Auf einen Blick
- Gregor Rutz verteidigt Änderungen im Mietrecht
- Diskussion über Airbnb-Vermietungen und deren Auswirkungen auf Nachbarn
- 72 Prozent der Nationalräte sind Hauseigentümer, im Ständerat sogar 80 Prozent
Gregor Rutz (52) ist ein gefragter Gesprächspartner: Streitgespräch in der Tageszeitung, TV-Auftritt beim Regionalsender, Interview beim Radio – der Präsident des Schweizerischen Hauseigentümerverbands muss sich erklären. Obwohl es bei den beiden Mietrechtsvorlagen, über die Ende November abgestimmt wird, um Detailfragen geht – im Land der Mieterinnen und Mieter sorgen die möglichen Änderungen für Emotionen.
Herr Rutz, wohnen Sie zur Miete, oder sind Sie Eigentümer?
Ich wohne mit meiner Frau in der Stadt Zürich – derzeit zur Miete. Mein Geschäft aber in Zollikon ist in einer eigenen Liegenschaft; dort sind wir auch Vermieter. Im Haus, wo mein Vater und mein Grossvater früher eine Schreinerei betrieben haben. Ein schöner Ort, um zu arbeiten (lacht).
Dieser Artikel wurde erstmals in der der «Schweizer Illustrierten» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.schweizer-illustrierte.ch.
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Mieter gehören im Nationalrat zur Minderheit. Dort liegt die Quote von Hauseigentümern bei 72 Prozent – also doppelt so hoch wie jene der Bevölkerung. Im Ständerat ist sie mit 80 Prozent sogar noch höher. Besteht da nicht die Gefahr, dass das Parlament beim Mietrecht an der Bevölkerung vorbeipolitisiert?
Nein, das glaube ich nicht. Im Parlament diskutieren wir sachlich über diese Fragen. Wir haben in der Schweiz ein recht gutes Mietrecht und einen sehr guten Mieterschutz.
Bei den beiden Vorlagen, über die wir im November abstimmen, wollen Sie diesen Schutz nun aber lockern. Zum einen will das Parlament die Rechte von Mieterinnen, die ihre Wohnung weitervermieten wollen, beschneiden. Zum anderen soll das Kündigen bei Eigenbedarf erleichtert werden. Der Eindruck entsteht: Die Politik schafft zahlreiche neue Gründe, um Mieter auf die Strasse zu stellen.
Nein, darum geht es überhaupt nicht! Es geht um zwei kleine punktuelle Änderungen. Bei den Untervermietungen haben wir gerade in den Städten immer wieder Ärger, weil Mieter zu erhöhten Preisen ihre Wohnungen untervermieten – etwa über Airbnb. Darum bin ich über das Referendum so erstaunt. Die Vorlage schafft nicht nur Rechtssicherheit für den Vermieter und den Mieter, sondern auch für den Untervermieter oder die Nachbarn.
Wie meinen Sie das?
Wenn Sie in einer Mietwohnung wohnen und nebenan vermietet jemand sein Appartement über Airbnb, haben Sie jeden Abend neue Leute im Haus. Die kommen morgens um ein Uhr vom Restaurant nach Hause. Als Nachbarn haben Sie Lärm, Dreck und machen sich Sorgen um die Sicherheit.
Sind nicht die Wohnungsbesitzer für einen grossen Teil der Airbnb-Vermietungen verantwortlich?
Die gibt es auch. Aber das ist eine andere Fragestellung. Bei dieser Vorlage geht es darum, wie Mieter und Untermieter miteinander umgehen. Da werden mir zum Teil haarsträubende Fälle berichtet.
Zum Beispiel?
In Zürich hat sich ein Untervermieter als Hauptmieter ausgegeben und die Wohnung einer weiteren Person untervermietet – zu einer horrenden Miete.
