Wer in die Corona-Quarantäne geschickt wird, darf zehn Tage seine Wohnung nicht verlassen. Das gilt eigentlich auch für Kinder. Einfach ist das nicht. Besonders dann, wenn nur das Kind unter Quarantäne gesetzt wird. Es sollte sich streng genommen auch von den restlichen Familienmitgliedern fern halten. «Die Bedürfnisse des Kindes sollten jedoch berücksichtigt werden, insbesondere bei kleinen Kindern», schreibt das BAG in den Anweisungsregelungen.
Die Eltern eines Fünfjährigen wollten ihrem Sohn nicht zehn Tage Isolation in seinem Zimmer zumuten und sind mit ihm nachmittags und abends trotzdem mit dem Velo in den Wald. «Wir haben uns gefühlt wie Schwerverbrecher», sagen Mutter und Vater der «Aargauer Zeitung». Ihr Kind wurde in die Quarantäne geschickt, weil seine Kindergärtnerin positiv auf das Coronavirus getestet wurde.
«Kurze Frischluftepisoden» für Kinder erlaubt
Nun müssen Eltern von Quarantäne-Kindern immerhin kein mulmiges Gefühl mehr haben, wenn sie mit ihrem Sprössling nach draussen gehen. Seit dem 23. Oktober gilt für die Kleinen eine Lockerung. «Kurze Frischluftepisoden für unter Quarantäne stehende Kinder ohne Kontakt zu Personen ausserhalb der Familie sind möglich», schreibt das BAG in einer Verordnung. Denn: «Die Bedürfnisse des Kindes sollten berücksichtigt werden, insbesondere bei kleinen Kindern.»
Kinderschutz Schweiz begrüsst zwar diese neuen Anweisungen, fordert jedoch noch mehr Lockerungen, namentlich «längere Frischluftepisoden». Ein «Durchatmen» im Freien würde sicher helfen, «Konflikten und häuslicher Gewalt vorzubeugen», heisst es in der Stellungnahme der Organisation.
Kinder brauchen physische Nähe
Auch soll es bessere Lösungen für Fälle von infizierte Kindern geben, fordert die Leiterin von Kinderschutz Schweiz, Regula Bernhard Hug. Der vom BAG vorgegebene Mindestabstand von 1,5 Metern sowie die Isolation in einem Zimmer, wo man auch alleine essen soll, seien «nicht mit dem Kindeswohl zu vereinbaren», kritisiert Kinderschutz Schweiz.
«Kleinkinder können nicht nachvollziehen, dass man sie wie Aussätzige behandelt und nicht mehr auf die Knie nimmt», sagt sie der «Aargauer Zeitung». Auch ältere Kinder könnten ihrer Ansicht nach nicht einfach sich selbst überlassen werden. Die physische Nähe soll darum erlaubt sein, genau wie die Teilnahme am normalen Familienleben.
«Wenn Kinder unter sich bleiben, passiert ihnen nichts»
Zuspruch erhält Bernhard Hug von der Aargauer CVP-Nationalrätin Marianne Binder. «Es ist weder zumutbar noch realistisch, Kinder unter sechs Jahren zu isolieren. Weder für die Kinder, noch für die Eltern», sagt Binder.
Ein Mediziner plädiert ebenfalls für eine Lockerung. Christoph Berger, Leiter der Abteilung Infektiologie und Spitalhygiene am Kinderspital Zürich, weist auf mehrere internationale Studien hin. «Sie zeigen, dass Kinder kaum andere Kinder und Lehrer anstecken, wenn sie sich an die gängigen Abstands- und Hygieneregeln halten.» Die Kleinen würden auch sehr selten selbst erkranken und darum das Virus viel weniger auf Erwachsene übertragen. «Und wenn Kinder unter sich bleiben, passiert ihnen nichts.»
Berger ist der gleichen Meinung wie der ehemalige Leiter der Abteilung übertragbare Krankheiten des BAG, Leiter Daniel Koch: «Die Kinder sind nicht die Treiber der Pandemie.»
Darum sollen sich Kinder während der Quarantänezeit frei bewegen dürfen und lediglich den Kontakt zu Personen ausserhalb der Familie meiden, meint Berger. Ausserdem schlägt er vor, die Quarantänezeit für asymptomatische Kinder auf fünf Tage zu verkürzen. (man)
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