Auf einen Blick
- Schweiz stimmt am 24. November über umstrittene Mietrechtsänderungen ab
- Befürworter argumentieren, die Änderungen schaffen Rechtssicherheit für Mieter und Vermieter
- In der Schweiz leben fünfmal mehr Mieterinnen als Eigentümer
Schaffen sie Rechtssicherheit, oder sind sie ein Angriff auf die Rechte der Schweizer Mieterinnen und Mieter? Die beiden Vorlagen zur Änderung des Mietrechts, über die die Schweiz am 24. November abstimmt, sind heftig umstritten. Die Wucht, mit der Eigentümer und Vertreter der Mieterschaft um die Deutungshoheit der geringfügigen Gesetzesänderungen kämpfen, stiftet jedoch auch Verwirrung.
Das hat auch damit zu tun, dass die Fronten bei Befürwortern und Gegnern bereits seit Jahren verhärtet sind. Der Mieterinnen- und Mieterverband um SP-Nationalrätin Jacqueline Badran (62) schiesst scharf, während die Befürworter um SVP-Nationalrat Gregor Rutz (52), Präsident des Hauseigentümerverbands, die Spitzen abperlen lassen.
Auch der Bundesrat war eigentlich dagegen
Demografisch sollte die Sache klar sein: In der Schweiz leben fünfmal mehr Mieterinnen als Eigentümer. Und als die Geschäfte im Parlament diskutiert wurden, stellte sich selbst der Bundesrat dagegen. Er wünschte sich, wenn schon, eine gesamtheitliche Revision statt einzelner Vorlagen.
Doch weil die bürgerliche Mehrheit das so wollte, muss Wirtschaftsminister Guy Parmelin (64) um eine Annahme der beiden Vorlagen werben. Wie Umfragen zeigen, ist sich das Stimmvolk noch nicht ganz sicher, was es davon hält.
Rutz und sein «Bund für mehr Wohnraum» – ein Zusammenschluss der Hauseigentümer, Bauherren und Immobilienwirtschaft – wiederholen fortwährend ihr Mantra: Die Änderungen bei der Untermiete und dem Eigenbedarf sollen Rechtssicherheit schaffen – mehr nicht. Das käme sowohl Vermieterinnen als auch Mietern zugute.
Gibt es einen Missstand bei der Untermiete?
So etwa bei der Untermiete: «Untervermietungen geschehen immer wieder ohne Rückfrage beim Vermieter – und damit auch ohne Einverständnis», sagt Rutz. Und mit neuen Möglichkeiten wie Airbnb sei es für Mietende verlockend geworden, damit Geld zu verdienen. Darunter leide auch der Untermieter, der zu viel zahlen müsse. Selbst linke Städte würden daher für ihre Wohnungen mittlerweile ein schriftliches Einverständnis verlangen.
Eine Auswertung von Wohnungsanzeigen durch die Immobilienberatung Wüest Partner für Tamedia zeigt zwar, dass vor allem in Städten immer mehr Wohnungen für einen begrenzten Zeitraum angeboten werden. Doch wer diese befristeten Vermietungen anbietet und welcher Anteil davon missbräuchlich geschieht, können die Befürworter nicht mit Zahlen untermauern – sie verfügen über keine. Die Missstände können nur anekdotisch belegt werden.
Dafür nehmen die wirtschaftsnahen Befürworter selbst in Kauf, die Kleingewerbler zu verärgern. Denn die Vorlagen betreffen nicht nur Privatpersonen, sondern auch KMU. Sie wehren sich in einem neuen Zusammenschluss gegen die Änderungen.
Kleingewerbe und Privatpersonen haben Angst vor Kündigungen
Rutz stellt sich dagegen: «Die Vorlage ist wichtig für die KMU, weshalb die grosse Mehrheit der Betriebe diese befürwortet.» Genauso wie der Gewerbeverband und weitere wichtige Wirtschaftsverbände. «Wer als KMU sein Geschäftslokal in Untermiete hat, profitiert von einer schriftlichen Vereinbarung: So sind die Bedingungen und Fristen für alle klar», sagt Rutz.
«Das ist reine Ideologie», erwidert Badran darauf. «Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Coiffeur und haben eine Stuhlmiete. Oder ein Kommunikationsbüro und haben in Untermiete noch eine Grafikerin. Und nun soll das alles auf zwei Jahre beschränkt werden?» Dazu erhalten die Eigentümerinnen und Eigentümer bei Versäumnissen vonseiten der Mieterschaft neu ein ausserordentliches Kündigungsrecht nach erfolgloser schriftlicher Mahnung.
Auch bei der zweiten Vorlage zur Eigenbedarfskündigung – etwa nach der Übernahme einer Liegenschaft – würden im Mietrecht die Hürden klar gesenkt, um Mieterinnen und Mietern rasch zu kündigen. Weil auch der Kündigungsschutz während Streitfällen abgeschwächt wird, warnen Linke vor Rache-Kündigungen.
Vorlagen schaffen mehr Wohnraum, argumentieren Befürworter
Doch wie die Befürworter bei der Untermiete prangern die Gegner damit einen Missstand an, der nur mit Anekdoten belegt werden kann: Nämlich, dass Eigentümer bereits heute die Eigenbedarfskündigung missbrauchen, um danach die Objekte teurer weiterzuvermieten. Und die beiden Vorlagen vor allem darauf abzielen würden, Mieterinnen und Mieter noch einfacher vor die Tür stellen zu können.
Der oberste Hauseigentümer Gregor Rutz weist die Vorwürfe von sich: Sie hätten mit den vorliegenden Vorlagen nichts zu tun. Obwohl mit den Änderungen zusätzliche Kündigungsmöglichkeiten ins Mietrecht sollen, sieht der SVP-Nationalrat den Kündigungsschutz nicht bedroht. Schliesslich gehe es darum, mehr Wohnraum zu schaffen. «Dafür ist Rechtssicherheit unumgänglich – ansonsten findet man keine Investoren.» Eben: Das sei zum Wohle aller.
Für Badran ist es Grund für einen weiteren Giftpfeil: «Gregor Rutz spielt sich nun als harmonischer Wohltäter auf, dabei ist er der grösste Spaltpilz, den wir in Bundesbern haben», ruft die Nationalrätin aus. Erst in zwei Wochen wird sich zeigen, wem die Stimmbevölkerung folgt: der unaufhaltsamen Kraft oder dem unbeweglichen Objekt.