Vor einem Jahr befürwortete das Parlament zwei Vorlagen zum Mietrecht. Mit der ersten soll die Untermiete stärkeren Auflagen unterliegen. Bisher konnten Vermieterinnen ihren Mietern nur unter strengen Voraussetzungen verbieten, die Wohnung unterzuvermieten. Neu soll die Untermiete nur noch mit expliziter schriftlicher Zustimmung der Vermieterin möglich sein. Und sie soll auch verweigert werden dürfen, wenn sie mehr als zwei Jahre dauert. Zudem verankert die Vorlage explizit die Möglichkeit einer ausserordentlichen Kündigung, sollten die Auflagen nicht eingehalten werden.
Die zweite Vorlage soll es Vermietern vereinfachen, ihren Mieterinnen zu kündigen, wenn sie die Wohnung zum eigenen Bedarf nutzen wollen. Statt wie bisher einen «dringenden Eigenbedarf» nachzuweisen, müssten Vermieter neu nur noch einen «bei objektiver Beurteilung bedeutenden und aktuellen Eigenbedarf für sich, nahe Verwandte oder Verschwägerte» geltend machen.
Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Vorlage findest du hier.
Vor einem Jahr befürwortete das Parlament zwei Vorlagen zum Mietrecht. Mit der ersten soll die Untermiete stärkeren Auflagen unterliegen. Bisher konnten Vermieterinnen ihren Mietern nur unter strengen Voraussetzungen verbieten, die Wohnung unterzuvermieten. Neu soll die Untermiete nur noch mit expliziter schriftlicher Zustimmung der Vermieterin möglich sein. Und sie soll auch verweigert werden dürfen, wenn sie mehr als zwei Jahre dauert. Zudem verankert die Vorlage explizit die Möglichkeit einer ausserordentlichen Kündigung, sollten die Auflagen nicht eingehalten werden.
Die zweite Vorlage soll es Vermietern vereinfachen, ihren Mieterinnen zu kündigen, wenn sie die Wohnung zum eigenen Bedarf nutzen wollen. Statt wie bisher einen «dringenden Eigenbedarf» nachzuweisen, müssten Vermieter neu nur noch einen «bei objektiver Beurteilung bedeutenden und aktuellen Eigenbedarf für sich, nahe Verwandte oder Verschwägerte» geltend machen.
Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Vorlage findest du hier.
Allerdings können sich Vermieterinnen schon heute problemlos gegen missbräuchliche Untervermietungen wehren!
Ja, bereits heute braucht es das Einverständnis des Vermieters für eine Untermiete – aber mündlich. Nun soll ein schriftliches Einverständnis erforderlich sein. Dies gibt Rechtssicherheit, und alle kennen die Bedingungen.
Als Präsident der IG Freiheit verleihen Sie jedes Jahr den Rostigen Paragraphen und wehren sich gegen zu viel Bürokratie …
… unbedingt, das ist ganz wichtig (schmunzelt)!
Beim neuen Mietgesetz schaffen Sie aber zahlreiche bürokratische Hürden. Jede Änderung des Untermietverhältnisses – etwa wenn in einer WG eine Mitbewohnerin auszieht und durch eine andere ersetzt wird – muss per Brief an den Vermieter mitgeteilt und von diesem ebenfalls schriftlich autorisiert werden. Ein Mail genügt nicht. Also kann ein Formfehler zu einer Kündigung führen.
Weil die Missbräuche sich häufen, wollte das Parlament etwas dagegen unternehmen. Die Untermiete bleibt selbstverständlich erlaubt, auch eine Untermiete, die länger als zwei Jahre dauern soll. Zudem ist ein Vermieter interessiert an einem langfristigen, stabilen Mietverhältnis. Nichts ist mühsamer als häufige Mieterwechsel. Wie gesagt: Die Vorlage bringt für beide Seite mehr Sicherheit und Klarheit.
Das Parlament will auch das Kündigen bei Eigenbedarf erleichtern. Heute ist dafür ein «dringender Eigenbedarf» nötig, künftig soll ein «bei objektiver Beurteilung bedeutender und aktueller Eigenbedarf» reichen. Was heisst das?
Wenn etwa ein Gewerbebetrieb mehr Fläche braucht, ist das ein aktueller und bedeutender Grund, um ein Mietverhältnis aufzulösen. Heute braucht es dafür einen Notfall – es muss «dringend» sein. Auch bei dieser Vorlage bleibt der Mieterschutz gewahrt – man kann nicht einfach Leute auf die Strasse stellen.
