Behörden-Gaga in Castrich GR
Seniorin rettet Baby-Elster und wird gebüsst

In Lotti Treiers Garten hüpfte eine Baby-Elster umher. Die Rentnerin zögerte nicht lang und setzte den kleinen Vogel in eine Volière, um ihn vor Katzen zu schützen. Dafür brummte ihr das Amt für Jagd und Fischerei eine saftige Busse auf.
Publiziert: 09.02.2023 um 18:24 Uhr
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Rentnerin Lotti Treier aus Graubünden hat dieses Elster-Baby gerettet.

Es klingt wie ein schlechter Scherz. Rentnerin Lotti Treier (74) aus Castrisch GR wollte im vergangenen August eine Baby-Elster retten. Der kleine Vogel sei eines Morgens bei ihr im Garten herumgehüpft: «Ganz offensichtlich war er zu jung, um schon fliegen zu können», sagt Treier zur «Südostschweiz».

Sie vermutet, dass die Elster aus dem Nest gefallen war, das sich in einem Nussbaum befand. Viel zu hoch für die Seniorin. Sie konnte das Vögelchen nicht zurück ins Nest legen.

Weil ausserdem mehrere Büsis durch die Gegend streiften, kaufte sich Treier für die Baby-Elster eine Volière in der Brocki. «Ich wollte sie freilassen, sobald sie flügge wurde.» Beständig habe sie das Tier-Baby gefüttert – und sogar jeden Tag mit ihm Flugübungen gemacht. Sie nannte es «Röbali».

«Schuldig der Übertretung des Jagdgesetzes»

Doch aus Treiers Plänen wurde nichts. Noch schlimmer: Ihre gute Absicht kam sie teuer zu stehen. Denn am 24. August stand um 8.15 Uhr am Morgen ein Wildhüter vor ihrer Türe, aufgrund einer anonymen Meldung. «Haben Sie eine Bewilligung für das Halten einer Elster?», fragte der Mann. Hatte Treier natürlich nicht.

Die Rentnerin wurde vom Wildhüter verhört. Er fragte sie sogar, ob sie einen Anwalt anrufen wolle. Denn die Staatsanwaltschaft würde sich mit ihrem Fall befassen. Und tatsächlich: Sie wurde per Strafbefehl verurteilt, den sie am 25. Januar per Einschreiben erhielt. Darin stand, dass sie «schuldig der Übertretung des Jagdgesetzes» sei. Sie habe die Elster ohne Bewilligung gehalten und müsse deswegen eine Busse zahlen. 200 Franken! Sie könne aber auch ersatzweise in den Knast für zwei Tage. Hinzu würden Gebühren von 315 Franken kommen. Sie sollte also für ihren guten Willen über 500 Franken zahlen.

«Jagdbare Tiere dürfen nicht angeeignet werden»

Hannes Jenny, der stellvertretende Leiter des kantonalen Amtes für Jagd und Fischerei, sagt auf Anfrage der «Südostschweiz»: «Das Verhalten des Wildhüters war angemessen.» Jagdbare Tiere dürften nicht ohne Berechtigung «angeeignet» oder gefangengehalten werden. Die Seniorin hätte gar nicht eingreifen und sich um den Vogel kümmern dürfen.

Lotti Treier ist bewusst, dass die Wildhut von Gesetzes wegen im Recht ist. Nichtsdestotrotz sagt sie: «Als jagdbares Tier darf man eine Elster also abschiessen, aber retten durfte ich den flugunfähigen Jungvogel nicht.» Zudem: «Man hätte es auch bei einer Verwarnung belassen können.»

«Röbali» ist inzwischen tot. Das Bündner Amt für Jagd und Fischerei liess ihn einschläfern, weil er sich laut dem stellvertretenden Amtsleiter schon zu sehr an Menschen gewöhnt hatte. (tva)

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