Altpapier, das
Die Werbeprospekte der Kandidaten stapeln sich höher als die Wahlversprechen der Parteien. So halten die Politiker zwar die Druckmaschinen am Laufen, aber auch die Altpapiersammlung auf Trab. Kann denen mal jemand sagen, dass wir in einer digitalen Ära leben?
Busse, die
Schaffhausen ist der einzige Kanton, der Abstimmungsmuffel bestraft. Pro verpassten Urnengang werden sechs Franken fällig. Wohl deshalb gehen mehr Stimmberechtigte an die Urne als im Rest der Schweiz. Bei den Wahlen 2019 waren es 60 Prozent. Der Landesdurchschnitt lag bei nur 45,1 Prozent.
Couvert, das
Wählen braucht Nerven. Egal, wie man Finger und Daumen auf dem Couvert platziert – die wiederverschliessbare Lasche bleibt beim Aufreissen nie ganz. Dann heisst es fluchen, Wahlzettel ausfüllen und basteln: Sorgfältig den Klebestreifen und die verbleibenden Fötzel zusammenfügen. Ist das Couvert zu, ist die Freude gross. Bis man den Umschlag umdreht und merkt, dass die eigene Adresse im Adressfenster prangt. Dann wieder fluchen.
Doppelter Pukelsheim, der
Mit dem Verfahren sorgen immer mehr Kantone dafür, dass die Sitzverteilung nach den Wahlen so fair wie möglich ist. Erfunden hat es der Mathematiker Friedrich Pukelsheim, es ist irrsinnig kompliziert. Ganz kurz: Es stellt sicher, dass vom Geburtstagskuchen auch die kleinen (Parteien) ein Stück abbekommen.
Ersatzkandidat und -kandidatin, der/die
Ersatzkandidaten bei Wahlen sind wie Einwechselspieler im Fussball. Sie sitzen auf der Bank, bis einem Gewählten die Puste ausgeht oder er «Kä Luscht» mehr hat. Der Unterschied zum Fussball: In der Politik kommt dann derjenige ins Spiel, der am zweitmeisten Stimmen gemacht hat, nicht unbedingt der zweitbeste.
Finanzen, die
Manch ein Politiker oder eine Politikerin greift tief in die Tasche, um einen Sitz im Parlament zu ergattern. Wie tief, müssen sie dieses Jahr erstmals offenlegen. Jedenfalls, wenn sie mehr als 50'000 Franken in die Hand nehmen. Dank des neuen Transparenzgesetzes wissen wir: Einige lassen für den Wahlkampf über eine Viertelmillion Franken springen.
Give-aways, die
Überall verteilen Politiker Wahlgeschenke, sogenannte Give-aways: Schoggi, Nastücher (wegen der himmeltraurigen Politik?) und sogar Schneidbretter aus Holz. Die Symbolik ist nicht immer ganz klar. Zumal von der Politik statt Holzbrettern eher Nägel mit Köpfen gefragt wären.
Hochrechnung, die
Wer nicht das Endergebnis am Abend abwarten kann, stürzt sich schon mal auf die Hochrechnungen am Nachmittag. Sie basieren auf Statistik und Wählerverhalten, um vorzeitig zu erraten, wer gewinnt. Wie Kaffeesatzlesen, aber mit Zahlen.
Interview, das
Möglichst ungefiltert die Werbetrommel für sich rühren. Das möchte jeder Politiker, jede Politikerin in den acht Wochen vor den Wahlen. Nach dem Urnengang ist die Lust darauf schlagartig verschwunden. Jedenfalls bei denen, die verloren haben.
Jungwähler, die
Sie sind eine rare Spezies: 2019 hat gerade einmal ein Drittel der 18- bis 24-Jährigen Stimmberechtigen gewählt. Bei den Senioren zwischen 65 und 75 waren es rund zwei Drittel. Zweiteres ist vorbildlich, ersteres schade. Schliesslich betreffen die politischen Entscheide die Jungen am längsten.
