache, die Frist dafür läuft schliesslich ab. Der Strafbefehl wird daher rechtskräftig und Rieder muss die Busse bezahlen. «Obwohl mir der Augenarzt meine gute Sehkraft bestätigt und mir das Strassenverkehrsamt umgehend einen korrigierten Führerausweis zugestellt hat, hat die Behörde dann den Strafbefehl trotzdem nicht zurückgezogen», sagt Rieder. Deswegen sei er vor Gericht gezogen, um zu erwirken, dass seiner Einsprache doch noch stattgegeben wird.

Doch die Justiz wollte davon nichts wissen – auch die höchste Instanz nicht. Zwar sieht der Rentner ein, dass er einen formellen Fehler gemacht hat, dennoch findet er das Ganze absurd: «Es kann doch nicht sein, dass ich jetzt eine Busse für ein Missverständnis bezahlen muss!»

Brillen-Code stand schon immer im Ausweis

Das Strassenverkehrsamt Bern stellt Blick dank einer Vollmacht sämtliche Dokumente zur Verfügung, die zu Rieder im System vorhanden sind. Auch das Gesuch um Erteilung eines Lernfahrausweises vom 5. April 1978 findet sich in den Unterlagen. Darin steht, dass der Berner zum Fahren eine Brille braucht und der entsprechende Code eingetragen wird. Auch auf den weiteren ausgestellten Führerausweisen ist der Brillen-Code stets verzeichnet.

Tatsächlich hätte der Rentner zum Autofahren seit dem Jahr 1978 also theoretisch immer eine Sehhilfe benötigt – zumindest bis ins Jahr 2016. Denn zu diesem Zeitpunkt wurde die Verordnung gemäss der Behörde angepasst und die Anforderungen an die Sehkraft ein wenig heruntergeschraubt. Der Berner hätte zu diesem Zeitpunkt proaktiv die Löschung des Codes «01» beantragen müssen, heisst es vom Amt.

Schuld liegt wohl beim Optiker

Kurios: Rieder sieht heutzutage sogar besser als im Jahr 1978, glaubt man den Dokumenten. Das Berner Strassenverkehrsamt mutmasst daher, dass sich im Verlauf der Jahre wohl die Messmethoden verbessert hätten oder der Fehler beim Optiker gelegen habe. Heute liesse sich das jedoch nicht mehr rekonstruieren.

Eine bittere Pille für Rieder, denn der muss nun die Busse und die Verfahrenskosten selbst berappen: «Ich habe den Glauben an die Schweizer Justiz verloren.»

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