Der Bundesrat schwingt den Sparhammer: Mit lediglich kleinen Änderungen übernimmt die Regierung den Sparplan der fünfköpfigen Expertengruppe um Ex-Gewerkschafter Serge Gaillard (69). Das teilten Finanzministerin Karin Keller-Sutter (60), Umweltminister Albert Rösti (57) und Innenministerin Elisabeth Baume-Schneider (60) am Freitag den Medien mit.
Rund 60 Sparvorschläge und bis zu 5 Milliarden Franken Sparpotenzial präsentierte Gaillards Spartruppe vor zwei Wochen. Damit soll das drohende Loch in der Bundeskasse gestopft werden. In den nächsten Jahren rechnet Finanzministerin Karin Keller-Sutter (60) mit einem Defizit von rund 3 Milliarden Franken pro Jahr – und das Defizit wird immer grösser. Die Mitfinanzierung der 13. AHV-Rente, höhere Armeeausgaben sowie steigende Prämienverbilligungen belasten den Bundeshaushalt.
«Ausgaben-, kein Einnahmenproblem»
An runden Tischen mit Parteien, Sozialpartnern und Kantonen wurde in den letzten Wochen besprochen, ob die Stossrichtung des Massnahmenpakets stimmt. Korrekturen wurden nur wenige vorgenommen.
«Der Bund hat ein Ausgaben- und kein Einnahmenproblem», wiederholte Finanzministerin Keller-Sutter an der Medienkonferenz ihr Mantra. Deshalb würde sich das Sparpaket vor allem auf Kosteneinsparungen fokussieren. «Der Bundesrat möchte keinen neuen Steuern einführen oder bestehende anheben», sagte sie. Nur punktuell setze man auch bei den Einnahmen an.
Die Vorschläge bergen Sprengpotential. Denn angesetzt werden soll unter anderem bei der AHV, den Kita-Subventionen oder dem Verkehr. Aber auch die Bundesverwaltung selbst soll den Gürtel enger schnallen.
Sparpaket als Ausgleich zwischen den Departementen
An der Sparübung seien alle Departemente beteiligt, sagte Keller-Sutter. Bisher hätten vor allem Departemente mit mehr schwach gebundenen Ausgaben leiden müssen. «Dieses Paket ist gewissermassen ein Ausgleich.»
Umweltminister Albert Rösti unterstrich die Wichtigkeit der Schuldenbremse, die 2001 mittels Volksentscheid eingeführt wurde. «Sie zwingt uns zu Disziplin und hilft der Schweiz, auch in unsicheren Zeiten stabil zu bleiben.»
Am Schluss könnte das Volk das letzte Wort haben
Im Januar 2025 beginnt dann die Vernehmlassung zum Massnahmenpaket. Zuerst müssten noch einige Fragen geklärt und Konkretisierungen angebracht werden. «Vieles gibt es noch zu überprüfen und in Gesetze zu giessen», sagte Keller-Sutter. Rund 40 Gesetzesanpassungen stünden bevor.
Der Bundesrat will sie zu einem Paket schnüren, das dann als Ganzes dem Parlament vorgelegt werden soll. 2027 treten die Sparmassnahmen voraussichtlich in Kraft – sofern nicht das Referendum ergriffen wird. Dann hätte die Stimmbevölkerung das letzte Wort.
Im Detail: Hier schwingt der Bundesrat den Sparhammer
Wo der Bundesrat überall sparen will und welche Massnahmen der Spartruppe Gaillard er verworfen hat, findest du hier.
Die Medienkonferenz ist beendet
Vizekanzlerin Ursula Eggenberger verabschiedet die Regierungsmitglieder.
«200 Millionen Franken Einsparungen bei den Kantonen sind vertretbar»
200 Millionen Franken sollen auf dem Buckel der Kantone eingespart werden. Ist das gerecht?
Es seien brutto 200 Millionen, antwortet Keller-Sutter auf die Frage. Durch die Zurücknahme der Steuervergünstigung in der 2. und 3. Säule werden es jedoch netto nur 140 Millionen sein.
Beim letzten Sparpaket 2003 hätten die Kantone gar 500 Millionen getragen. Dass sie zum Sparziel beitragen, sei vertretbar: Denn netto gehe ein Viertel des Bundeshaushalts an die Kantone.
Zudem habe der Bund fast die ganzen Finanzlasten während der Pandemie getragen. «Die Kantone haben währenddessen keine Schulden gemacht», sagt Keller-Sutter. Die Kantone würden sich nun beklagen, man habe auf Bundesebene den Eindruck, ihnen gehe es viel besser. «Man kann sich auch fragen, ob es uns einfach noch viel schlechter geht.»
Keller-Sutter: «Opfersymmetrie in den Departementen»
Ein Journalist fragt, ob sich der Bundesrat – auch im Hinblick auf ein Referendum – lieber auf einige wenige Massnahmen fokussieren hätte sollen. So würde die Schweizer Bevölkerung das Vorhaben möglicherweise positiver auffassen.