Kumulieren, das
Du hast noch immer nicht gewählt? Dann aber hurtig! Nimm die Wahlliste der Partei deines Vertrauens. Du kannst die Liste abändern und einen Namen streichen. Wenn du dafür den Namen eines Kandidaten, der schon auf der Liste steht, nochmals hinschreibst, nennt man das Kumulieren. Er erhält dann zwei Stimmen. Achtung: Ein Name darf nicht mehr als zweimal auf der Liste stehen.
Listenverbindungen, die
Parteien können ihre Listen verbinden und so die Chancen auf Sitzgewinne erhöhen. So weit, so gut. Wovon die Parteien aber immer häufiger Gebrauch machen, sind Unterlistenverbindungen. Gab es früher allenfalls zur normalen Liste noch eine Frauen- und eine Jungen-Liste, überbieten sich die Parteien heute mit x Unterlisten – KMU-Liste, Best-Agers-Liste, Zukunfts-Liste und Frankophil-Liste … die Möglichkeiten, die Wähler zu nerven, sind offenbar unbegrenzt.
Majorzwahlen, die
Die meisten Sitze im Nationalrat werden im Proporzverfahren verteilt, also analog zum Wähleranteil, den eine Partei erzielt hat. Anders die Majorzwahlen, die in wenigen Kantonen für den Nationalrat und fast immer für den Ständerat zum Zug kommen: Hier werden die Kandidierenden direkt gewählt – weshalb sie auch Personenwahl genannt werden.
Nichtwähler, die
Nichtwähler sind wie Leute, die vor einem riesigen Buffet stehen, sich aber weigern, zu essen. In politischen Begriffen handelt es sich um Menschen, die das Recht haben zu wählen, dies aber aus verschiedenen Gründen nicht tun. Dann aber bitte nicht reklamieren, dass «in Bern oben» die Falschen sitzen.
Ochsentour, die
Der Marathonlauf der Politik, der mühsame Prozess, bei dem Politiker sich Stufe um Stufe in höhere politische Ämter hinaufarbeiten. Es ist die Königsdisziplin des politischen Ausdauertrainings. Wer die erfolgreich absolviert hat, ist wirklich gestählt.
Panaschieren, das
→ Kumulieren haben wir oben schon gelernt. Panaschieren gibts auch noch. Das ist einfacher, kann man doch ans Panaché denken: Auf einer Wahlliste kannst du Kandidatennamen durchstreichen, die dir nicht passen, und durch Personen anderer Parteien ersetzen. Dann bekommen diese auch eine Stimme. Aber nochmals: Ein Name darf nicht mehr als zweimal auf der Liste stehen. Sonst ist der Wahlzettel ungültig.
Quittung, die
Wo wir grad beim Panaché sind: Die Rechnung kommt in jedem Fall – in der Beiz oder in der Politik. Da drücken Bürgerinnen und Bürger ihre Unzufriedenheit durch ein schlechtes Resultat oder gar eine Abwahl aus. Es ist wie beim Bewertungssystem in einem Restaurant, nur dass hier keine Sterne, sondern politische Karrieren auf dem Spiel stehen.
Restmandate, die
Bei Proporzwahlen stimmen Wählende vorab für eine Partei, erst dann für bestimmte Personen. Die zu verteilenden Sitze werden proportional zum Wahlresultat der Parteien vergeben. Es kann bei der Verteilung aber passieren, dass Sitze unbesetzt bleiben, weil keine der Parteien mehr die nötige Stimmenanzahl übrig hat. Dann schlägt die grosse Stunde der → Listenverbindungen. Diese entscheiden darüber, wer die Restmandate bekommt.
