Zehntausende Ukrainerinnen und Ukrainer sind seit dem russischen Angriff im Februar 2022 in die Schweiz geflüchtet. Aktuell profitieren rund 66'000 Kriegsflüchtlinge vom Schutzstatus S. Dieser gilt vorerst bis März 2025.
Doch bereits steht eine weitere Verlängerung an. Der Bundesrat wird voraussichtlich an seiner Sitzung vom 4. September darüber entscheiden, wie das Staatssekretariat für Migration (SEM) dem Blick bestätigt.
Die EU hat im Juni bereits vorgespurt und den temporären Schutz der über 4 Millionen ukrainischen Geflüchteten in den EU-Ländern bis am 4. März 2026 verlängert. Bislang hat die Schweiz jeweils nachgezogen – und so dürfte der Bundesrat auch dieses Mal grünes Licht geben.
Reisefreiheit im Visier
Doch bevor die Landesregierung den Entscheid fällt, hat das SEM im Departement von SP-Justizminister Beat Jans (60) den Kantonen in den letzten Wochen den Puls gefühlt. Diese stehen der Verlängerung tendenziell offen gegenüber – sofern sich die Bedrohungslage in der Ukraine nicht nachhaltig verbessert.
Ein Alleingang der Schweiz sei nicht angezeigt und «dürfte der wichtigen Kooperation mit der EU wenig dienlich sein», schreibt die Basler Regierung. Und Solothurn warnt, dass eine Abschaffung zum aktuellen Zeitpunkt «zu einer erheblichen Belastung des Asylsystems führen würde».
Allerdings ist der Schutzstatus nicht ganz unbestritten. So werden teils zumindest Anpassungen gefordert. Der Kanton Uri möchte etwa geprüft haben, ob der Schutzstatus für die als sicher geltenden Teile der Ukraine aufgehoben werden könnten – so wie es auch der Ständerat verlangt.
Und St. Gallen ist nur unter der Voraussetzung einer «rigorosen Missbrauchsbekämpfung» für eine Weiterführung zu haben. Der Kanton fordert, dass Schutzsuchende zwingend Deutsch lernen müssten. Personen mit Schutzstatus S sollen daher künftig verpflichtet werden, Deutsch zu lernen. «Zudem sollen arbeitsfähige Schutzsuchende künftig nachweisen müssen, dass sie sich um Arbeit oder eine Ausbildung bemühen.»
Auch die unbeschränkte Reisefreiheit der Geflüchteten stösst in manchen Kantonen auf Kritik. So macht etwa die Basler Regierung klar, dass sich ihre Haltung hier geändert hat: «Um den Willen hinsichtlich einer verbindlichen Integration weiter zu stärken, sollten die Reisemöglichkeiten der Schutzsuchenden eingeschränkt werden», schreibt sie. «Reisen in die Heimat sollten nur noch in begründeten Fällen möglich sein.» Und wer mehr als zwei Wochen abtaucht, dem müsse der Schutzstatus aberkannt werden.
Aufenthaltsbewilligung B als Anreiz
Mit dem Schutzstatus soll auch das Programm S verlängert werden. Über dieses fliessen den Kantonen jährlich 3000 Franken pro Geflüchtetem zu, um Integrationsmassnahmen zu finanzieren – beispielsweise Sprachkurse. Damit soll die noch immer bescheidene Erwerbsquote von derzeit 26,8 Prozent erhöht werden. Immerhin hat sich der Bundesrat bis Ende Jahr eine 40-Prozent-Quote zum Ziel gesetzt.
Auf den finanziellen Zustupf wollen die Kantone nicht verzichten. Basel-Stadt möchte zudem einen besonderen Anreiz zur Arbeitsintegration geprüft haben: «Finden Schutzsuchende aus der Ukraine Arbeit, mit der sie sich nachhaltig von der Sozialhilfe ablösen können, soll ihnen eine Aufenthaltsbewilligung B erteilt werden können.»
SVP will Schutzstatus beenden
Auch das Parlament treibt die Ukraine-Frage immer wieder um. Die SVP fordert längst einen Strategiewechsel und die Beendigung des Schutzstatus. «Wer hier ist, soll den Schutzstatus behalten können, aber Neuankömmlinge sollen ein ordentliches Asylgesuch stellen müssen», sagt SVP-Nationalrätin Martina Bircher (40, AG) zu Blick. Die grosse Flüchtlingswelle sei längst vorbei. «Für eine Extrawurst gibt es keinen Grund mehr.»
Dann sei es beispielsweise auch möglich, dass Geflüchtete aus sicheren Gebieten kein Asyl erhalten würden. «Im Westen der Ukraine läuft das Leben praktisch normal weiter.» Und wer bereits hier sei, könne einen Job auch im Tieflohnsegment annehmen, statt jahrelang Deutschkurse zu absolvieren.
SP verlangt weitere Integrationsmassnahmen
SP-Co-Chef Cédric Wermuth (38) hingegen will am Schutzstatus festhalten und diesen gar auf weitere Asylsuchende ausweiten. Zudem plädiert er für weitere Integrationsmassnahmen: «Heute können viele ukrainische Flüchtlinge nicht arbeiten, da sie sich mangels Betreuungsmöglichkeiten um ihre Kinder kümmern müssen», sagt er. «Darum muss der Zugang zu familienergänzender Betreuung erleichtert werden.»