Auf einen Blick
- Die BVG-Reform und die Biodiversitäts-Initiative fallen deutlich durch
- 67 Prozent sagen Nein zur Pensionskassen-Reform
- 63 Prozent lehnen die Biodiversitäts-Initiative ab
Die Bilder ähneln sich: Die Schweiz stimmt über die Altersvorsorge ab, und kurz nach 12 Uhr jubelt Gewerkschaftsboss Pierre-Yves Maillard (56). Bei der 13. AHV-Rente war es so, bei der Initiative der Jungfreisinnigen, die das Rentenalter erhöhen wollte, und auch am Sonntag, als die erste Trendrechnung zur BVG-Reform über den Bildschirm flimmerte, durften die Gewerkschaften jubeln. 67 Prozent der Stimmbevölkerung lehnen die Pensionskassen-Reform ab.
«Es ist eine empfindliche Niederlage für Parlament und Bundesrat», ordnet Politologin Cloé Jans bei Blick TV ein. Die Vorlage war kompliziert. Doch die Schweiz stimmt oft über komplizierte Themen ab. Doch hier habe es wenig Transparenz und viel Verwirrung gegeben, was die wirklichen Folgen seien, sagte Jans. Dazu kommt: «Man hat vielleicht dem Bundesrat nicht vertraut.» Das auch wegen des Debakels um die AHV-Rechenpanne, die das Vertrauen in die Behörden nicht gestärkt habe. Die Linken haben in der Vergangenheit viele Referenden gewonnen, stellte die Politologin fest. Bei einer nächsten Reform müsse man mit allen Akteuren sprechen – auch mit den Gewerkschaften.
Doch ob es zu einer solchen in den nächsten Jahren kommt, ist fraglich. So geht Mitte-Präsident Gerhard Pfister davon aus, dass in den kommenden Jahren keine Reform vors Volk kommt. Auch er betont, dass der AHV-Berechnungsfehler nicht geholfen habe. Elisabeth Baume-Schneider, die zuständige Bundesrätin, will nicht beim Status quo bleiben. Die berufliche Vorsorge müsse angepasst werden. Dafür seien wohl kleinere Reformschnitte notwendig. «Wir müssen nun Prioritäten setzen», sagte Baume-Schneider. Kleinere Reformschritte seien weniger komplex, transparenter und könnten eine Mehrheit überzeugen. «Wir sehen, dass grosse Reformen keinen Erfolg haben.»
Ebenfalls keinen Erfolg hatte die Biodiversitäts-Initiative. In Milchfässern sammelten die Befürworter Fahnen jener Kantone, die zugestimmt haben. Am Schluss werden nur jene von Basel-Stadt und Genf dort landen. 63 Prozent der Stimmberechtigten und eine grosse Mehrheit der Kantone lehnten sie ab. «Klimawandel findet man ein Problem, aber man verbindet es weniger mit Biodiversität», analysierte Politologin Jans. Der Problemdruck sei nicht gross genug gewesen. Auch die Gegenüberstellung der Energieversorgung der Gegner habe geholfen. «Man spricht nicht über Umweltfolgen, sondern was das für die Versorgungssicherheit und den Wohnungsbau bedeutet.»
Mehr zu den beiden Vorlagen
«Mit diesem Nein hat sich die Bevölkerung nicht zum Schutz von Natur und Heimat ausgesprochen», sagt Bundesrat Albert Rösti (57). Es habe sich aber gewehrt gegen stärkere Regulierungen. Eine Annahme hätte zu verschiedenen Problemen geführt, beispielsweise bei der Energieproduktion. In den kommenden Monaten wolle man einen zweiten Aktionsplan vorlegen. «Wir werden Massnahmen für eine intakte Natur ergreifen – aber mit Augenmass.»
Das Fazit von Politologin Cloé Jans
AHV-Zahlenwirrwarr schuld?
War das AHV-Zahlenwirrwarr schuld am BVG-Nein? Baume-Schneider sagt, die beiden Säulen seien unabhängig voneinander, das habe sie auch im Abstimmungskampf gesagt. Sie widerspreche nicht, dass die falschen Zahlen einen Einfluss auf das Abstimmungsresultat gehabt habe. «Aber es war sicher nicht nur das.»
Damit ist die Medienkonferenz beendet.
Baume-Schneider zur BVG-Schlappe
Nun spricht Innenministerin Baume-Schneider zur BVG-Schlappe des Bundesrats. Die Botschaft sei klar. Die Herausforderungen bei der zweiten Säule bleiben bestehen. Der Umwandlungssatz bleibe ein Problem für die Pensionskassen. Die Eintrittsschwelle führe dazu, dass Menschen mit tiefen Einkommen nur geringe Beiträge bekommen.
Sie werde nun mit den wichtigsten Akteuren zusammensitzen, um Lösungen zu finden. Der Bundesrat dürfe sich nicht aus der Verantwortung ziehen. «Wir müssen sicherstellen, dass die Schweiz ihr Versprechen hält» – das Versprechen auf ein würdevolles Leben im Alter. Es sei wichtig, eine für alle tragbare Lösung zu finden.
