Ungeimpfte in der Schweiz fühlen sich benachteiligt. Sie dürfen nicht in Clubs oder an Grossveranstaltungen (mehr als 1000 Personen), in gewissen Unternehmen gelten für sie strengere Regeln. Pflegepersonal in Genfer Spitälern muss sich bald jede Woche testen lassen und im Jura erhält ungeimpftes Pflegepersonal, das nach Kontakt mit Corona-Patienten in Quarantäne muss, in der Zeit nur noch 80 Prozent des Lohns.
Auch wenn diese Regeln für Betroffene hart erscheinen mögen: In der Schweiz herrschen für Ungeimpfte paradiesische Zustände, wie ein Blick in unsere Nachbarländer zeigt.
Deutschland
Bundeskanzlerin Angela Merkel (67) und die Ministerpräsidenten haben am Dienstag harte Massnahmen für Ungeimpfte beschlossen. Sie müssen sich auf mehr Testpflichten im Alltag einstellen – und ihre Schnelltests ab 11. Oktober selbst zahlen. Gratis sollen Schnelltests nur noch für jene zu haben sein, die sich nicht impfen lassen können oder für die es keine allgemeine Impfempfehlung gibt (Schwangere und Minderjährige). Auch das gesellschaftliche Leben wird für Ungeimpfte mühsam. In Innenräume kommt ab einer Inzidenz von 35 nur noch, wer geimpft, genesen oder frisch negativ getestet ist. Gelten sollen die Massnahmen für Spitäler, Pflegeheime, Innengastronomie, Veranstaltungen drinnen, beim Coiffeur, in Fitnessstudios, Sporthallen oder Schwimmbädern. In Hotels soll für Ungeimpfte ein Nachweis bei der Anreise und dann zwei Mal pro Woche ein Test erforderlich sein.
Italien
Im südlichen Nachbarland wurden viele dieser Regeln bereits umgesetzt. Seit Freitag ist der Grüne Pass in Kraft. Wer im Restaurant drinnen essen, ein Museum oder Schwimmbad besuchen möchte, braucht entweder einen Impfnachweis, einen negativen Corona-Test oder muss beweisen, dass er genesen ist. Die Regeln gelten auch für Kultur- und Sportveranstaltungen im Freien oder für Fitnessstudios. Bei Verstössen drohen Strafen von mehr als 1000 Franken. Lehrer, die entsprechende Nachweise ab September nicht vorweisen können, werden nach fünf Tagen vom Dienst suspendiert und nicht mehr bezahlt. Der Grüne Pass wird dann auch in Fernzügen, Fernbussen und auf Fähren gebraucht. Für den Pass reicht in Italien eine Impfung.
Frankreich
Die Demonstrationen der vergangenen Wochen zeigen Erfolg: In Frankreich wurden diese Woche die Corona-Regeln gelockert. Negative Tests sind 72 statt wie bisher 48 Stunden gültig. Zudem werden auch Selbsttests, die unter medizinischer Aufsicht ausgestellt werden, anerkannt. Allerdings braucht es auch vielerorts solche Nachweise. Seit Montag muss beim Betreten von Restaurants und Cafés, Gesundheitseinrichtungen, manchen Einkaufszentren, Messen und Jahrmärkten sowie für Fernreisen in öffentlichen Verkehrsmitteln eine Impfung, eine Genesung oder ein Negativ-Test nachgewiesen werden. Das neue Gesetz sieht zudem eine Corona-Impfpflicht für Gesundheits- und Pflegekräfte sowie für Feuerwehrleute und andere Rettungskräfte vor. Eine Zertifikats-Pflicht für Veranstaltungen mit mehr als 50 Personen existiert schon länger. Wer beispielsweise ins Kino will, braucht einen Nachweis.
Österreich
Wie in allen Nachbarländern braucht es auch in Österreich zur Einreise ein Corona-Zertifikat. Bisher reicht die erste Impfung, ab dem 15. August braucht es zwei Pikse. Ansonsten muss ein PCR-Test auf eigene Kosten gemacht werden. Der Besuch von Hotels, Restaurants, Kultur- und Freizeiteinrichtungen sowie Sportstätten ist nur für Getestete, Geimpfte oder Genesene möglich. In Clubs kommt man nur mit einem PCR-Test oder einer Impfung.
Doch auch in der Schweiz könnten die Zeiten für Ungeimpfte bald ungemütlicher werden. Die Politik diskutiert darüber, ab wann Corona-Tests selber bezahlt werden sollen. Bundespräsident Guy Parmelin (61) ist bereits dafür, wie er dem «SonntagsBlick» vor wenigen Tagen sagte, Gesundheitsminister Alain Berset (49) noch dagegen.
Entscheidet der Bundesrat bereits morgen über neue Massnahmen?
Zudem sieht das im April eingeführte 3-Phasen-Modell des Bundesrats vor, dass in der sogenannten Normalisierungsphase gezielt Regeln für Ungeimpfte eingeführt werden können, falls eine Überlastung des Gesundheitssystems droht. Beispielsweise könnte es dann für Restaurants nicht mehr freiwillig sein, Corona-Zertifikate zu verlangen. Die Normalisierungsphase tritt in Kraft, wenn die gesamte erwachsene Bevölkerung Zugang zur Impfung erhalten hat und ungefähr 30 Prozent der Impfplätze frei bleiben.
Morgen Mittwoch trifft sich der Bundesrat zu seiner ersten Sitzung nach den Sommerferien. Es ist denkbar, dass diskutiert wird, die Normalisierungsphase demnächst einzuläuten. Schliesslich stockt die Impfkampagne seit längerem. Bis neue Massnahmen eingeführt werden, dürfte es dann nur noch wenige Wochen dauern.