Zuversicht statt Zaudern
Wie Bundesrat Beat Jans auf die SVP-Angriffe reagiert

Die SVP schiesst sich auf SP-Bundesrat Beat Jans ein. Der gibt sich staatsmännisch – und erhält Rückendeckung von der FDP.
Publiziert: 04.08.2024 um 14:46 Uhr
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Zuversicht statt Zaudern: Bundesrat Beat Jans am 1. August in Schüpfen.
Foto: keystone-sda.ch
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Raphael RauchBundeshausredaktor

Die SVP hat einen neuen Lieblingsgegner: Bundesrat Beat Jans (60). Die Partei lud diese Woche zu einer monothematischen Medienkonferenz ein, um gegen den SP-Politiker Stimmung zu machen. «200 Tage Bundesrat Beat Jans: Das Asylchaos hat ein unerträgliches Ausmass für die Schweizer Bevölkerung angenommen», lautete der Titel.

Das Staatssekretariat für Migration (SEM) kontert mit einem dreiseitigen Faktencheck. Bei den S-Gesuchen, also bei Flüchtlingen aus der Ukraine, korrigiert das SEM sogar die Zahlen nach unten: Statt von 25’000 S-Gesuchen dieses Jahr geht das SEM neuerdings nur noch von 17’500 S-Gesuchen aus. 

Das 24-Stunden-Schnellverfahren ist für die SVP ein Etikettenschwindel. Dabei funktioniert es deutlich schneller als früher: Statt 51 Tagen dauert ein Verfahren durchschnittlich nur noch zwölf Tage. Hinzu kommt der abschreckende Effekt: «Viele Asylsuchende reisen rasch wieder ab, wenn sie merken, dass sehr rasch entschieden wird», betont das SEM.

«Himmelschreiende Ungerechtigkeit» auf Haiti

Auf all das geht Beat Jans nicht ein, als er am 1. August gut gelaunt in der SVP-Hochburg Schüpfen BE eine Rede hält. Er weiss: Begibt er sich auf SVP-Niveau, kann er nur verlieren. Stattdessen zeigt er sich als Magistrat, der nicht zaudert, sondern Zuversicht ausstrahlt.

Jans’ Rede zum 1. August macht nicht an der Schweizer Grenze halt, sondern führt nach Haiti, wo er früher für das Hilfswerk Helvetas tätig war. Sein haitianischer Mitbewohner wurde aus politischen Gründen verhaftet und gefoltert. «Die Ohnmacht und die Verzweiflung, die ich angesichts dieser himmelschreienden Ungerechtigkeit fühlte, haben mich geprägt», sagt Jans und klingt dabei wie ein Befreiungstheologe. 

Vorankommen – auch beim EU-Dossier

Später sagt Jans über das Powerplay im Bundesrat: «In der Schweiz wird Macht geteilt, bis fast nichts mehr übrig bleibt. Es ist so etwas wie politische Homöopathie. Auch im Bundesrat. Wir sieben müssen zusammenarbeiten, um voranzukommen.»

Vorankommen, das wollte Jans auch mit einem «NZZ»-Gastbeitrag, in dem er für ein Abkommen mit der EU wirbt. Jans gab in dem Beitrag die Haltung des Bundesrats wieder. Trotzdem giftete SVP-alt-Bundesrat Ueli Maurer (73), Jans verzerre «fast bösartig» die Fakten. Anders als die SVP, die pauschal zu allem Nein sagt, was nach EU klingt, will Beat Jans gestalten.

Damit könnte er Erfolg haben, die Mehrheit im Bundesrat scheint ihm zu folgen. Am europafreundlichsten ist ausser Jans Bundespräsidentin Viola Amherd (62, Mitte). Auch Aussenminister Ignazio Cassis (63, FDP) und Innenministerin Elisabeth Baume-Schneider (60, SP) wollen einen Deal mit Brüssel. Und Finanzministerin Karin Keller-Sutter (60, FDP) dürfte ihren Parteifreund Cassis nicht im Stich lassen – zumal die proeuropäischen Stimmen in der FDP lauter werden.

FDP-Nationalrat dankt Beat Jans

Der Solothurner FDP-Nationalrat Simon Michel (47) gilt als glühender Verfechter eines neuen Abkommens mit der EU. «Ich danke Beat Jans für seine klare Positionierung. Er zeigt: Die SP lässt sich von den Gewerkschaften nicht erpressen und macht in Brüssel vorwärts», sagt Michel im Gespräch mit Blick. Er bedauert, von SVP-Bundesrat Guy Parmelin (64) wenig zu hören. «Wir bräuchten gerade in Handels- und Forschungsfragen seine Stimme. Die SVP lässt offenbar nicht zu, dass sich Parmelin klar positioniert», kritisiert Michel. 

Nächste Woche tauscht sich Michel mit Jans aus. Und zusammen mit FDP-Ständerat Damian Müller (39) organisiert Michel bis Januar 2025 verschiedene parteiinterne Workshops zum EU-Dossier. «Statt SVP-Blockade kümmern wir uns um Lösungen, die die Schweiz voranbringen», sagt Michel. In einem Papier für die Bewegung «Progresuisse», das Blick vorliegt, titelt Michel: «Es ist Zeit für eine engagierte Debatte zu den Bilateralen III».

Kritik an Parteichef Thierry Burkart

Michel hat in der FDP zahlreiche Unterstützer. Wie Blick weiss, brachten die liberalen Romands im Juni den Antrag ein: «Positionierung der FDP zu den Bilateralen III». Die Westschweizer FDP-Kantonalparteien forderten von Parteichef Thierry Burkart (48), endlich lauter zu werden und sich für den bilateralen Weg einzusetzen. Wie mehrere Anwesende übereinstimmend berichten, gab es eine heftige Diskussion – Burkart sei «not amused» über die Kritik an seiner zaghaften Europapolitik gewesen.

Burkart zu Blick: «Sobald der Bundesrat mit der EU fertig verhandelt hat, werden wir das Ergebnis in den Parteigremien sowie mit der Basis diskutieren und unsere Position festlegen. Ich darf diesen Beschlüssen nicht vorgreifen. Unbestritten ist aber, dass die ganze FDP für ein langfristig stabiles Verhältnis zur EU steht.» Burkart kritisiert jedoch Jans' Gastbeitrag: zu viel Europa-Euphorie könne die Verhandlungsposition der Schweiz schwächen.

Während die FDP diskutiert, ist es bei der SP auffallend ruhig. Spannend wird, wie sich die Gewerkschaften verhalten werden. In seinem Gastbeitrag verschonte Jans die Gewerkschaften. Dabei blockieren sie das Europadossier ähnlich wie die SVP – nur mit anderen Mitteln und in anderer Tonalität.

Auch bei non-binären Menschen verbreitet Jans Zuversicht

Zuversicht statt Zaudern: Das scheint Beat Jans’ Devise zu sein. Dies zeigt auch sein Umgang mit ESC-Star Nemo (25) und non-binären Menschen. Anders als der Bundesrat 2022 zeigt sich Jans offen für einen dritten Geschlechtseintrag. Wie Blick mithilfe des Öffentlichkeitsgesetzes rekonstruiert hat, sieht Jans Nemos ESC-Sieg als «Momentum», um hier vorwärtszumachen. Non-binäre Menschen wünschen sich mehr Schutz durch den Staat und eine bessere Akzeptanz durch Politik und Gesellschaft. Jans hat versprochen, hier zu helfen – und tut damit alles, um der Lieblingsgegner der SVP zu bleiben.

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