Während Brüssel und Bern leise und diskret über die Neuauflage der Beziehungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU) verhandeln, wird der Streit innerhalb der Schweiz wieder lauter.
Den Anfang machte am Dienstag Justizminister Beat Jans (60). In einem Gastbeitrag in der «NZZ» wirbt er offensiv für die «Bilateralen III». «Wir bleiben (beziehungsweise werden) souveräner – also handlungsfähiger –, wenn wir unsere Beziehungen mit dem grossen Nachbarn regeln.» Diese Aussagen brachten alt Bundesrat Ueli Maurer (73) auf die Palme. Am Freitag kontert er in der gleichen Zeitung und spricht von einer «fast bösartigen Verzerrung der Fakten».
Burkart: «Verhandlungstaktisch höchst ungeschickt»
Auch aus dem Parlament kommt jetzt Kritik – gegen beide. «Beat Jans und Ueli Maurer agieren nicht magistral», kritisiert FDP-Präsident Thierry Burkart (48). «Es ist verhandlungstaktisch höchst ungeschickt, wenn Beat Jans als nicht dossierzuständiger Vertreter der Landesregierung der Gegenseite noch vor Verhandlungsabschluss und Positionsbezug des Gesamtbundesrats signalisiert, dass die Schweiz quasi jedes Resultat brauche und folglich akzeptieren würde.»
Burkart betont, die Schweizer Verhandlungsdelegation müsse in Ruhe arbeiten und verhandeln können. Sie stehe einer «geschlossenen EU» gegenüber. Umso wichtiger sei, dass auch die Schweiz nicht vor Verhandlungabschluss ihre Position durch öffentliche Streitereien unter (Ex-)Magistratspersonen schwäche. Nur so könnten die Schweizer Interessen am besten gewahrt werden, so der FDP-Präsident.
Mindestens so sehr ärgert Burkart, dass ein ehemaliger Bundesrat sich in die Diskussion einmischt und einem aktiven Bundesrat öffentlich widerspricht. «Beide machen reine Parteipolitik und haben ihre Rolle als Bundesrat und als ehemaliger Bundesrat offenbar noch nicht gefunden.»
Schneider-Schneiter: «Panik in der SVP»
Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (60) nimmt Jans in Schutz. Sie glaubt nicht, dass sein öffentlicher Positionsbezug den Verhandlungen schadet. «Es ist wichtig, dass wir schon jetzt eine breite Debatte zu diesem Thema führen, nicht erst, wenn das Abkommen ins Parlament kommt.» Jans' Aussagen würden das «Common Understanding» widerspiegeln. Dieses Papier, das das Ergebnis der Vor-Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU zusammenfasst, hatte der Bundesrat schon vor Monaten verabschiedet. Dazu seien die Verhandlungen sowieso schon weit fortgeschritten.
«Die SVP fährt ständig ihre Negativkampagne, da ist es notwendig, dass auch gewichtige Befürworter sich zu Wort melden», so die Baslerin. Das Schweizer Verhandlungsteam mache grossartige Arbeit und habe schon viel erreicht. «Die Replik von Ueli Maurer zeigt einzig die Panik der SVP.»
Wie abgestützt ist die Jans-Offensive im Bundesrat?
Dass Ueli Maurer auch mal gerne provoziert und kein Blatt vor den Mund nimmt, überrascht in Bundesbern weniger. Umso mehr dafür das Vorpreschen von Jans. Der SP-Bundesrat ist zwar bekannt als EU-Turbo und kann als Justizminister im Europaausschuss des Bundesrates mitreden. Federführend beim EU-Verhandlungsdossier sind aber Wirtschaftsminister Guy Parmelin (64, SVP) und vor allem Aussenminister Ignazio Cassis (63, FDP).
Der Text sei mit dem federführenden EDA konsultiert worden, schreibt das Justizdepartement auf Anfrage. Die NZZ vermutet, der «seit Monaten schweigende Aussenminister» habe seinen Kollegen sogar ermuntert, den Begriff Bilaterale III offiziell einzuführen.
Als der Bundesrat im Dezember das Verhandlungsmandat veröffentlichte, wollte Aussenminister Cassis dem Paket noch keinen Namen geben. In der EU sei das Wort «Bilaterale» nicht positiv besetzt. «Weil es suggeriert, dass die Schweiz einen Sonderstatus hat.» Jans spricht nun offensiv von den «Bilateralen III». Der Begriff werde in der öffentlichen Diskussion oft genutzt, schreibt dazu das Justizdepartement. «Einen offiziellen Entscheid des Bundesrates dazu gibt es keinen.»
Nicht bei allen Bundesräten kamen Jans' EU-Aussagen gleich gut an wie bei Kollege Cassis. Gemäss Blick-Informationen erfuhren sie teilweise erst bei der NZZ-Lektüre davon.