Es ist der grösste Brocken unter den Sparvorschlägen: Bis 900 Millionen Franken jährlich liessen sich sparen, würde der Bundesrat in Zukunft komplett auf die Kita-Subventionen und deren Ausbau verzichten, der im Parlament gerade diskutiert wird. Genau das soll der Bund tun, findet die Expertenkommission unter der Leitung von Serge Gaillard (69), dem früheren Leiters der Finanzverwaltung des Bundes. Denn dafür sei nicht der Bund, sondern die Kantone zuständig.
Die Berner GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy (45) ist Co-Präsidentin des Frauendachverbands Alliance F. Sie ist nicht überrascht, dass der Sparhammer auch auf die Kita-Subventionen niedersausen soll. Doch sie hält dies für einen Fehler. «Es macht extrem Sinn, dass der Bund in diesem Bereich investiert», sagt sie. «Denn seit 20 Jahren reichen sich Bund und Kantone die heisse Kartoffel hin und her.»
Wer am Schluss auf den Kosten sitzenbleibe, seien die Eltern, die mit der demografischen Entwicklung und der Pensionierung der Babyboomer bereits sehr viel zu schultern hätten: «Wir brauchen sie dringend als Fachkräfte im Arbeitsmarkt, und zugleich sollten sie Kinder grossziehen, sonst fehlt bald überall Personal.» Und auch die AHV müsse finanziert werden. Ausserdem: «Mit dem Bundesbeitrag wollte man ja gerade die Kantone dazu verpflichten, endlich mehr zu investieren.» Bertschy betont, dass sie viele andere Sparmassnahmen ausdrücklich begrüsse.
«Frauenfeindlich, was gerade passiert»
Auch SP-Nationalrätin Tamara Funiciello (34), Co-Präsidentin der Frauensektion bei der SP, übt Kritik. «Es ist frauenfeindlich, was gerade passiert», findet sie. Auch andere Sparmassnahmen träfen insbesondere Frauen, so zum Beispiel die vorgeschlagene Streichung der Subventionen für die Opferhilfe.
Bertschy und Funiciello finden es unverständlich, dass Alliance F als Vertretung der Frauen nicht an die runden Tische geladen ist, die nächste Woche stattfinden. Eingeladen hat das Finanzdepartement von Karin Keller-Sutter (60) im Auftrag des Bundesrates. Drei bis vier Bundesräte plus der Bundeskanzler werden an den Spargesprächen teilnehmen. Eingeladen sind nur Sozialpartner, Kantone und Parteien, um die Vorschläge der Spartruppe zu diskutieren. Der Bundesrat wird auf der Grundlage dieser Diskussionen entscheiden, welche Massnahmen man weiterverfolgt. «Wir Frauen sind ein zentraler Teil der Gesellschaft und müssen deshalb auch mitreden können», sagt Funiciello.
Alliance F kritisiert auch die Zusammensetzung der Expertengruppe. «Ich erwarte von der Finanzministerin, dass eine so hochrangige Kommission, bei der es um viel geht, ausgewogen zusammengesetzt wird», sagt Maya Graf (62), die mit Bertschy die Frauenorganisation präsidiert. «Es fehlen nicht nur Frauen, sondern auch Jüngere», findet die Baselbieter Grünen-Ständerätin. «Bei dieser Zusammensetzung überrascht es nicht, dass die Bedürfnisse von Familien wie die Kita-Beiträge unter den Teppich fallen.»
Keller-Sutters Departement wehrt sich
Das Finanzdepartement von Bundesrätin Keller-Sutter argumentiert, dass von den über 60 vorgeschlagenen Massnahmen sehr viele Organisationen betroffen seien. «Der Bundesrat kann nicht alle Betroffenen zur Diskussion einladen», sagt Sprecher Pascal Hollenstein. Man habe sich für die Kantone, die Sozialpartner und die Parteien entschieden, weil diese im Staatsgefüge, in der Wirtschaft und in der Politik die wichtigsten Player seien. Alliance F und andere Frauen-Organisationen könnten sich wie alle anderen Interessierten aber an der ordentlichen Vernehmlassung zum Thema äussern, die zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden wird.
Tamara Funiciello befürchtet, dass der Sparvorschlag der Expertengruppe den Kritikern der Kita-Bundessubventionen Auftrieb gibt. Die Anschubfinanzierung für die familienergänzende Kinderbetreuung ist befristet und wurde mehrfach verlängert. Seit Längerem läuft im Parlament die Diskussion über eine langfristige, unbefristete Lösung. Der Nationalrat hat sich für eine Variante augesprochen, die den Bund jährlich knapp 900 Millionen Franken kosten würde.
Die Wirtschaftspolitikerinnen und -politiker des Ständerats hingegen wollen, dass die Arbeitgeber zahlen. Alliance F hat bereits eine Petition aufgegleist, die sich für den Nationalratsvorschlag starkmacht. Zudem macht ein überparteiliches Komitee mit einer Volksinitiative Druck. Die Kita-Initiative, die bezahlbare Betreuungsplätze für alle Kinder fordert, ist vor gut einem Jahr eingereicht worden.