Die bürgerlichen Räte dominieren, das Volk bügelt aus
Die Linken im Rausch der Referenden!

In den vergangenen vier Jahren gewann die Linke die Mehrheit ihrer Referenden. Politisiert Bundesbern am Volk vorbei? Der Bundesrat muss sich auch in den kommenden Jahren fürchten: Der Referendumsrausch von Rot-Grün geht weiter.
Publiziert: 23.09.2024 um 13:39 Uhr
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Aktualisiert: 23.09.2024 um 14:07 Uhr
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Das Nein zur BVG-Reform war für die Linken bereits das sechste siegreiche Referendum in den letzten vier Jahren.
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

  • Linke triumphiert erneut bei BVG-Abstimmung
  • Bürgerliche Mehrheit im Parlament, aber Volk stimmt oft anders
  • Sechs von zehn linken Referenden in vier Jahren gewonnen
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Joschka SchaffnerRedaktor Politik

Die BVG-Reform ist für Bundesrat und Bürgerliche die nächste bittere Schlappe an der Urne. Für die Linken ist es eine Machtdemonstration: Das Nein zur Pensionskassen-Reform ist von zehn linken Referenden in den vergangenen vier Jahren bereits das sechste, das siegreich ausgeht. Unter anderem gegen die Revision der Verrechnungssteuer und der Abschaffung der Stempelabgaben wehrte sich Links erfolgreich.

Nur bei der OECD-Mindeststeuer, der AHV-Reform, dem Terrorismus-Gesetz sowie dem Freihandelsabkommen mit Indonesien hatten SP und Grüne das Nachsehen. In derselben Zeit konnte das bürgerliche Lager nur zweimal einen Bundesratsentscheid kippen. «Die Linke hat momentan eine dreimal höhere Referendumskraft als Rechts», sagte Cloé Jans (38), Politologin des Meinungsforschungsinstituts GFS Bern, am Abstimmungssonntag. Auch abgesehen von den Referenden seien die Linksparteien bei drei Vierteln der nationalen Vorlagen auf der Gewinnerseite gestanden. «Das hat es so seit mindestens zehn Jahren nicht mehr gegeben», so Jans.

Bürgerlich gegen das Volk

Die Bilanz zeigt das Ungleichgewicht zwischen Bundesbern und dem Volk – insbesondere in der Sozialpolitik. In den beiden Kammern des Parlaments entscheidet die bürgerliche Mehrheit und im Bundesrat dominiert sie mit Mitte-Frau Viola Amherd (62), den Freisinnigen Karin Keller-Sutter (60) und Ignazio Cassis (63) sowie den SVPlern Albert Rösti (57) und Guy Parmelin (64). Ihr Gegenpol: Grüne und SP mit den Bundesräten Beat Jans (60) und Elisabeth Baume-Schneider (60).

Doch kommen die Entscheide vors Volk, ist es oft umgekehrt. In vielen dieser Fälle politisieren die eidgenössischen Räte an den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern vorbei.

Die BVG-Reform war dafür bildhaft: Der Sozialpartner-Kompromiss wurde im Parlament zerzaust, die Vorlage wurde dadurch chancenlos. Der «Denkzettel» ist auch eine Vorwarnung: Bereits im November geht die Referendumsflut weiter. Und zwar gleich vierfach.

Im November geht es weiter

Bei zwei Vorlagen rechnet sich die Linken erneut gute Chancen ein. Im vergangenen September entschied das Parlament, das Mietrecht zugunsten von Vermieterinnen und Vermietern anzupassen. Zum einen sollen Untermieten strengerer Richtlinien unterliegen. Zum anderen senkte das Parlament die Hürden für die Kündigung bei Eigenbedarf. Der Schweizerische Mieterinnen- und Mieterverband ergriff erfolgreich das Doppelreferendum.

Das Referendum gegen die einheitliche Finanzierung der ambulanten und stationären Versorgung (Efas) wankt jedoch. Zumal sich selbst der Schweizerische Berufsverband des Pflegepersonals dem Anliegen nicht anschloss. Und beim Widerstand gegen den Autobahnausbau zeichnet sich wieder einmal eine Niederlage ab.

«Referendums-Legislatur» bis 2027

Auch in den kommenden Jahren soll die Welle nicht brechen: Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone (36) kündigte am Wochenende im Gespräch mit der «Sonntagszeitung» eine Referendums-Legislatur an. «Die FDP-SVP-Mehrheit im Bundesrat wird ein ums andere Mal verlieren», sagt Mazzone. Und in drei Jahren müsse man die Regierung auswechseln.

Unter anderem gegen das vom Bundesrat aufgegleiste Sparpaket würde man sich wehren, sofern es im Parlament so durchkomme. Und auch beim neuen Freihandelsabkommen mit China, dessen Verhandlungen am Montag beginnen, zeichnet sich ein Referendum ab. Laut Mazzone stehen die Chancen gut: Bereits der bilaterale Handelsvertrag mit Indonesien kam vor dem Volk nur knapp durch.

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