Rücktrittsgerüchte im Check
Welcher Bundesrat packt zuerst die Koffer?

Immer wieder geben Rücktrittsgerüchte um Bundesrätinnen und Bundesräte zu reden. Blick zeigt, wer tatsächlich bald den Abflug machen könnte – und wer noch lange nicht ans Aufhören denkt.
Publiziert: 29.07.2024 um 01:01 Uhr
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Aktualisiert: 29.07.2024 um 08:02 Uhr
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Da stehen sie, die mächtigen sieben. Wer hat vor, wie lange zu bleiben?
Foto: keystone-sda.ch

Berge, Burgunder und Bücher: Auch der Bundesrat erholt sich. Sommerzeit ist Dolcefarniente. Keine Bundesratssitzungen, wenig Termine. Und viel Zeit, um über das eigene Leben nachzudenken. Auch für unsere Bundesräte?

Rücktrittsgerüchte machen immer wieder die Runde – auch diesen Sommer. Hat Bundespräsidentin Viola Amherd (62) nach ihrem Präsidialjahr genug? Wie lange bleibt Wirtschaftsminister Guy Parmelin (64) noch im Sattel? Oft geben Bundesrätinnen und Bundesräte im Herbst ihren Rücktritt auf Ende Jahr bekannt – damit dann im Dezember die Nachfolgerin oder der Nachfolger gewählt werden kann.

Nicht selten sind es wilde Spekulationen, die im Bundeshaus die Runde machen. Doch es gibt auch strategische Überlegungen, die bei einem Rücktrittsentscheid mitspielen. Wer dürfte tatsächlich bereits daran sein, seine Koffer zu packen? Und wer wird seine Sachen, auch der Partei zuliebe, trotz längerer Amtszeit wohl erst in ein paar Jahren zusammenräumen? Blick erklärt Ausgangslage, Gelegenheiten und Risiken der sieben Magistratinnen und Magistraten.

Viola Amherd: Bald allein im Gegenwind

Die Gerüchteküche brodelt: Viola Amherd soll bereits auf gepackten Koffern sitzen. Viele rechnen mit ihrem Rücktritt Ende 2024 zum Abschluss ihres Präsidialjahrs, spätestens aber nach der Frauenfussball-EM 2025. Ihr VBS dementiert unablässig.

Die Mitte-Bundesrätin hatte im vergangenen Jahr mit viel Ärger zu kämpfen. Nach Querelen um Leo-Panzer und Neutralitätspolitik kam es zum Abgang der früheren Ruag-Chefin. Auch musste sich der bereits gewählte Jean-Daniel Ruch als Staatssekretär für Sicherheitspolitik wieder zurückziehen. Seither scheiterten gleich zwei hohe Militärs an der Personensicherheitsprüfung. Das alles wirft kein gutes Licht auf ihr Departement. Als Erfolg kann sie dafür die Ukraine-Konferenz auf dem Bürgenstock verbuchen.

Wichtigster Grund für einen möglichen Abgang aber ist ihre engste Vertraute Brigitte Hauser-Süess. Diese geht bald in Pension. Viele sind überzeugt, dass Amherd nicht allein weitermachen mag.

Schon gepackt: 4 von 5 Koffern 

Guy Parmelin: Warten bis 2026

Es war im vergangenen September, als die Rücktrittsgerüchte um Guy Parmelin (SVP) zum letzten Mal durch Bundesbern waberten. Doch der SVP-Bundesrat ist noch immer im Amt, wurde im Dezember mit dem besten Resultat aller Kandidaten bestätigt.

Parmelin ist seit dem Rücktritt von Alain Berset der amtsälteste Bundesrat, er wurde 2015 gewählt. Rechtfertigen müsste er sich also nicht mehr, wenn er bald die Koffer packt, zumal er im November das Pensionsalter erreicht und mit dem Freihandelsabkommen mit Indien kürzlich einen Erfolg feiern konnte. Doch 2026 könnte er zum zweiten Mal Bundespräsident werden. Das dürfte er sich nicht nehmen lassen. Ein Rückschlag könnte sein, falls sein Kommunikationschef Urs Wiedmer tatsächlich neuer Bundesratssprecher werden sollte, wie kolportiert wird.

Schon gepackt: 3 von 5 Koffern 

Ignazio Cassis: Auf dem Schleudersitz

Aussenminister Ignazio Cassis (63) kennt den Kampf um den Bundesrat. Seit 2017 ist der Freisinnige dabei, bereits zweimal wurde sein Sitz von den Grünen angegriffen. Erfolglos. Doch der zweite FDP-Sitz wackelt, die Mitte-Partei hat aufgeholt. So spekulierte «La Liberté» bereits, dass die FDP im Fall eines Rücktritts von Amherd einen ihrer Bundesräte bekniet, ebenfalls Platz zu machen. Denn dass das Parlament gleich zwei Mitte-Bundesräte am selben Tag wählt, sei unwahrscheinlich.