«Das Paket wird für die Bevölkerung im Alltag nicht stark spürbar sein», stellt Keller-Sutter klar. Und sich nur auf wenige Bereiche zu fokussieren, sei nicht ganz einfach – insbesondere in einer Kollegialregierung. «Es braucht eine gewisse Opfersymmetrie in den Departementen.» Bisher hätten vor allem Departemente mit mehr schwach gebundenen Ausgaben leiden müssen. Dieses Paket sei gewissermassen ein Ausgleich.
CO2-Abgaben werden umverteilt
Sind Gebäudesanierungen nicht mehr wichtig? Sie werden auf Kosten der Klimainnovation zurückgefahren. «Wenn wir im Klimabereich Innovationen präsentieren, ist dies wichtiger, als die Sanierung einzelner Heizungen», antwortet Rösti auf eine Frage aus dem Publikum. Im CO2-Gesetz ab 2030 solle dann weiter erörtert werden, welche Massnahmen in Zukunft Sinn machen.
Zittern vor dem Referendum?
Auf die Frage eines Journalisten zu einem möglichen Referendum, stellt Keller-Sutter klar, dass Einsparungen unumgänglich seien. «Die Ausgaben wachsen aktuell doppelt so schnell wie die Einnahmen», sagt Keller-Sutter. «Wir sind uns aber bewusst, dass das Paket kontrovers diskutiert wird.»
Zudem habe das Parlament die Möglichkeit, auch selbst Massnahmen einzuleiten. «Und ein Referendum muss der Bundesrat immer in Kauf nehmen», sagt Keller-Sutter.
Wie geht es weiter?
Laut Keller-Sutter will der Bundesrat im November ein Konzept für Einsparungen in der Bundesverwaltung verabschieden. Es soll ab 2028 300 Millionen Franken eingespart werden. Die Details würden zurzeit ausgearbeitet.
Im Januar 2025 beginnt dann die Vernehmlassung zum Massnahmenpaket. Zuerst müssten noch einige Fragen geklärt und Konkretisierungen angebracht werden. «Vieles gibt es noch zu überprüfen und in Gesetze zu giessen», sagt Keller-Sutter. Rund 40 Gesetzesanpassungen stünden bevor.
Im Februar werde Bundesrat zudem im Rahmen der finanzpolitischen Standortbestimmung für 2026 bereits Massnahmen beschliessen, die ohne Gesetzesanpassungen umgesetzt werden können. So können lineare Kürzungen vermieden werden.
Im Dezember 2025 soll das Paket abgeschlossen sein und 2027 in Kraft treten – vorbehaltlich des fakultativen Referendums. «Das Volk könnte das letzte Wort haben, wenn es das möchte», sagt Keller-Sutter.
Baume-Schneider: «AHV-Ausgaben steigen, Einnahmen nehmen nicht im gleichen Mass zu»
Auch wenn vor allem auf der Ausgabenseite eingespart werden soll, werde punktuell auch auf der Einnahmenseite optimiert, sagt Baume-Schneider.
Bei der AHV würde das Ungleichgewicht zwischen den AHV-Ausgaben und den Bundeseinnahmen zu einem Problem. Deshalb sollen die Bundesbeiträge zukünftig von den effektiven AHV-Ausgaben entkoppelt werden. Stattdessen sollen sie mit den Mehrwertsteuern wachsen. Dies habe keinen Einfluss auf die Rentenhöhe, versichert Baume-Schneider.
Rösti: «Die Schuldenbremse zwingt uns zu Disziplin»
2001 stimmten 85 Prozent der Einführung einer Schuldenbremse zu. «Es ist ein ausserordentlich deutliches Verdikt», sagt Umweltminister Rösti. Das Volk möchte eine verantwortungsvolle Finanzpolitik. Auch der Bundesrat wolle nun dieser Verantwortung nachkommen.
Bis 2019 konnte der Bund seine Schulden reduzieren. Erst in der Pandemie stiegen sie wieder. «Dank tiefem Schuldenstand konnte die Schweiz die Folgen der Corona-Krise abfedern», sagt Rösti.
Das könne auch in der Zukunft wieder eintreten. Als Beispiel nennt Rösti den aktuellen Unwettersommer. Die Schweiz soll auch in unsicheren Zeiten stabil bleiben. «Die Schuldenbremse hilft, dies zu erhalten.» Dabei würde das Wachstum nicht gestoppt, sondern nur abgebremst, stellt Rösti klar.
Klimapolitik soll wie geplant weitergeführt werden
Die Klimapolitik soll wie geplant fortgesetzt werden, sagt Bundesrat Rösti. Die 400 Millionen Entlastung, die die Gruppe Gaillard vorschlug, werden nicht umgesetzt.
Die 400 Millionen müssen dennoch anderweitig eingeholt werden: Die CO2-Abgaben würden neu für das Klima- und Innovationsgesetz eingesetzt.
Rösti: «Nur ein mehrheitsfähiges Paket, wenn alle Departemente ihren Beitrag leisten»
Umweltminister Albert Rösti unterstreicht die Wichtigkeit, dass das Sparpaket – auch in Hinblick auf ein Referendum – über alle Departemente getragen wird.