Laut dem Mieterverband wird bereits heute der Eigenbedarf als Kündigungsgrund häufig missbräuchlich vorgeschoben, um Mieter loszuwerden.
Das ist eine falsche Behauptung. Die Beispiele, die wir diskutieren, betreffen wenige Fälle. Überall gibt es leider Leute, die sich nicht an die Gesetze halten. Aber da hat das Mietrecht vorgesorgt, man kann sich wehren.
Der Mieterverband wirft Ihnen auch vor, mit der Schwächung des Kündigungsschutzes den Markt der Neuvermietungen zu befeuern. Auf diesem gehen die Preise dann durch die Decke!
Im Kanton Zürich sind Altbestandesmieten – also Leute, die schon lange in einer Wohnung sind – sogar gesunken. Was steigt, sind die Neumieten. Das Bauen wird immer teurer, hinzu kommen alle energetischen Erneuerungen mit neuen Heizungen und besseren Isolierungen. Die grossen Investitionen führen mitunter zu diesen Mietzinserhöhungen.
Können Sie nachvollziehen, dass für viele Mieterinnen und Mieter aufgrund der aktuellen Wohnungsnot eine Kündigung eine absolute Katastrophe darstellt?
Absolut. Uns wurde vor Jahren auch schon eine Wohnung gekündigt wegen eines Umbaus.
Und dann?
Wir haben uns mit dem Eigentümer zusammengesetzt und sind zu einer guten Lösung gekommen.
Solche anständigen privaten Eigentümer werden heute aber immer seltener. Es sind zunehmend Investmentfirmen und institutionelle Investoren, die ihre Häuser als Kapitalanlage brauchen.
Das macht auch mir Bauchweh. Ich vertrete mit dem Hauseigentümerverband die normalen Leute.
Eigentum können sich normale Leute doch gar nicht mehr leisten!
Unsere Mitglieder haben meist einen mittelständischen Hintergrund und leben in normalen Verhältnissen. Zwei Drittel wohnen in der eigenen Wohnung oder im Haus und ein Drittel vermietet. Diese Eigentümer gehen auf die Mieter ein. Das sahen wir gerade in der Pandemie, wo die meisten sehr rasch eine Mietzinsreduktion anboten. Da ist man an einem langfristigen und guten Verhältnis interessiert.
Immobilientrusts oder Pensionskassen interessiert das aber wohl weniger?
Ja, leider. Da schaut ein subalterner Angestellter, dass Ende Jahr seine Zahlen stimmen. Doch auf der anderen Seite brauchen wir halt auch Investoren, die Wohnungen bauen. Was mir Sorgen macht, ist, dass sich junge Familien aus normalen Verhältnissen kaum mehr Wohneigentum leisten können. Das ist bedenklich. Mit der Zuwanderung haben wir einen solchen Nachfrageüberhang und kommen kaum nach mit dem Angebot. Auch darum wird es immer teurer. Was man vielleicht mal diskutieren müsste, ist die Anlagepolitik der Pensionskassen.
Der Immobilienexperte Donato Scognamiglio sagte kürzlich, die Schweiz werde zu Monaco – schier unbezahlbar.
Das ist etwas überspitzt, aber es ist nicht ganz falsch, was Zürich oder Genf anbetrifft. Wir haben eine stabile Wirtschaft und in vielen Berufen verdient man überdurchschnittlich. Es gibt aber auch in der Schweiz Regionen, wo man preisgünstig wohnen kann. Die Schweiz ist nicht nur Zürich, Genf und St. Moritz, sondern auch das Maggiatal, das Berner Oberland oder die Ostschweiz.
Spüren Sie in Ihrem Umfeld die Wohnungsnot?
Ja, natürlich. Auch in der Familie. Wenn man mit bescheidenem Lohn eine Wohnung sucht, ist das schwierig, gerade mit Kindern. Wir müssen gute Lösungen finden, damit das Angebot wieder stimmt. Die Vermieter und die Mieter gegeneinander auszuspielen, nützt allerdings niemandem.