Der Wahlkampf des FDP-Nationalrats Andri Silberschmidt (29) begann mit einem Tiefschlag. Während er im Bundeshaus politisierte, machten sich Diebe an seinem E-Bike zu schaffen. Er hatte es in der Velostation am Zürcher HB abgestellt, gesichert mit einer dicken Kette – doch die nutzte nichts.
Das FDP-blaue Velo war ein Unikat. Vor vier Jahren strampelte Silberschmidt damit durch den Kanton, um Wählerherzen zu gewinnen. Das klappte: Am Abend des 20. Oktober 2019 stand er als jüngstes Ratsmitglied fest. «Das Bike war mein treuer Begleiter», so Silberschmidt.
Doch die Hoffnung, auch im Herbst 2023 mit seinem Glücksrad auf Tour gehen zu können, musste der FDP-Überflieger nach seinem Besuch auf dem Polizeiposten definitiv begraben. Die Bilder der Überwachungskameras, beschied man ihm dort, seinen zu unscharf.
Nun hat Silberschmidt aufgerüstet. Im schwarzen Rahmen seines neuen E-Bikes ist ein Ortungssender versteckt – und als Wahlkampfvehikel dient ihm ein tonnenschwerer E-Lastwagen seines Arbeitgebers, des Logistikunternehmens Planzer.
LKW ohne Fahrausweis
Der Politiker besitzt zwar seit ein paar Monaten den LKW-Führerschein, darf ihn aber nicht für kommerzielle Fahrten einsetzen. Seine Botschaft («Andri Silberschmidt lifered politischi Lösige») lässt er von anderen durch die Gegend karren – er nutzt den ÖV. Fragt man ihn, was seine politischen Lösungen seien, schaltet Silberschmidt auf Autopilot: «Eine Reform des Gesundheitswesens! Günstigere Prämien! Stärkung des Unternehmertums!»
Silberschmidt ist nicht der einzige, der im Wahlkampf auf Räder setzt. Der Obwaldner Mitte-Ständerat Erich Ettlin (61) tourt, obwohl bereits im Amt bestätigt, mit einer rosaroten Vespa durch die Dörfer. Mit dem Hype um die gleichfarbige «Barbie» habe das nichts zu tun. Ettlin hat seine Piaggio 1991 gekauft, «als Föhnfrisuren und grelle Farben in Mode waren».
Ebenfalls auf Rosarot setzte die Berner GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy (44). Doch ihr in die Jahre gekommener «Göppel», ein Fiat 500, schaffte es nicht rechtzeitig durch die Prüfung. Jetzt klappert sie mit einem roten Mobility-Auto die Berner Spielplätze ab, mit Glace im Kofferraum und einer Seifenblasenmaschine, um für ihre familienfreundliche Politik zu werben.
Knutschkugel
Einen langen Anlauf benötigte das Wahlkampfmobil des Aargauer GLP-Nationalrats Beat Flach (58). Eigentlich hätte er schon 2019 mit einem elektrisch betriebenen Kleinstwagen durch Lenzburg «gurken» wollen, doch Pandemie und Krieg verzögerten den Markteintritt des Microlinos.
Seit ein paar Wochen ist die in der Schweiz erdachte und in Italien gebaute «Knutschkugel» nun im Dienst. Flach nennt das mintfarbene Mini-Auto so wie dessen klassischen Vorläufer Isetta aus den 50er-Jahren, weil er darin seiner Frau – gezwungenermassen und erfreulicherweise – sehr nahe komme.
Man dürfe den Microlino nicht unterschätzen, sagt Flach. Er sei sparsam, effizient und verkörpere sein Motto: «Mut zur Lösung». Auch in Bern seien mutige, grünliberale Ideen nötiger denn je, etwa, um die Energiewende voranzutreiben.
Alles rollt – aber wer hats erfunden? Für einmal nicht die Schweizer. Lange bevor der ehemalige deutsche Vizekanzler Guido Westerwelle (1961–2016) mit seinem «Guidomobil» für Furore sorgte, reisten in den USA Präsidentschaftskandidaten im Zug zu den Wählerinnen und Wählern. Aus dieser Zeit stammt auch der Begriff «Whistle-Stop Tour»: Immer, wenn ein Politiker irgendwo in der Pampa einen Rede-Stopp einlegte, gellte der schrille Pfiff des Bahnhofsvorstands durch die Gegend und die Leute wussten: es geht wieder los.
Fleissiger Schwänzer
Meisterlich beherrschte diese Pfeifen-Stopp-Tour der abtretende SVP-Nationalrat Roger Köppel (58), der während des Wahlkampfs 2019 sämtliche Zürcher Gemeinden abklapperte. Nach seiner Wahl in die Grosse Kammer blieb von diesem Fleiss wenig übrig. In Bundesbern galt er als Absenzenkönig.
Für politisches Strohfeuer sorgte ebenfalls vor vier Jahren der heutige FDP-Präsident Thierry Burkart (48). Er begab sich in einem VW-Bus, Baujahr 1974, auf Stimmenfang für den Ständerat. Ein Aufgelegter, freilich: Burkart mache mit einer «alten Dreckschleuder» Wahlkampf, wetterten die politischen Gegner.
Als in diesem Sommer Bilder von Balthasar Glättli (51) in einem antiken VW-Bus auftauchten, fühlte sich der Grünen-Präsident bemüssigt, sich via Twitter zu erklären: «An alle, die mich fragten, ob ich mir einen VW-Bus gekauft habe… Nein. Ich besass noch nie ein Auto.» Der Oldtimer sei von der Zeitung gemietet worden, die darin sämtliche Parteipräsidenten interviewte.
Die Mitte-Kandidatin Michelle Renaud indes besucht mit ihrem Renault («Ich fahre rechts der Mitte») jede «Hundsverlochete», und der SVP-ler Martin Hübscher (54) tuts am Steuer eines Käsemobils. Wer in diesem Rennen in die Ränge fährt, zeigt sich in zwei Wochen. Bis dahin gilt: «Nichts ist unmöglich».