Verkehr, Familien, Asylsuchende
Wo der Bundesrat den Sparhammer schwingt – und wer ungeschoren davonkommt

Der Bund muss sparen. Nur wo? Nun hat der Bundesrat einen detaillierten Sparplan vorgelegt. Die Massnahmen im Überblick.
Publiziert: 20.09.2024 um 14:01 Uhr
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Aktualisiert: 20.09.2024 um 18:22 Uhr
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Finanzministerin Karin Keller-Sutter hat am Freitag das Sparprogramm präsentiert.
Foto: keystone-sda.ch

Die Lücke ist gross, die zwischen Einnahmen und Ausgaben klafft. Auf bis zu 4,5 Milliarden Franken pro Jahr steigt das Defizit des Bundes in den kommenden Jahren. Nun hat der Bundesrat einen Plan, wie er das Loch stopfen will. 

60 Massnahmen hat eine Expertengruppe um Ex-Gewerkschaftler Serge Gaillard (69) vorgeschlagen, damit der Bundeshaushalt wieder ins Lot kommt. Nun wird klar: Die meisten davon will der Bundesrat umsetzen. Am Freitag hat die Landesregierung ihre Strategie präsentiert. Sie sieht vor allem Ausgabenkürzungen vor. Einige Massnahmen sollen aber auch mehr Geld in die Bundeskasse spülen. Angegeben ist im Folgenden jeweils, wie viel Geld mit der jeweiligen Massnahmen pro Jahr eingespart werden kann – und zwar ab dem Jahr 2030.

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Wo will der Bundesrat sparen?

  • AHV: Der Bund soll sich künftig weniger an den AHV-Kosten beteiligen. Heute übernimmt er einen fixen Anteil der Ausgaben. Das will der Bundesrat ändern, sodass der Beitrag nicht mehr analog zu den AHV-Ausgaben steigt, sondern an die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer gebunden ist. Längefristig könne man so bis zu 600 Millionen Franken pro Jahr sparen, so der Bundesrat.
    Sparpotenzial im Jahr 2030: 289 Millionen Franken
  • Kinderbetreuung: Das Parlament diskutiert gerade darüber, wie die befristeten Kita-Subventionen langfristig geregelt werden können. Doch der Bundesrat will sie nun komplett wegsparen. Dafür seien die Kantone zuständig, findet die Regierung.
    Sparpotenzial: 896 Millionen Franken
  • Landwirtschaft: Bei den Bauern will der Bundesrat vergleichsweise wenig sparen. Die Beihilfen für die Viehwirtschaft sollen gestrichen werden, ausserdem will er die Absatzförderung kürzen, mit der beispielsweise Werbung für Fleisch subventioniert wird. Einige weitere Kürzungen sind geplant.
    Sparpotenzial: 161 Millionen Franken
  • Verkehr: Um den Schweizer Zugverkehr zu finanzieren, gibt es unter anderem den Bahninfrastrukturfonds. In diesen will die Regierung 200 Millionen Franken weniger pro Jahr einzahlen. Auch in den Fonds für Nationalstrassen soll weniger Geld fliessen. Geplante Ausbauprojekte müssten dann priorisiert oder allenfalls gestoppt werden. Zudem will sich der Bund künftig weniger an den Kosten des Regionalverkehrs beteiligen – die Folge werden wohl Tariferhöhungen sein. Weitere Kürzungen im Bereich Verkehr kommen dazu.
    Sparpotenzial: 507 Millionen Franken
  • Bildung und Forschung: Studentinnen und Studenten sollen künftig doppelt so hohe Studiengebühren zahlen, ausländische Studenten sogar viermal mehr als heute. So können die staatlichen Beiträge an ETH und kantonale Hochschulen gekürzt werden. Weitere Kürzungen im Bereich Bildung und Forschung kommen dazu.
    Sparpotenzial: 495 Millionen Franken
  • Gesundheit: Die Umsetzung des Gegenvorschlags zur Kostenbremse-Initiative birgt ebenfalls Sparpotenzial. Der Plan: Der Bund soll in Abstimmung mit den Kantonen ein Ziel festlegen, um wie viel die Gesundheitskosten steigen dürfen.
    Sparpotenzial: 58 Millionen Franken
  • Entwicklungshilfe: Der Bundesrat will das Entwicklungshilfe-Budget bis 2030 einfrieren.
    Sparpotenzial: 313 Millionen Franken
  • Asyl und Migration: Bei der Sozialhilfe für Flüchtlinge soll gespart werden, indem diese schneller in den Arbeitsmarkt integriert werden. Pro Flüchtling oder vorläufig Aufgenommenen soll der Bund nur noch während vier statt heute fünf beziehungsweise sieben Jahren eine Pauschale an die Kantone zahlen. Wobei die genaue Umsetzung noch geprüft wird.
    Sparpotenzial: 500 Millionen Franken
  • Klima: Bei den Subventionen für Klima- und Energieprojekte will die Regierung Prioritäten setzen und nur die wirksamsten Instrumente weiterführen. Das Gebäudeprogramm, über das Fördergelder für die energetische Sanierung von Häusern gesprochen werden, soll reduziert werden. Auf die von der Spartruppe vorgeschlagene Einführung von Lenkungsabgaben verzichtet der Bundesrat aber.
    Sparpotenzial: 400 Millionen Franken
  • Umwelt: Auch im Umweltbereich setzt der Bundesrat den Rotstift an. Die Beiträge zum Schutz von Natur und Landschaft, Wald oder für den Hochwasserschutz sollen um 10 Prozent gekürzt werden. Weitere Kürzungen im Bereich Umwelt kommen dazu.
    Sparpotenzial: 72 Millionen Franken
  • Bundesverwaltung: Nicht zuletzt will der Bund auch bei sich selbst sparen. 60 Prozent der Einsparungen sollen mit Massnahmen beim Bundespersonal erreicht werden – also beispielsweise, indem der Personaletat verkleinert wird oder Löhne weniger stark steigen.
    Sparpotenzial: 300 Millionen Franken

