Jesus Christus konnte Wasser in Wein verwandeln. Stefan Linder (53), André Lüthi (60) und Philipp Hildebrand (57) wollten nicht minder Spektakuläres vollbringen: die Verwandlung eines öffentlichen Gutes in Privateigentum.
Im Schatten des Krimis um verendete Forellen kämpfen die drei Blausee-Besitzer nämlich noch an einer anderen Front: Sie haben das Quellwasser, das für die Fischzucht verwendet wird und für das die Betreiberfirma während Jahrzehnten dem Kanton selbstverständlich einen jährlichen Zins entrichtete, weil es sich um ein öffentliches Gewässer handelt, flugs zum privaten Besitz erklärt.
Das geschah vor anderthalb Jahren und hält seither die Berner Verwaltung auf Trab.
Die Behörden wiesen damals darauf hin, dass die Konzession für die Wassernutzung in der Forellenzucht nach 40 Jahren am 31. Juni 2019 auslaufen werde. Sie übergaben der Blausee AG ein Gesuchsformular zur Erneuerung der Konzession – mit einer Erhöhung der Abgabe, da sich der Wasserverbrauch im Vergleich zu 1979 verdoppelt habe.
Sonst eine Formalität
Eigentlich ist eine solche Konzessionserneuerung reine Formsache. Jedes Kaff mit einem Brunnen, jedes Dorf mit einem Freibad, jedes Kleinkraftwerk entrichtet diese Abgabe.
Stattdessen flatterte dem Berner Amt für Wasser und Abfall (AWA) am 12. Juni 2019 eine überraschende Antwort ins Haus: Man sei höchstens zu einer Konzessionserneuerung «ohne Änderung» bereit – also zum bisherigen Wasserzins. Die Absender gingen in ihrem Schreiben noch weiter: Sie stellten infrage, ob die Blausee AG überhaupt einen Zins zahlen müsse. Schliesslich befinde sich die Quelle auf ihrem privaten Boden, weshalb die dort befindliche Quelle und deren Wasser nicht öffentlich seien, sondern den Grundstücksbesitzern gehörten.
In seinen weiteren Ausführungen legte das Triumvirat vom Kandertal eine bemerkenswerte Originalität an den Tag: Die Fischzuchtbetreiber argumentierten, das Wasser diene lediglich als «gemeinverträgliches» Trinkwasser für die Forellen und fliesse danach wieder in die Natur zurück. Von einer konzessionspflichtigen Sondernutzung könne daher keine Rede sein.
Dazu holen die Beschwerdeführer einen juristischen Grundsatz aus dem 19. Jahrhundert hervor und stützen sich auf ihr «ehehaftes Recht» in dieser Angelegenheit. Die Logik: Selbst wenn es sich bei der Quelle heute um öffentliches Gewässer handle, bedürfe es keiner Konzession, da das Grundstück 1927 mitsamt Quelle privat erworben worden sei.
Es folgte eine Korrespondenz zwischen Blausee-Besitzern und Behörden. Die reagierten mit einer sogenannten Feststellungsverfügung, in der sie darauf verwiesen, dass besagte Fischzuchtanlage erst 1979 unter dem geltenden Wassernutzungsgesetz in Betrieb genommen worden sei. Deshalb handle es sich bei der Blausee-Fischzucht um den Verbrauch von öffentlichem, konzessionspflichtigem Wasser.
Für ihn ein Pappenstiel
Besonders bizarr mutet das juristische Tauziehen an, wenn man den Geldbetrag berücksichtigt, um den es geht: Bislang beträgt der jährliche Obolus, der nach wie vor in Rechnung gestellt wird, 375 Franken. Der Kanton verlangt eine einmalige Zahlung von 6000 Franken, der jährliche Zins würde 750 Franken betragen. Der Vermögensverwalter Blackrock, dessen Vizepräsident Blausee-Mitbesitzer Philipp Hildebrand ist, macht 513 Dollar Umsatz pro Sekunde. Dort wäre der Wasserzins für die nächsten 40 Jahre in gut einer Minute hereingeholt.
Am 26. Januar hat der Berner Baudirektor Christoph Neuhaus (54) nun einen Entscheid gefällt – gegen die Blausee AG. Deren Beschwerde ist abgewiesen worden; die Eigentümer Linder, Lüthi und Hildebrand haben demnach den neuen Wasserzins zu berappen.
Der Beschluss, der SonntagsBlick vorliegt, ist noch nicht rechtskräftig. Die Blausee-Besitzer haben bis kommende Woche Zeit, die Sache an das Berner Verwaltungsgericht weiterzuziehen. Ob sie dies tun oder den Entscheid akzeptieren, wollten sie auf Nachfrage nicht verraten.
Im Artikel «Er hat mir Angst gemacht» vom 31. Januar ist SonntagsBlick ein ärgerlicher Fehler unterlaufen: Die Lastwagenchauffeurin, aus deren polizeilichem Einvernahmeprotokoll zitiert wird, ist 34 Jahre alt, nicht 24, wie fälschlicherweise geschrieben war. Wir entschuldigen uns für den Irrtum.