Flucht aus Afghanistan
Über 40 Jahre Vertreibung – und kein Ende in Sicht

Die Flüchtlingskrise in Afghanistan ist eine der grössten, komplexesten und am längsten andauernden weltweit. Doch längst nicht alle Afghanen kommen in den Westen. Ein historischer Überblick.
Publiziert: 22.08.2021 um 10:27 Uhr
Valentin Rubin

Seit mehr als 40 Jahren herrscht Krieg in Afghanistan. Auch nach der erneuten Eroberung Kabuls durch die Taliban ist kein Ende in Sicht. Die Afghanen wünschen sich nun endlich Frieden. Doch ihnen bleibt meist nichts als die Flucht.

1979 marschieren sowjetische Truppen ein, um die afghanischen Kommunisten im Bürgerkrieg gegen die islamistischen Mudschaheddin zu unterstützen. In dem jahrelangen Konflikt, in dem trotz blutiger Schlachten keine Seite die Oberhand gewinnt, setzt die erste Massenflucht ein. In zehn Jahren Besatzung fliehen weit über 6 Millionen Menschen – vor allem in die Nachbarstaaten Iran und Pakistan.

Sowjetunion zieht sich zurück

1989 ziehen sich die Sowjets aus Afghanistan zurück. Es folgt der Bürgerkrieg der Milizen – vor allem geht es um die Macht in der Hauptstadt Kabul. Auf dem Land beginnt der Wiederaufbau, mehr als drei Millionen kehren mit der Hoffnung auf Frieden in ihr Heimatland zurück.

1994 formieren sich die Taliban, zwei Jahre darauf haben sie Afghanistan fast vollständig eingenommen und ein Schreckensregime auf Basis des islamischen Rechtssystems Scharia errichtet. Erneut werden Hunderttausende im Land vertrieben.

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Die Herrschaft der Taliban dauert bis 2001. Als Antwort auf die Terroranschläge vom 11. September rufen die USA ihnen «Krieg gegen den Terror» aus und setzen sich zum Ziel, die Taliban zu stürzen. Wieder fliehen Hunderttausende – von einer Provinz in die andere oder ins Ausland. In den Folgejahren regiert in Kabul eine von den USA gestützte Regierung. Mithilfe der Uno kehren Millionen Vertriebene zurück – oft allerdings lediglich in sichere Auffanggebiete fernab ihrer Heimat.

Stabilität von kurzer Dauer

Die Stabilität währt nicht lang: 2006 formieren sich die Taliban erneut als landesweite Widerstandsbewegung und verüben Selbstmordattentate – auch auf die Zivilbevölkerung.

Die Sicherheitslage in grossen Teilen Afghanistans verschlechterte sich. Erfolgreiche Rückführungen nehmen ab, die Binnenvertreibungen hingegen nehmen zu. Iran (2,5 Millionen Flüchtlinge) und Pakistan (schätzungsweise drei Millionen) wollen nicht länger ungebremst Afghanen ins Land lassen. Ab 2015 verschärft auch Europa die Einreiseregelungen. Eine Flucht dorthin – ohnehin teuer und lebensgefährlich – wird für viele Vertriebene aus Afghanistan schwieriger bis unmöglich: 2019 fliehen erstmals mehr Menschen innerhalb Afghanistans als ins Ausland.

Nach dem überraschend schnellen Abzug westlicher Truppen und dem ungebremsten Vormarsch der Taliban in den vergangenen Tagen ist die Lage Afghanistans nun hoffnungsloser als in allen Jahren zuvor.

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