Berner Polizeidirektor stellt brisante Forderung im Kampf gegen Fussballfan-Gewalt
Geheimdienst soll Hooligans belauschen

Reto Nause, neu gewählter Mitte-Nationalrat und Stadtberner Polizeidirektor, will der Fangewalt mithilfe des Nachrichtendienstes zu Leibe rücken. Eine brisante Forderung.
Publiziert: 03.01.2024 um 08:04 Uhr
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Aktualisiert: 03.01.2024 um 15:26 Uhr
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Im Vorfeld des Champions-League-Spiels zwischen YB und Roter Stern Belgrad im November waren italienische Hooligans nach Bern gereist.
Foto: keystone-sda.ch

Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) darf heute Verdächtige belauschen, wenn es um Terror, Atomwaffenproliferation oder Bedrohung kritischer Infrastrukturen geht. Dem Berner Polizeidirektor Reto Nause (52) ist das nicht genug. Er will die Kompetenzen des Geheimdienstes auf den Kampf gegen Gewalt-Extremisten ausweiten. Konkret soll der NDB auch Fussball-Hooligans verwanzen und abhören dürfen. Das berichtet CH Media

«Wir haben es hier mit gewalttätigem Extremismus zu tun», sagt Nause dem Medium und verweist auf das Champions-League-Spiel der Berner Young Boys gegen Roter Stern Belgrad von Ende November. Im Vorfeld des Matches waren militante Anhänger der AS Roma in die Schweiz gereist, um mit ebenfalls angereisten serbischen Ultras abzurechnen. Die Berner Behörden hätten davon damals nur dank italienischen Kollegen erfahren. «In der Schweiz aber haben wir keine Möglichkeit, solche Gruppen präventiv zu überwachen.»

Gegenüber Blick sagt Nause: Bei der radikalisierten Fussballszene handle es sich um «wenige Personen», die ihm Sorge bereiteten. Das seien etwa Rädelsführer in Basel oder der Zürcher Südkurve. «Hätten wir bessere Ansätze bei den Ermittlungen, wüssten wir besser, was die aushecken.» Seit der Fichenaffäre habe die Schweiz die präventiven Massnahmen für die Ermittlungsbehörden auf «gegen null gesenkt», so Nause. Das sei angesichts der wachsenden Zahl extremistischer Gruppen nicht mehr angemessen.

Nause verlangt, dass der NDB künftig auch «gewalttätig-extremistische Gruppierungen mit genehmigungspflichtigen Beschaffungsmassnahmen überwachen» darf. Mit Methoden wie Post-und Telefonüberwachung, Einsatz von Trojanern und Wanzen, Eindringen in Computersysteme. Ein Richter müsste diese Überwachung allerdings in jedem Fall anordnen. 

Brisante Forderung

Die Forderung ist brisant und wurde schon mehrmals abgelehnt. Bei politisch-ideologischen Bewegungen sei Zurückhaltung angesagt, fand das Parlament jeweils. Für Nause hingegen ist klar: «Die jüngere Vergangenheit hat klar aufgezeigt, dass gewalttätig-extremistische Gruppierungen am Wachsen sind. Um ihre Aktivitäten zu überwachen, muss sich der Nachrichtendienst heute weitgehend auf öffentlich zugängliche Quellen stützen. Damit klafft eine grosse Lücke im System der inneren Sicherheit.»

Doch nicht nur Hooligans will Nause vom NDB überwachen lassen. Im Auge hat er auch regimetreue Eritreer, die ihr Gastrecht in der Schweiz missbrauchen, indem sie regimekritische Landsleute unter Druck setzen. Erst im September war im deutschen Stuttgart ein Streit zwischen Eritreern eskaliert, 63 der Angreifer kamen aus der Schweiz, es gab mehrere Verletzte.

«Schweiz ist praktisch blind»

Hooligans, regimetreue Eritreer, Rechtsextreme, Linksextreme, organisierte Kriminelle: Die Schweiz sei heute «praktisch blind», während die Bedrohung «exponentiell angewachsen ist».

Zwar gehöre die Prävention zu den Aufgaben des NDB, räumt die grüne Sicherheitspolitikerin Marionna Schlatter (43) ein. Allerdings wären eine klare Umschreibung des Auftrags und eine genaue Kontrolle nötig. Ein unklarer Auftrag könne dazu führen, «dass der NDB nur weiter Daten anhäuft, die er nicht sauber bearbeiten und gegebenenfalls löschen kann». Zudem nehme Nause mit seiner Forderung einen Teil der laufenden Revision des Nachrichtendienstgesetzes vorweg, noch bevor die zweite angekündigte Vernehmlassung abgeschlossen ist.

Dank den Hinweisen aus Italien konnte sich die Berner Polizei auf die italienischen Ultras im November vorbereiten und war mit einem Grossaufgebot präsent. Der Überraschungseffekt war dahin, was die Römer Hooligans offenbar veranlasste, ihre Pläne zu ändern. (sf)

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