Blausee-Krimi
Hinter den Kulissen kam es zum Eklat

Im Streit um die verendeten Forellen im Berner Oberland muss die Regierung des Kantons Prügel einstecken. Die wichtigste Frage aber bleibt ungeklärt – das sorgte für einen Knall.
Publiziert: 13.02.2022 um 00:28 Uhr
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Aktualisiert: 14.02.2022 um 14:42 Uhr
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Hinter der idyllischen Kulisse wird ein heftiger Streit ausgetragen.
Foto: Shutterstock
Reza Rafi

Die Posse um die toten Forellen im Blausee bewegt sich zwischen Prominenz und Provinz. Da sind auf der einen Seite die klingenden Namen der drei Besitzer des Ausflugsgewässers im Berner Oberland: Ex-Nationalbankpräsident Philipp Hildebrand, Globetrotter-VRP und Mitinhaber André Lüthi und Swiss-Economic-Forum-Initiant Stefan Linder. Auf der anderen Seite dröhnen die Untiefen der Lokalpolitik.

Am Freitag kam es zu einem kleinen Paukenschlag. Die Geschäftsprüfungskommission des kantonalen Parlaments veröffentlichte ihre lang erwartete Untersuchung – sie geht mit den zuständigen Behörden hart ins Gericht. Die staatlichen Kontrollen rund um die Deponie oberhalb der Fischzucht hätten im Chaos der Zuständigkeiten versagt: «Eine hohe Anzahl verschiedener Akteure mit unzureichend definierten Kompetenzen und Aufgaben», deren Verhältnis untereinander nicht klar geregelt sei, führe «zu Lücken im Vollzug der Gesetze und der Kontrollen». Man sehe «dringenden Handlungsbedarf», lautet das vernichtende Urteil.

Eine besonders fiese Brise weht dem zuständigen Regierungsrat entgegen. «Ist Christoph Neuhaus noch der richtige Mann?», fragen die Tamedia-Zeitungen – ein nicht überhörbares Vorläuten der Wahlen am 27. März. Allerdings übertönt das Halali auf den SVP-Baudirektor einen grösseren Konflikt im Hintergrund.

Die strafrechtlich relevante Frage nämlich, ob Materialablagerungen beim Steinbruch Mitholz das Fischsterben verursacht haben, wie die Blausee-Besitzer behaupten, ist nach wie vor weit von jeder Klärung entfernt. Daran ändert auch der GPK-Bericht nichts.

Von einer unabhängig festgestellten Kausalität fehlt bislang jede Spur. Stattdessen werden von den Akteuren diverse widersprechende Parteigutachten herumgeboten.

Alle Möglichkeiten offen, Daten fehlen

Zuvor war es unter den Beteiligten des Blausee-Streits wegen dieses Themas zum Eklat gekommen. Anlass war eine extern bestellte Expertise der Zürcher Geologiefirma Jäckli. Den Auftrag erteilt hatte der runde Tisch, an dem sämtliche Konfliktparteien beteiligt sind.

Entgegen mancher Hoffnungen allerdings konnten auch die Experten den kausalen Zusammenhang zwischen Deponie und Forellentod weder zweifelsfrei nachweisen noch ausschliessen. Im Gegenteil, der Autor lässt alle Möglichkeiten offen und nennt weitere potenzielle Faktoren, darunter steigende Wassertemperaturen, Trübungen und Sauerstoffmangel, aber auch allfällige hausgemachte Ursachen wie eine Belastung mit Fischfutter und Fäkalien. «Keine Hinweise auf Gewässerverschmutzung durch Altlasten», vermeldete die Nachrichtenagentur SDA dazu.

Als einen Grund für ihre Vorsicht nennen die Jäckli-Fachkundigen den Umstand, dass ihnen die von den Blausee-Eigentümern zur Verfügung gestellten Daten nicht ausreichen. Im Dokument heisst es: «Zum Betrieb der Fischzuchten der Blausee AG bzw. zur Wasserqualität in den Fischzuchtbecken liegen – abgesehen von Angaben zu den Fischverlusten – keine Messwerte oder -reihen vor, weshalb hierzu keine abschliessenden Feststellungen möglich sind.»
Empfohlen wird daher «die Schaffung einer aussagekräftigen, dauerhaft aktuellen Datenbasis zum Zustand von Grundwasser und Oberflächengewässern».

Die Angesprochenen stellen die ganze Sachlage freilich anders dar.

Der letzten Version des Jäckli-Gutachtens vom 7. Januar, die SonntagsBlick vorliegt, ging ein Tauziehen um mehrere Entwürfe des Berichts voran. Der Disput erreichte seinen dramatischen Höhepunkt, als die Blausee AG daraufhin den runden Tisch verliess und erklärte, die Ergebnisse nicht zu akzeptieren. Dieser bemerkenswerte Vorfall war der Regionalpresse lediglich eine Randnotiz wert.

Immerhin beteiligen sich die Blausee-Verantwortlichen am neu eingerichteten Gewässermonitoring. Man arbeitet also durchaus noch miteinander.

Forellenbestand wird deutlich reduziert

Tauwetter gibt es zwischen dem Kanton und den Fischzuchtbetreibern in einem anderen Fall: Die Behörden hatten Hildebrand, Lüthi und Linder im Herbst die Verschmutzung eines Abflusses durch Fischkot und Fischfutter vorgeworfen. Über die entsprechende Verfügung vom 28. Oktober hatte SonntagsBlick berichtet. Mittlerweile zeigte sich die Blausee AG dem Vernehmen nach kooperativ und reduzierte den Forellenbestand deutlich. Überdies sei die vereinbarte Reinigung des Fürtbächli aufgegleist worden. Im April sollen die Arbeiten ausgeführt werden.

Zudem einigten sich Firma und Kanton auf einen Fachexperten. Die Angelegenheit soll laut gut unterrichteten Quellen bereits auf ein absehbares Happy End für Pflanzen und Tiere zusteuern: Schon habe man leichte Verbesserungen der Wasserqualität festgestellt.

Nun wartet man in dieser endlosen Geschichte auf die Justiz. Das Strafverfahren soll endlich Klarheit bringen, ob es die Vorgänge auf der Deponie waren, die das Fischsterben verursacht haben. Die Steinbruchbetreiberin Vigier bestreitet dies vehement. Die Blausee-Besitzer um Stefan Linder hingegen beharren auf dieser Version.

So schnell wird keine Ruhe einkehren vor der idyllischen Kulisse.

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