Der Chef der Privatbank Vontobel, Zeno Staub (54), hört im April 2024 als CEO auf – und wechselt in den Verwaltungsrat der Bank. Zurzeit ist er in eigener Sache unterwegs und betreibt Wahlkampf für sich selbst: Der Zürcher Banker will Nationalrat für die Mitte werden.
Herr Staub, wie viel verdienen Sie als Vontobel-CEO pro Jahr?
Zeno Staub: Im Geschäftsbericht 2022 sind 2,4 Millionen Franken ausgewiesen.
Warum wollen Sie dann lieber Nationalrat werden?
Ich glaube ans Milizsystem. Ich bin überzeugt: Das macht die Schweiz freier, erfüllender und besser als andere Länder. Dazu möchte ich einen Beitrag leisten.
Hinterlassen Sie bei Vontobel einen Scherbenhaufen?
Nein. Vontobel hat über die letzten zehn Jahre deutlich mehr Kunden gewonnen. Das ist der qualitative Wachstumsbeweis. Wir haben eine starke Marke und eine starke Marktposition.
Zeno Staub (54) stammt aus der Ostschweiz und lebt seit 25 Jahren in Zürich. Der promovierte HSG-Ökonom ist seit 2001 für Vontobel tätig, seit 2011 als CEO. Er ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Töchtern.
Zeno Staub (54) stammt aus der Ostschweiz und lebt seit 25 Jahren in Zürich. Der promovierte HSG-Ökonom ist seit 2001 für Vontobel tätig, seit 2011 als CEO. Er ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Töchtern.
Die jüngsten Quartalszahlen sprechen eine andere Sprache.
Wenn Sie kurzfristig Gewinndellen haben, die man auch erklären kann, muss man das aushalten. Wir haben einen stabilen Mehrheitsaktionär, der langfristig denkt.
Sprechen wir über die neue Megabank UBS. Hätten Sie eine andere Lösung favorisiert?
Es bringt nichts, im Nachhinein den Klügeren zu geben. Die Lösung hat Stabilität gebracht.
Finden alle Banker der neuen UBS, welche die Bank verlassen müssen, einen Job?
Ich musste selber schon Mitarbeitenden mitteilen, dass man sich trennen muss. Das ist für beide Seiten nie einfach. Es geht immer um Menschen und nicht einfach um Arbeitskräfte. Aber schmerzhafte Entscheidungen müssen getroffen werden, wenn eine Integration in der Grössenordnung der CS gelingen soll – und sie muss gelin- gen. Glücklicherweise haben wir in der Schweiz einen Arbeitsmarkt, der sehr flexibel und damit aufnahmefähig ist.
Was muss die Schweiz aus der Credit-Suisse-Krise lernen?
Es braucht die Arbeit der Expertenkommission des Eidgenössischen Finanzdepartements und der Parlamentarischen Untersuchungskommission. Wir müssen verstehen, wie es zur Situation im März gekommen ist.
Was fordern Sie?
Keine schnellen Antworten, die nur Handeln vortäuschen, aber in der Sache nichts bringen. Wir brauchen richtige Antworten, damit allfällige Fehler nicht noch einmal gemacht werden. Zwei Themen sind aber heute schon klar.
Welche?
Wir müssen überdenken, wie die Liquiditätsversorgung von Banken im digitalen Zeitalter in einer Krise funktioniert. Die Regeln, die wir haben, basieren auf einem veralteten Prinzip: Man geht zum Schalter und will Geld abholen. Heute sprechen wir von einem digitalen Bankensturm. Dabei geht es auch um die Frage: Was ist das Rollenverständnis der Nationalbank als Kreditgeberin? Und wir müssen verstehen, warum die «Too big to fail»-Regelung, die mit grossem Aufwand geschaffen worden ist, nicht funktioniert hat.
Sie sitzen im Verwaltungsrat der Bankiervereinigung. War Ihre Lobby-Arbeit zu gut – und die Finanzmarktaufsicht blieb ein zahnloser Tiger?
Die Finma ist kein zahnloser Tiger. Die Credit Suisse ist zwar Geschichte, aber eine internationale Finanzkrise wurde verhindert. Die Bankiervereinigung unterstützt den Aufarbeitungsprozess der Expertenkommission und der PUK. Und als CEO einer Bank sage ich: Wir Banken müssen selbstkritischer werden.
In welche Abgründe haben Sie am Zürcher Paradeplatz geschaut?
Am Schluss geht es um Menschen. Und Menschen sind sehr emotionale Wesen. Es geht um Angst, Gier, übertriebenen Willen zur Macht.
Trotz Misswirtschaft haben sich die CS-Banker fette Boni genehmigt. Empört Sie das?
Es liegt in der Kompetenz der Aktionäre, die Vergütung festzulegen. Meine Meinung ist klar: Die Leistung eines Managers ist nur über sehr lange Sicht wirklich messbar. Über drei Jahre kann jeder Glück oder Pech haben. Erst ab dem Zeitraum von rund zehn Jahren erkennen Sie, ob jemand zur Wertsteigerung des Unternehmens, zum Wohlergehen der Mitarbeitenden und der Gesellschaft einen Beitrag geleistet hat.
Mitte-Präsident Gerhard Pfister fordert eine Eigenkapitalquote von 20 Prozent.
Sie werden von mir keine Zahl hören. Es ist nachvollziehbar, dass die Frage der Eigenkapitalquote gestellt wird. Wir müssen aber auch darüber sprechen, was mehr Eigenmittel für die Kosten von Hypotheken und KMU-Krediten bedeuten. Ich bin zudem dafür, darüber nachzudenken, die Zürcher Kantonalbank und die Postfinance zu privatisieren oder teilzuprivatisieren, um wieder neue grosse privatwirtschaftliche Banken entstehen zu lassen. Dies würde den Wettbewerb weiter beleben, wieder neue Arbeitsplätze und Wachstumschancen schaffen.
Welches politische Thema liegt Ihnen besonders am Herzen?
Die Bildungspolitik! Ich bin politisch in der Mitte, weil ich selbst davon profitieren konnte, dass öffentliche Bildung gratis ist. Es braucht Umverteilung gerade für die Sicherstellung einer öffentlichen Bildung auf Weltklasseniveau, damit alle dieselben Chancen haben. Mein Vater war Abwart einer Schule. Ich wäre nicht CEO einer Bank geworden, wenn Bildung nicht gratis gewesen wäre.
Ein Paradeplatz-Klischee lautet, dass Banker ihre Kinder gerne an Privatschulen schicken.
Die bestmögliche Bildung soll an öffentlichen Schulen sein und gratis. Dafür müssen wir alles tun.
Es herrscht Lehrermangel an Primarschulen. Was muss sich ändern?
Lehrer verdienen mehr Wertschätzung und mehr Respekt. Eltern sollten verstehen, dass sie ihre Kinder erziehen und nicht die Lehrer.
Was soll aus den 96 Schweizer Leopard-1-Panzern werden, die in Norditalien vor sich hinrosten?
Zu einer zeitgemässen Form von Neutralität und einer selbstbewussten Schweiz würde meines Erachtens passen, dass wir partnerschaftlich verbundenen Staaten mit demokratisch legitimierten Regierungen keine Steine in den Weg legen, ihr Recht auf Selbstbestimmung zu verteidigen.