Im Umweltskandal am Blausee, dem schmucken Gewässer im Berner Oberländer Kandertal, brauchen Beteiligte und Beobachter noch etwas Geduld – möglicherweise bis 2024: Der Fall kommt vors Bundesverwaltungsgericht. Der Grund ist ein Verfahrensstreit.
Was 2017 mit einem Massensterben von Forellen begann, ist in einen komplexen Rechtskonflikt ausgeartet. Zunächst erhoben die Besitzer den Verdacht, es bestehe ein Zusammenhang zwischen dem Tod der Fische und mutmasslich illegalen Ablagerungen im Steinbruch Mitholz. Von da an wuchs der Berg von Akten – gespeist unter anderem vom Bahnunternehmen BLS, der Steinbruch-Betreiberin Vigier, dem Baukonzern Marti, einer Transportfirma, der kantonalen Verwaltung und dem Bund – kontinuierlich an. Als Privatkläger treten die drei Blausee-Besitzer auf, Swiss-Economic-Forum-Gründer Stefan Linder (55), Globetrotter-Patron André Lüthi (63) und Blackrock-Manager Philipp Hildebrand (59).
Über 20 Beschuldigte
Mit Verfahren gegen mehr als 20 Beschuldigte, teils wegen möglicher Verstösse gegen Umweltvorschriften, teils wegen mutmasslicher Wirtschaftsdelikte, steht die Staatsanwaltschaft Berner Oberland vor einer Mammutaufgabe. Nun haben die Strafverfolger Anfang Jahr per Trennungsverfügung entschieden, die Sache in vier Teilverfahren aufzugliedern.
Bei manchen Involvierten kam das schlecht an – Widerstand leistet die BLS, aber auch die Blausee AG. Befürchtet wird etwa, dass Privatkläger Zugang zu anderen, abgetrennten Verfahren verlieren.
Deshalb haben die Fischzuchtbetreiber Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht, was einen Austausch von Rechtsschriften nach sich zog. In der Duplik der Blausee AG vom 28. März, die SonntagsBlick vorliegt, wird deutlich, wie tief mittlerweile der Graben zwischen Fischzuchtbetreibern und Staatsanwaltschaft ist.
Tauziehen um die Gutachten
Linder und Co. lassen kein gutes Haar an den Strafverfolgern. Sie werfen ihnen «unvollständige und unrichtige Feststellungen» sowie «Grundfehler» vor – und fordern eine «Rüge» gegen die Staatsanwaltschaft, der sie vorwerfen, ihre Behauptungen seien «deckungsgleich mit dem Abwehrdispositiv» des kantonalen Amtes für Wasser und Abfall.
Der Streit dreht sich um die Frage, auf welche Gutachten sich die Staatsanwaltschaft stützen soll. Diverse Sachverständige haben Expertisen erstellt, einer im Auftrag der Blausee AG, andere im Auftrag des Kantons.
Die Staatsanwaltschaft beruft sich auf Berichte, die einen Zusammenhang zwischen illegalen Ablagerungen und dem Fischsterben nicht als abschliessend belegt erachten. Die Seebesitzer hingegen schreiben: «Der natürliche Kausalzusammenhang zwischen illegalen Ablagerungen, den Trübungen des Blausees und den massiven Fischsterben 2018–2020 liegt vor. Und zwar mit Sicherheit. Es bestehen keine ‹Kausalitätszweifel›.» Die Parteien waren für Stellungnahmen nicht erreichbar. Es gilt die Unschuldsvermutung. Nun liegt der Fall beim Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen.