Nächste Episode in der Blausee-Saga: Zwischen den Eigentümern des Gewässers im Berner Oberland und der Kantonsregierung herrscht Eiszeit – trotz rundem Tisch und gemeinsamen Willensbekundungen, das grosse Fischsterben aufzuklären.
Aktueller Stein des Anstosses ist eine Untersuchung des Bau- und Verkehrsdepartements, das in Grund- und Quellwasserproben kaum Spuren von Giften fand. SonntagsBlick machte die Expertise vergangene Woche publik.
Die Blausee-Eigner Stefan Linder, André Lüthi und Philipp Hildebrand reagierten am Mittwoch mit einem geharnischten Communiqué: Die Erkenntnisse «widersprechen der Beweislage insgesamt». Bei der Analyse handle es sich um «Schutzbehauptungen» des Kantons, um allfällige Zahlungen in einem späteren Zivilverfahren zu vermeiden – es geht ums Geld.
Mit den Resultaten seiner Untersuchung machte sich der verantwortliche Regierungsrat Christoph Neuhaus (SVP) vollends zur Zielscheibe der Blausee AG.
Untersuchung habe keine Relevanz
Linder und Co. weisen in ihrer Mitteilung darauf hin, dass zum Zeitpunkt der Probeentnahme im Sommer das illegale Deponieren und Lagern von Abfall wie Altschotter, Eisenbahnschwellen und Pressschlämmen im Steinbruch bereits gestoppt gewesen sei. Weshalb die kantonale Untersuchung für die Aufklärung der Angelegenheit «keine Relevanz» habe.
Dazu wiederholte das Trio seine Hauptargumente: Zeitlich falle das Fischsterben mit dem widerrechtlichen Deponieren von Altlasten aus dem Lötschberg-Scheiteltunnel, dem Ablagern von Giftschlämmen und der illegalen Aufbereitung von Altschotter der BLS zusammen.
Topografisch sei die Sache eindeutig, und in den toten Forellen habe man dieselben Gift- und Schadstoffe wie in Gleisaushub und teerölgetränkten Eisenbahnschwellen gefunden.
Überdies hätten Farbversuche eine direkte hydrologische Verbindung zwischen Deponie und Quellen des Sees nachgewiesen.
Fronten sind heillos verhärtet
Beim Berner Amt für Wasser und Abfall (AWA) sieht man es anders. Hinter vorgehaltener Hand werden alternative Theorien für das Fischsterben herumgereicht. Und die Frage gestellt, weshalb von den Giften nicht einmal Spuren nachgewiesen wurden.
Erklärung der Blausee AG: Die toxischen Stoffe seien durch Regen und hochstehendes Grundwasser ausgewaschen und «schwallartig» in das Gewässer gelangt; «fehlen diese Witterungsverhältnisse, lassen sich in den Wasserproben unter Umständen keine Schadstoffe nachweisen».
Zwischen Linder, Lüthi, Hildebrand und den Berner Behörden sind die Fronten heillos verhärtet – so sehr, dass es noch mehr Juristenfutter gibt.
Nach Informationen des SonntagsBlicks hat die Blausee AG bei der Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland Strafanzeige gegen einen Mitarbeiter von Regierungsrat Neuhaus eingereicht. Sie wirft dem leitenden Beamten, der an der Aufarbeitung der Sache beteiligt ist und für den die Unschuldsvermutung gilt, Begünstigung und Urkundenfälschung im Amt vor.
Sogar von einer Vernichtung von Beweismitteln ist dabei die Rede.
Ausdruck einer grossen Nervosität
Kein Kommentar, heisst es auf Anfrage bei der kantonalen Verwaltung. Der Blausee AG wurde bekanntlich durch die Staatsanwaltschaft ein «Maulkorb» verhängt.
Sicher ist, dass es sich nicht um die erste solche Aktion in diesem Fall handelt. Die Blausee AG hatte bereits Anzeige gegen unbekannt eingereicht und damit das Verfahren im Umweltskandal angestossen.
Die Firma Vigier, die den Steinbruch betreibt, hatte später Stefan Linder verzeigt, dieser wiederum den Journalisten des SonntagsBlicks.
Das eifrige Bemühen der Justiz ist wohl Ausdruck einer grossen Nervosität. Denn es geht um viel. Dass im Steinbruch gegen geltendes Recht verstossen wurde, steht ausser Frage.
Entscheidend für das Verfahren, bei dem die Blausee-Besitzer als Privatkläger auftreten, ist jedoch der Nachweis, dass es zwischen Steinbruch und Forellensterben einen klaren kausalen Zusammenhang gibt.
Vor diesem Hintergrund war die kantonale Untersuchung ein Paukenschlag. Da blieben nur die toten Fische ruhig.