Auf einen Blick
- Schwestern kämpfen gegen Mieter und Behörde
- Falsche Rechnung führt zu Unfall und Streit mit Behörde
- Statt 30'000 Franken beträgt die korrigierte Rechnung nur 300 Franken
Als Elisabeth Dähler (78) aus Belp BE von der Rechnung erfährt, die ihrer Schwester Katharina Lüthi (80) aus Ranflüh BE ins Haus flatterte, trifft sie fast der Schlag – im wahrsten Sinne des Wortes. Statt einer Rechnung über 300 Franken schickte ihr die Schlichtungsbehörde Emmental-Oberaargau einen Einzahlungsschein über 30’000 Franken zu. Dähler ist derart schockiert, dass sie einen Nervenzusammenbruch erleidet, stürzt, sich den Unterschenkel an einer Treppenkante aufschlitzt und im Notfall landet.
Die Behörden reagieren schnell und stornieren den Betrag, Dähler ist dennoch ausser sich und weigert sich auch, die korrigierte Rechnung über 300 Franken zu bezahlen. Schliesslich sei sie nur wegen der falschen Rechnung im Spital gelandet. Sie stellt nun ihrerseits eine fast gleich hohe Rechnung an die Behörden: 299.75 Franken – für ihre Behandlung im Notfall.
Um zu verstehen, wie es dazu kommen konnte, muss man ein Jahr zurückblicken.
Neue Mieter sorgen für Stunk und Angst
Katharina Lüthi vermietet zwei Wohnungen ihres Mehrfamilienhauses. 2023 zieht ein neues, freundliches und adrettes Paar ein – vermeintlich. «Die beiden vermüllten alles», erzählt sie. Als Lüthi das Paar darauf anspricht, ist von der ursprünglichen Freundlichkeit nichts mehr übrig: «Sie drohten mir, mich zu verprügeln.» Lüthi will die beiden darum so schnell wie möglich aus dem Haus haben.
Als ihre Schwester, Elisabeth Dähler, davon erfährt, eilt sie Lüthi zu Hilfe. Gemeinsam kündigen sie dem Pärchen – dieses ficht die Kündigung an, mit Erfolg. Erst als die Schwestern mit einer Räumungsklage drohen, verschwindet das Pärchen plötzlich über Nacht. Die Erleichterung ist gross.
Nur eine Frage lässt die Schwestern nicht los: «Wieso durften wir denen nicht kündigen?» Sie fragen bei der Anwältin des Pärchens an. Diese winkt ab. Sie sei mittlerweile pensioniert, das Ganze ginge sie nichts mehr an.
Schwestern verlangen Antworten
Die Schwestern schalten die Schlichtungsbehörde Emmental-Oberaargau ein und bitten um einen Termin mit der Anwältin des Pärchens. Diese erscheint nicht: «Vor Ort wurden wir von der Behörde abgewimmelt», sagt Dähler, «zudem hätten wir 500 Franken im Voraus zahlen sollen, obwohl solche Schlichtungsverfahren gratis sind.»
Das bestätigt auch die Schlichtungsbehörde Emmental-Oberaargau auf Blick-Anfrage. Solche Verfahren seien in Mietstreitigkeiten zwar kostenlos, aber: «Geht es nur ‹indirekt› um Miete, ist das Verfahren grundsätzlich kostenpflichtig.»
Kaum schliessen die Schwestern mit der Geschichte ab, erhalten sie einen Einzahlungsschein: «Ich konnte es nicht fassen», erzählt Lüthi. Man verlangte 30’000 Franken für einen Termin, der nie stattfand: «Ich habe sofort meine Schwester angerufen und sie informiert.»
Dähler landet im Notfall
Am anderen Ende der Leitung fällt Elisabeth Dähler aus allen Wolken: «Ich hatte einen Zusammenbruch. Mir wurde schwarz vor Augen und ich stürzte die Treppe hinunter.» Dähler schlitzt sich dabei an einer Kante den Unterschenkel auf: «Es hatte eine Vene erwischt. Ich musste sofort in den Notfall.»
Dort wird sie wieder zusammengeflickt. Kaum zu Hause kontaktiert sie die Schlichtungsstelle. Diese reagiert umgehend: «Der Fehler wurde schnellstmöglich korrigiert», lässt man sich gegenüber Blick zitieren. Statt 30'000 Franken betrüge die Rechnung nur 300 Franken.
Kein Trost für Dähler, die sich weigert, die Rechnung zu bezahlen: «Ich habe denen meine Notfall-Rechnung über 299.75 Franken im Gegenzug zugeschickt. Ohne deren Fehler wäre ich niemals im Notfall gelandet.» Ihr Vorschlag an die Behörde: «Niemand zahlt etwas, dann sind wir quitt.»
Schwestern müssen zahlen
Wenig überraschend geht die Schlichtungsbehörde auf Blick-Anfrage nicht auf das Angebot ein. Bis Ende Januar hätten die Schwestern Zeit, die 300 Franken zu begleichen. Da Schlichtungsverfahren grundsätzlich vertraulich seien, könne man keine weiteren Auskünfte erteilen, sagt die Behörde auf Anfrage.
Dähler denkt nicht daran, die Rechnung zu begleichen, und schiebt augenzwinkernd hinterher: «Die 25 Rappen Unterschied würde ich aber sicherlich zahlen.»