Die Frage ist, ob Cassis da mitmachen würde. Sein wichtigstes Dossier im Aussendepartement sind die Beziehungen zur EU. Die Verhandlungen laufen. Werden diese wie geplant in diesem Jahr abgeschlossen, muss das Abkommen vor dem Parlament und später auch vor dem Volk verteidigt werden. Was wäre das für ein Zeichen, wenn Cassis davor die Koffer packt?

Schon gepackt: 3 von 5 Koffern 

Elisabeth Baume-Schneider: Nach 65 ist Schluss

Schon bei ihrer Wahl hat Elisabeth Baume-Schneider (60) klargemacht, nicht allzu lang Bundesrätin sein zu wollen. «Ich würde mit 65 als Bundesrätin aufhören», sagte die SPlerin bei Bekanntgabe ihrer Kandidatur. Sollte es wirklich notwendig sein, könne sie sich vorstellen, noch ein, zwei Jahre anzuhängen – aber nicht länger. Somit dürfte Baume-Schneider noch maximal sechs Jahre im Amt bleiben.

Genug zu tun gibt es im wichtigen Innendepartement allemal: Sie muss die 13. AHV-Rente einführen und gleich darauf eine grosse AHV-Reform anpacken. Dazu dürften die Krankenkassenprämien weiter steigen. Geriet sie als Asylministerin noch stark unter Druck, scheint es ihr im Innendepartement besser zu gefallen – auch wenn sie zuletzt gleich mehrfach gegen die eigene Partei antreten musste.

Schon gepackt: 2 von 5 Koffern 

Karin Keller-Sutter: Voll im Saft

Rücktritt? Für so etwas scheint FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter (60) gar keine Zeit zu haben. Die Finanzministerin wirkt voller Tatendrang, studiert auch in den Ferien Akten. Ja nicht locker lassen! Unablässig kämpft die Sparministerin für ein ausgeglichenes Budget und gegen den Ausgabendrang von Regierungskollegen und Parlament.

Zudem ist Keller-Sutter, seit 2019 im Amt, spätestens seit dem Rücktritt von Alain Berset zum Alphatier im Bundesrat aufgestiegen. Eine Rolle, die der Machtbewussten zu gefallen scheint. Genau so gefallen hat ihr, dass sie Ende 2023 vom Magazin der britischen «Financial Times» zu den 25 einflussreichsten Frauen weltweit gezählt worden ist. Ihr «entschlossenes Handeln» im Umgang mit dem CS-Niedergang habe die Schweizer Wirtschaft gerettet.

Schon gepackt: 1 von 5 Koffern 

Beat Jans: Start mit Paukenschlag

Der Basler Beat Jans ist im Juli 60 geworden, aber da er erst seit Anfang Jahr im Amt ist, hat er noch viel vor sich. Ein Rücktritt liegt in weiter Ferne. Gerade mit seiner Ankündigung, härter im Asylwesen durchzugreifen zu wollen, bekam der SP-Politiker viel Lob von Rechts und Kritik aus den eigenen Reihen. Zuletzt gabs auch im EU-Dossier Gegenwind von der SVP. Das Justiz- und Polizeidepartement war nicht sein Wunschdepartement. Als ausgebildeter Bauer und Wirtschaftspolitiker dürfte er schon auf Parmelins Stuhl linsen.

Ins Feriengepäck hat Jans möglicherweise ein paar Bewerbungen gepackt, die er noch sichten muss. Denn mit der Leitung des Staatssekretariats für Migration und dem Chefposten beim Bundesamt für Polizei hat er gleich zwei Schlüsselstellen in seinem Departement bald neu zu besetzen. 

Schon gepackt: 0 von 5 Koffern 

Albert Rösti: Wohl im neuen Amt

Albert Rösti ist erst seit gut eineinhalb Jahren im Bundesrat. Auch deshalb ist ein Rücktritt weit entfernt. Mit seinen 56 Jahren ist der SVPler noch jung. Dazu darf er im Umwelt-, Verkehrs-, Energie- und Kommunikationsdepartement (UVEK) seine Wunschthemen beackern. Ob beim Wolf, bei der Stromversorgung oder den Radio- und Fernsehgebühren: Rösti hat bereits in den ersten Monaten viele Pflöcke eingeschlagen. Und dabei auch seine Partei nie vergessen.

Der Job scheint ihm Spass zu machen, und so sitzt Rösti dann auch nicht auf einem gepackten Koffer, sondern trägt einen gefüllten Rucksack – in den Ferien will er unter anderem wandern.

Schon gepackt: 0 von 5 Koffern 

So weit die Gedankenspiele. Nur die sieben Bundesrätinnen und Bundesräte sowie ihre engsten Vertrauten wissen, wann sie die Koffer wirklich packen. Und im schlimmsten Fall macht ein persönlicher Schicksalsschlag der Planung einen Strich durch die Rechnung. Daher ist es vielleicht besser, in den Ferien nicht zu viel zu grübeln. Sondern es auch einmal einfach zu geniessen.

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