Vor allem mit sich selber beschäftigt
Nachrichtendienst bereitet Kantonen Sorge

Ausgerechnet in Kriegszeiten wird der Nachrichtendienst des Bundes total umgekrempelt, was viele Ressourcen verschlingt und zu Unzufriedenheit führt. Nun schlagen die Kantone Alarm.
Publiziert: 22.02.2024 um 09:01 Uhr
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Aktualisiert: 22.02.2024 um 09:06 Uhr
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Im Auftrag von Bundesrätin Viola Amherd wird der Nachrichtendienst neu organisiert. Das bindet Ressourcen und schafft Unsicherheiten. Es kam zu aussergewöhnlich vielen Kündigungen.
Foto: keystone-sda.ch

Verteidigungsministerin Viola Amherd (61) hat es derzeit nicht leicht. Erst muss sie sich mit Diskussionen um ein Finanzloch bei der Armee herumschlagen, verpasst deswegen sogar die wichtige Sicherheitskonferenz in München. Dann sorgt der Untersuchungsbericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle zum Panzer-Puff bei der Ruag für Ärger. Und nun bereitet auch noch der Nachrichtendienst (NDB) neue Sorgen.

Das Problem ist selbstverschuldet. Amherd konnte sich nie mit NDB-Chef Philippe Gaudin (61) anfreunden und ersetzte ihn mit Christian Dussey (59), der nun im Auftrag Amherds den Nachrichtendienst komplett umkrempelt. Kaderangestellte mussten sich neu auf ihren Job bewerben. Mittlerweile sei kaum mehr ein Mitarbeiter auf seiner angestammten Stelle, mit entsprechender Einarbeitungszeit. Das schafft Unsicherheit. Es kam zu aussergewöhnlich vielen Kündigungen. Unter den Verbliebenen ist die Unzufriedenheit gross.

Sogar dringliche Geschäfte blieben lange liegen

Nun schlagen auch die Kantone Alarm, wie die «NZZ» berichtet. Sie arbeiten eng mit dem Nachrichtendienst zusammen, was derzeit nicht ganz einfach sei. So läuft die Verbindung zu Partnerdiensten im Ausland jeweils über den NDB. Auch könnten die Kantone nicht selber Überwachungsmassnahmen einleiten. Doch seit dem Start zur Neuorganisation des NDB vor bald zwei Jahren klappe der Austausch immer weniger. 

Der NDB sei zu einem «Flaschenhals» geworden, wird ein hochrangiger Kantonspolizist zitiert. Sogar dringliche Geschäfte blieben «ungebührlich lange» liegen. Durch die vielen Abgänge seien die gewohnten Ansprechpersonen oft nicht mehr im Amt, und die neuen müssten sich erst einarbeiten. Und das dauert. Umso schwerwiegender seien die vielen Abgänge, verbunden mit einem grossen Verlust an nachrichtendienstlichem Know-how.

Nachrichtendienst erkennt keine Probleme

Gegenüber der «NZZ» wehrt sich der NDB gegen solche Vorwürfe: Zwar habe der «tiefgründige Umbau» zu Problemen geführt, auch im Austausch mit den Kantonen. Doch trotz der Transformation habe der NDB seine präventiven Leistungen zur Verhinderung konkreter Bedrohungen jederzeit sichergestellt.

Aus den Kantonen dagegen sei zu hören, es sei keine gute Idee gewesen, einen Nachrichtendienst bei laufendem Betrieb total umzukrempeln. Das gehe auf Kosten des Tagesgeschäfts, was grosse Sorgen bereite: «Inzwischen ist der NDB mehr mit sich selbst beschäftigt als mit operativen Aufgaben.» Das schaffe Lücken im Tagesgeschäft.

Parlament will es genau wissen

Vom NDB werde man seit Monaten vertröstet: Bis im Frühling sei man wieder à jour. Doch damit wollen sich die Kantone nicht zufriedengeben. Die Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten (KKPKS) will NDB-Direktor Dussey an einer Sitzung mit den Beanstandungen der Kantone konfrontieren und von ihm konkrete Lösungsvorschläge einfordern. Der NDB wiederum verweise auf eine Umfrage, die Mitte Januar bei den Kantonen gemacht worden sei. Diese sei durchaus zufriedenstellend ausgefallen.

Mittlerweile sei aber auch die Geschäftsprüfungsdelegation des Parlaments (GPDel) hellhörig geworden. Die oberste politische Aufsichtsbehörde des NDB wolle kommende Woche alle Verantwortlichen anhören – und herausfinden, was los ist. Schliesslich findet die Neuorganisation ausgerechnet in geopolitisch höchst unsicheren Zeiten statt. Ein funktionierender Geheimdienst wäre da unabdingbar für die Sicherheit des Landes. (dba)

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