Rösti verspricht «Massnahmen mit Augenmass»
Um 16.45 Uhr treten Innenministerin Elisabeth Baume-Schneider und Umweltminister Albert Rösti vor die Medien.
Rösti beginnt zur Biodiversitäts-Initiative: «Mit diesem Nein hat sich die Bevölkerung nicht zum Schutz von Natur und Heimat ausgesprochen», sagt der Bundesrat. Es habe sich aber gewehrt gegen stärkere Regulierungen. Eine Annahme hätte zu verschiedenen Problemen geführt, beispielsweise bei der Energieproduktion. «Der Schutz der Biodiversität ist dem Bundesrat wichtig, auch in Zukunft.» Schon heute investiere der Bund 600 Millionen Franken. In den kommenden Monaten wolle man einen zweiten Aktionsplan vorlegen. «Wir werden Massnahmen für eine intakte Natur ergreifen – aber mit Augenmass.»
Der Aktionsplan werde dem Bundesrat bis Ende Jahr vorgelegt, erklärt der Bundesrat auf Blick-Nachfrage. Man werde Kritiken, die die Städte bereits in einer informellen Konsultation geäussert haben, ernst nehmen. «Wir haben aber nicht plötzlich mehr Geld», gibt er zu bedenken.
Es werden einige Flächen neu dazu kommen – aber grundsätzlich könne die Qualität der bestehenden Flächen verbessert werden.
Durchschnittliche Mobilisierung
Die Pensionskassenreform und die Biodiversitäts-Initiative haben die Stimmenden in durchschnittlichem Ausmass mobilisiert. Rund 45 Prozent der Berechtigten gaben ihre Stimme zu den beiden Vorlagen ab.
Es zeigt sich, dass Vorlagen zur Altersvorsorge unterschiedlich ankommen. Bei den vier eidgenössischen Vorlagen im vergangenen März (darunter die Initiative für eine 13. AHV-Rente) lag die Beteiligung bei rund 58 Prozent.
Als es vor zwei Jahren um die Erhöhung des AHV-Frauenrentenalters auf 65 Jahre ging, gingen rund 51 Prozent an die Urne. Bei der Reform der zweiten Säule der beruflichen Vorsorge waren es nun noch rund 45 Prozent.
Bis 1950 betrug die Stimmbeteiligung in der Schweiz im Schnitt um die 60 Prozent. In den folgenden 20-Jahr-Zyklen sank sie zunächst auf 48 und danach auf 41 Prozent. In etlichen Jahren bemühten sich nicht einmal 40 Prozent des Stimmvolks an die Urne.
Seit der Jahrtausendwende steigt die Partizipation wieder, zuletzt auf 46 Prozent. Dies ist der Durchschnitt 2011–2020 gemäss Bundesamt für Statistik.
Die Blick-Elefantenrunde zum Nachschauen
Eine halbe Stunde lang haben die Parteipräsidenten der Bundesratsparteien über die Abstimmungsresultate diskutiert. Die komplette Elefantenrunde gibt es hier.
Medienkonferenz mit dem Bundesrat um 16.45 Uhr
Innenministerin Elisabeth Baume-Schneider und Umweltminister Albert Rösti treten um 16.45 Uhr vor die Medien. Dort nehmen sie Stellung zu den Abstimmungsergebnissen.
Endresultat: 67,1 Prozent sagen Nein zur BVG-Reform
Das Endresultat ist da: Die BVG-Reform scheitert mit 67,1 Prozent Nein-Stimmen. Die Biodiversitäts-Initiative wird mit 63 Prozent abgelehnt.
Noch ist der Abstimmungstag nicht beendet. In Kürze wird der Bundesrat zu den Ergebnissen Stellung nehmen.
Stimmbeteiligung wohl um 45 Prozent
Gemäss einer Hochrechnung von GFS Bern dürfte die Stimmbeteiligung bei 45 Prozent sein – das entspricht etwa dem Durchschnitt, sagt Politikwissenschaftler Lukas Golder bei SRF. «Es kann sein, dass die Verunsicherung eine Rolle gespielt hat. Einige haben dann wohl entschieden, nicht abstimmen zu gehen, statt einen leeren Stimmzettel einzuwerfen.»
Ortsbilder kontraproduktiv?
SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer sagt, es könnte kontraproduktiv gewesen sein, dass auch noch die Ortsbilder bei der Biodiversitäts-Initiative berücksichtigt werden. Bei der Umsetzung hätte das Parlament aber Spielraum gehabt.
SVP-Präsident Marcel Dettling sagt, nur schon der Erhalt des Status Quo sei eine Riesenleistung – wegen der Zuwanderung. Man investiere schon viel in die Biodiversität. Wenn schon habe man eine Ernährungskrise – die Initiative hätte diese noch verstärkt.
FDP-Präsident Burkart ruft die Städte auf, sich für die Biodiversität einzusetzen. «Dort können wir am meisten bewirken.»
Damit ist die Elefantenrunde beendet.