Das sind nicht alle Massnahmen. Weiter gespart werden soll unter anderem bei der Sportförderung oder der Kultur. Auch will der Bundesrat der SRG Gelder streichen, nämlich den Beitrag für ihr Angebot für Auslandschweizer. 

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Wie will der Bund mehr einnehmen?

Sparen ist das eine – der Bund will zudem auch dafür sorgen, dass die Einnahmen steigen. Allerdings sind diese Einnahmen bescheiden im Vergleich zum Volumen der Sparmassnahmen. So will die Regierung, wie von der Spartruppe vorgeschlagen, dass sich Kapitalbezüge auf die zweite und dritte Säule künftig gegenüber dem Rentenbezug steuerlich nicht mehr lohnen. Das bringt dem Bund 220 und den Kantonen 60 Millionen Franken pro Jahr. Zudem sollen neu alle Importkontingente für landwirtschaftliche Güter versteigert werden. Heute ist das nur teilweise der Fall. Einnahmepotenzial: rund 80 Millionen Franken pro Jahr.

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Ist das Finanzloch damit gestopft?

Laut Bundesrat fehlen ab 2027 jährlich 3 bis 3,5 Milliarden Franken. Ab 2030 sind es sogar 4 bis 4,5 Milliarden. Würden sämtliche vom Bundesrat anvisierten Sparmassnahmen umgesetzt, könnte dieses Loch mehr als gestopft werden. Bis 2027 könnte man die Ausgaben um 3,5 Milliarden senken, bis 2030 um 4,3 Milliarden. Dazu kommen die geplanten Mehreinnahmen, die sich bis 2030 auf 300 Millionen Franken summieren sollen. Der Bundesrat argumentiert, dass man bewusst mehr als unbedingt nötig vorschlägt, weil einerseits weitere Ausgaben dazukommen werden – und man andererseits aufgrund der Rückmeldungen von Kantonen, Sozialpartnern und Parteien dann vielleicht doch auf einige Massnahmen verzichten wird.

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Welche Vorschläge der Spar-Truppe werden verworfen?

  • Beiträge an Kantone: Der Bundesrat will Rücksicht auf die Kantone und bisherige Abmachungen nehmen. Deshalb möchte er beispielsweise an den Bau- und Betriebsbeiträgen für Gefängnisse sowie kantonale Hochschulen festhalten. Die Expertengruppe hatte eine ersatzlose Streichung vorgeschlagen, was den Bund um 140 Millionen (2027) bis 275 Millionen Franken (2030) entlastet hätte.
  • Überbrückungsrente: Die Regierung will zudem darauf verzichten, die Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose im Umfang von 55 Millionen zu streichen.
  • Wohnbauförderung: Der Bundesrat will die Gelder für die Förderung von bezahlbarem Wohnraum nicht streichen. Er hält an den 26 Millionen pro Jahr fest.
  • Indirekte Presseförderung: Der Bundesrat will die indirekte Presseförderung nicht vollständig streichen, aber von 50 auf 25 Millionen Franken halbieren. Künftig wolle man sich auf die Förderung der Lokal- und Regionalpresse konzentrieren. Die Zustellvergünstigungen für die Verbands- und Stiftungspresse sollen gestrichen (20 Millionen Franken) und jene für die Lokal- und Regionalpresse von 30 auf 25 Millionen gekürzt werden.
  • Armee: Vom Bundesrat nicht einmal mehr erwähnt wird die Armee. Die Expertengruppe hatte vorgeschlagen, das Wachstum der Verteidigungsausgaben von den geplanten 6,14 auf 4,25 Prozent zu senken, was dem Bund Einsparungen von mehreren Hundert Millionen Franken pro Jahr bringen könnte. Die Armee wäre aber auch erst deutlich später wieder voll einsatzfähig. Das Parlament ringt noch immer um die tatsächliche Höhe der Militärausgaben für die kommenden Jahre.
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Wie geht es weiter?

Noch sind die Sparpläne des Bundes nicht in Stein gemeisselt. Im Gegenteil: Sie werden noch einige Hürden nehmen müssen. Als Erstes werden sie nun innerhalb der Bundesverwaltung auf Herz und Nieren geprüft. Rund 40 Vorschläge benötigen eine Gesetzesänderung, die der Bundesrat als Gesamtpaket vorlegen will. Voraussichtlich Ende Januar 2025 soll die Gesamtvorlage in die öffentliche Vernehmlassung gehen, bei der sich Kantone, Parteien und Verbände dazu äussern können. Weil dort Widerstand gegen die eine oder andere Sparmassnahme absehbar ist, kündigt der Bundesrat schon jetzt an, dass er, gestützt auf die Ergebnisse der Vernehmlassung, auf einzelne Massnahmen verzichten könnte. Wie viel von seinen Sparplänen also tatsächlich übrigbleibt, wird sich noch zeigen.

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