Auf einen Blick
- BVG-Reform mit 67 Prozent vom Volk klar abgelehnt
- Pensionskassen müssen ihre Probleme selbst lösen
- Die AHV dagegen bekommt noch mehr Rückenwind
Das BVG-Debakel ist für die grossen Wirtschaftsverbände und die bürgerlichen Parteien perfekt. Das Stimmvolk lehnt die Reform mit 67 Prozent Nein wuchtig ab. Ähnlich stark wie 2010, als eine Senkung des Umwandlungssatzes mit 73 Prozent verworfen wurde.
Die Befürworter reden nun von einer verpassten Chance und werfen den Gewerkschaften Irreführung des Stimmvolks vor. Selbstkritik? Fehlanzeige. Dabei müssen sie sich am meisten über sich selbst ärgern. Eine mehrheitsfähige Lösung lag auf dem Silbertablett parat, als Arbeitgeberverband und Gewerkschaften 2020 ihren Sozialpartner-Kompromiss vorlegten. Beide Seiten mussten Kröten schlucken: die Gewerkschaften den tieferen Umwandlungssatz, die Wirtschaft einen Rentenzuschlag für alle mit einem solidarischen Umverteilungsmechanismus.
Quittung für Hochmut bekommen
Der Bundesrat brachte diese Lösung eins zu eins ins Parlament. Dieses hatte es in der Hand, die Vorlage – vielleicht mit ein paar leichten Retuschen – vors Volk zu bringen. Stattdessen kippte die bürgerliche Mehrheit das linke Kernstück, den unbefristeten Rentenzuschlag für alle, aus der Vorlage. Ersetzt wurde es mit einer auf 15 Jahrgänge befristeten Light-Variante. Damit war der Deal aus dem Gleichgewicht.
Vielleicht war es verletzter Stolz, dass die Bundespolitiker den Sozialpartner-Kompromiss nicht telquel übernehmen mochten. Vielleicht nur pure Arroganz. Dabei ist die berufliche Vorsorge ein Kernbereich der Sozialpartnerschaft. Nun hat das Parlament die Quittung für seinen Hochmut erhalten.
Der Scherbenhaufen lässt sich auf die Schnelle nicht kitten. Die Senkung des Umwandlungssatzes ist für die kommenden Jahre vom Tisch. Wer will sich an diesem heissen Eisen schon die Finger verbrennen? Auch die vom links-grünen Lager verlangten Leistungsverbesserungen wie Erziehungsgutschriften werden kaum eine Mehrheit finden. Mittelfristig muss die Frage der Teilzeit- und Mehrfachbeschäftigen zwar wieder aufs Tapet kommen, doch fürs Erste ist im BVG politischer Stillstand angesagt.
Pensionskassen müssen Probleme selbst lösen
Die Pensionskassen müssen ihre Probleme weiterhin selbst lösen. Das ist keine Tragödie. Die grosse Mehrheit hat teils harte Anpassungen längst hinter sich, was die überobligatorisch Versicherten mit tieferen Umwandlungsätzen schmerzhaft zu spüren bekommen.
Die meisten Pensionskassen im Obligatorium haben sich ebenfalls mit der Situation arrangiert, sodass Sanierungsmassnahmen derzeit kaum noch ein Thema sind. Wer wirklich zu beissen hat, kann sich ins Überobligatorium retten. So könnten die Kassen freiwillig eine höhere Lohnsumme versichern als vorgeschrieben und so im Gegenzug den Umwandlungssatz herunterschrauben. Auch wenn das den Betroffenen wehtut.
AHV rückt in den Fokus
Mit dem BVG-Nein rückt nun die AHV-Thematik noch stärker in den Fokus. Zu Recht, denn die grossen Herausforderungen sind in der 1. Säule zu meistern. Die Finanzierung der 13. AHV-Rente wird ein Husaren-Ritt, steht die vom Bundesrat anvisierte Mehrwertsteuererhöhung doch von links wie rechts unter Beschuss.
Und der nächste milliardenschwere AHV-Ausbauschritt steht bereits am Horizont. Die Mitte-Initiative, die die Deckelung der Ehepaar-Renten streichen will, hat beim Stimmvolk intakte Chancen. Die Partei von Gerhard Pfister (61) kann nicht nur auf Unterstützung der SVP, sondern auch von links hoffen, wie Gewerkschaftsboss Pierre-Yves Maillard (56) im Blick-Interview antönt.
Das Signal des Stimmvolks ist nach den diesjährigen Renten-Abstimmungen klar: Die AHV bleibt das Herzstück der Altersvorsorge. Das Parlament wird nicht darum herumkommen, dafür neue Finanzierungsquellen zu erschliessen.