Noch vier Tage, dann müssen alle Nationalratskandidatinnen und Nationalratskandidaten ihr Budget bei der Eidgenössischen Finanzkontrolle gemeldet haben. Wegen neuer Transparenzregeln sind sie verpflichtet, ihre Wahlkampfgelder ab 50'000 und Grossspenden ab 15'000 offenzulegen.
Noch sind im Register der Finanzkontrolle nur rund 20 Politikereinträge veröffentlicht, obwohl mehr als 4000 kandidieren. SonntagsBlick hat deshalb alle bisherigen Nationalräte sowie weitere aussichtsreiche Anwärter nach ihren Budgets gefragt. Knapp 70 haben geantwortet.
Die Umfrage zeigt: Die Spannweite der Ressourcen ist gross. Während Einzelne mit nur wenigen Tausend Franken in den Wahlkampf ziehen, haben andere prall gefüllte Kassen.
Wie fair sind ungleiche Mittel?
Von den Politikerinnen und Politikern, die ihr Budget offengelegt haben, weist der Zürcher FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt (29) am meisten Geld aus. Der Unternehmer hat 280'000 Franken zur Verfügung – alles Spenden von Sympathisanten.
«Ich bin selbst überrascht, dass ich so viele Zuwendungen erhalten habe», sagt er. Grossspenden von über 15'000 Franken seien nicht darunter. Er habe rund 600 Personen in seinem Unterstützungskomitee, gut die Hälfte davon habe etwas beigesteuert. «Grundsätzlich sind Wahlkämpfe umso teurer, je mehr Stimmberechtigte erreicht werden müssen.» Darum seien Kandidaturen in Zürich teurer als solche in St. Gallen oder im Aargau.
Transparenz im Wahlkampf
Unter den zehn Politikern mit den grössten Budgets sind neun von der FDP. Überraschend ist Rang vier: Islam Alijaj (37), SP-Gemeinderat aus Zürich. Er kandidiert auf Platz elf der SP-Liste und weist ein Budget von 152'000 Franken aus.
Alijaj leidet an Zerebralparese. Seit seiner Geburt sitzt er im Rollstuhl, das Sprechen fällt ihm schwer. Jetzt will Alijaj nach Bern. «Durch meine Behinderungen benötige ich mehr Mittel, um einen Wahlkampf auf Augenhöhe führen zu können», sagt er. Vor allem wegen seiner Sprechbehinderung und den eingeschränkten motorischen Fähigkeiten brauche er ein Team von Assistentinnen und Assistenten, das ihn unterstützt. Zum Beispiel, um die Antworten für diesen SonntagsBlick-Artikel abzutippen.
Alijaj: «Wenn wir als Gesellschaft ernsthaft wollen, dass sich auch Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt politisch engagieren können, müssen wir künftig Regelungen finden, wie diese Teilhabe auch in Wahlkämpfen sichergestellt werden kann.»
Es muss Grossspenden gegeben haben
Aus den bisher offengelegten Daten lassen sich noch keine definitiven Schlüsse ziehen. Tendenzen sind aber bereits erkennbar: Bisherige Nationalrätinnen und Nationalräte geben für ihren Wahlkampf durchschnittlich mehrere Zehntausend Franken aus, Bürgerliche in der Regel deutlich mehr als Linke. Ein Grossteil der Budgets setzt sich aus Spenden zusammen, hinzu kommen Gelder aus dem eigenen Sack und von der Partei. Nicht mit eingerechnet hat SonntagsBlick Nationalräte, die im Herbst gleichzeitig für den Ständerat kandidieren. Sie geben deutlich mehr aus.
Die Höhe der Budgets deckt sich in etwa mit den Ergebnissen einer Studie der Universität Lausanne. Politologe Georg Lutz hat die Wahlkampfkosten für 2019 erhoben. Das Ergebnis damals: Gewählte investierten im Schnitt rund 53'000 Franken. Vor allem die bereits amtierenden konnten viel Geld generieren, da sie bereits enge Kontakte zu Interessengruppen geknüpft hatten.
Was auffällt: Bis jetzt deklarieren nur wenige Kandidierende Grossspenden von über 15'000 Franken. Unter ihnen ist etwa SVP-Nationalrat Lars Guggisberg (46, BE), der 30'000 Franken vom Touring Club (TCS) und 20'000 von der Raiffeisenbank erhielt. Oder FDP-Kantonsrätin Bettina Ballmer (47, ZH), die von der Ärztegesellschaft Zürich mit 50'000 Franken unterstützt wird.
Könnte es sein, dass Kandidierende versuchen, die Herkunft von grösseren Geldsummen zu verschleiern? Oder so zu stückeln, dass sie nicht angegeben werden müssen? Für Politologe Lutz ist es denkbar: «Das ist zumindest in Einzelfällen möglich.» Bisher sehe es danach aus, dass fast alle Budgets durch Kleinspenden ermöglicht wurden. «Das ist rein logisch kaum möglich.» Angesichts der Summen, die in einem solchen Wahlkampf im Spiel sind, muss es laut Lutz diverse Grossspenden geben.
Dass die Kandidierenden aber systematisch versuchen, das System zu umgehen, glaubt der Politologe nicht. «Das Reputationsrisiko ist zu gross.»
Die Finanzkontrolle überprüft die gemeldeten Daten stichprobenweise. Bei Unstimmigkeiten kann sie Strafanzeige erstatten.