Seit über zwei Jahren tobt der russische Angriffskrieg in der Ukraine. Millionen von Menschen sind geflüchtet, Zehntausende auch in die Schweiz. Rund 65'000 Ukrainerinnen und Ukrainer mit Schutzstatus S leben derzeit hier.
Über 23'000 haben das Land wieder verlassen, so die jüngsten Zahlen des Staatssekretariats für Migration (SEM). Oft bleibt unklar, ob diese in die Ukraine zurückgekehrt oder in einen anderen Drittstaat weitergezogen sind – beispielsweise in ein EU-Land.
Das wäre allenfalls anders, wenn die Schweiz bei der EU-Registrierungsplattform für Ukrainerinnen und Ukrainer mitmachen würde. Auf dieser registriert die EU alle Geflüchteten, die einen «vorübergehenden Schutz» erhalten haben. Die Ukrainer-Datenbank soll nicht nur für eine bessere Übersicht und Koordination sorgen, sondern auch Missbrauch verhindern.
Plan begraben
Schon früh kündigte die damalige Justiz- und heutige Finanzministerin Karin Keller-Sutter (60, FDP) an, dass sich auch die Schweiz an der Plattform beteiligen will. Doch Ende 2023 wurde der Plan noch unter SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider (60, SP) still und heimlich begraben, wie das SEM nun gegenüber Blick bestätigt.
«Die betroffenen Einheiten der Bundesverwaltung sind zum Schluss gekommen, dass eine Anbindung an diese Plattform nicht den gewünschten Mehrwert erzielen würde», sagt SEM-Sprecher Samuel Wyss. «Die Schweiz hat die Europäische Kommission darüber informiert, dass wir davon absehen, die Verhandlungen fortzusetzen.» Das war im März.
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Wyss führt verschiedene Punkte für die Absage an. So wäre eine Teilnahme wegen des Personalaufwands mit hohen Kosten verbunden und der administrative Aufwand unverhältnismässig hoch. Weiter hätten sich rechtliche Fragen gestellt, etwa bezüglich Datenschutz. Nach fast zwei Jahren sahen die Behörden auch keinen unmittelbaren Nutzen mehr.
Die Schweiz stehe mit diesem Entscheid nicht alleine da, auch weitere Staaten wie etwa Dänemark hätten sich gegen eine Anbindung entschlossen, so Wyss.
Droht mehr Missbrauch?
Doch mit der Absage stellt sich die Frage, ob damit Missbrauchsfällen nicht Tür und Tor geöffnet wird – etwa, indem sich Geflüchtete in verschiedenen Länder anmelden.
Der Verzicht bringe keine operativen Nachteile, verneint Wyss. «Die Zusammenarbeit mit EU funktioniert auch ohne Zugang zu dieser Plattform sehr gut», sagt er. Die Schweiz habe Zugang zu den benötigten Informationen und sei in den relevanten Gremien eingebunden.
«Es erhalten nur diejenigen Personen vorübergehenden Schutz in der Schweiz, die diesen Schutz auch tatsächlich benötigen», betont Wyss. Dabei werde auch geprüft, ob eine «Schutzalternative» bestehe.
So lehne das SEM Gesuche ab, wenn eine Person bereits in einem EU- oder Efta-Mitgliedstaat oder in Australien, Neuseeland, Kanada, den USA oder Grossbritannien Schutz oder ein Aufenthaltsrecht erhalten habe. «Auch bei schutzsuchenden Personen mit der zusätzlichen Staatsangehörigkeit eines der genannten Staaten lehnt das SEM das Schutzgesuch ab», so Wyss.