Stimmenzählerinnen und Stimmenzähler, die
Sie sind dieses Jahr akut burnoutgefährdet: die Stimmenzählerinnen und Stimmenzähler, die am Sonntag (und in den Städten sogar schon am Samstag) arbeiten müssen. Die Zahl der Listen und Kandidaturen erreicht 2023 einen Höchststand. 5909 Personen auf 618 Listen wollen ins Parlament. All diese Listen zu zählen, ist ein Knochenjob. Stimmenzähler mögen übrigens jene Wählerinnen am liebsten, die weder → Kumulieren noch → Panaschieren, sondern eine vorgedruckte Liste unverändert einwerfen.
Tinder, das
Findige Politikerinnen und Politiker, vor allem aus dem linken Spektrum, haben eine neue Taktik entdeckt: die Dating-App Tinder. Mit Slogans wie «Swipe rechts für eine bessere Zukunft» versuchen sie, nicht nur Herzen, sondern Wähler zu gewinnen. Man kann dies durchaus als Beitrag zur politischen Bildung lesen. Vielleicht diskutieren Singles in naher Zukunft beim Candle-Light-Dinner statt über Hobbys über die aktuelle Bildungspolitik?
Urne, die
Sodom und Gomorra! In der besten Demokratie der Welt und der sonst so strikten Schweiz, wo sogar eine Busse riskiert, wer mit dem Pneu ausserhalb des Parkfelds steht, sind ausgerechnet Wahlurnen nicht reglementiert! Zwar können die Kantone den Gemeinden Vorgaben machen, wie die Urne auszusehen hat, doch das tun sie nur zurückhaltend. Der Kanton Bern schreibt vor, dass die Urnen plombiert und mit «deutlichen Aufschriften» versehen sein müssen. In Grösse, Form und Farbe sind die Gemeinden aber frei.
Video, das
Wie soll man nur all die Leute davon überzeugen, einen zu wählen? Natürlich mit einem eigenen Video! Zu diesem Schluss kommen Politiker sämtlicher Couleur seit Jahren. Da tänzelt dann der Parteipräsident und stolpert die Kandidatin, dass es einem die Schamesröte ins Gesicht treibt. Liebe Politiker, nein, es muss nicht zwingend jeder und jede ein eigenes Video oder einen eigenen Podcast machen. Es entscheidet ohnehin kaum über Wahl oder Nichtwahl.
Wahlbarometer, das
Ein Wahlbarometer misst mit Umfragen die politische Stimmung im Land, um aktuelle Präferenzen und Trends der Wähler zu erfassen. Diese Art politischer Wetterbericht wird von den Parteizentralen ebenso herbeigesehnt wie gefürchtet – je nachdem, ob für sie gerade eitel Sonnenschein herrscht oder Gewitterwolken aufziehen.
X (vormals Twitter)
Unter den sozialen Medien ist noch immer X (vormals Twitter) Platzhirsch bei den Politikern. Dort jonglieren sie mit Tweets, immer Gefahr laufend, in die Shitstorm-Falle zu tappen. Da ist es auf Instagram gemütlicher – und es gibt auch nicht so viele Hasskommentare. Wenn X-Chef Elon Musk so weitermacht, findet der Wahlkampf 2027 komplett auf Insta statt. Oder vielleicht auf → Tinder?
Y-Chromosom, das
Die meisten unserer Parlamentarier haben ein Y-Chromosom, sind also Männer. Gerade im Ständerat ist der Frauenanteil mit 28 Prozent tief, im Nationalrat sind es 42 Prozent. Die überparteiliche Organisation «Helvetia ruft!» hat sich zum Ziel gesetzt, die Frauenanteile zu steigern. Mal schauen, ob Helvetia auch hört.
Zebraliste, die
Es mag zwar den ein oder anderen Exoten unter den Kandidierenden geben – zur Wahl stehen aber nach wie vor nur Zweibeiner. Die Bezeichnung Zebraliste bezieht sich auf die Streifen. Wie sich beim Zebra Schwarz und Weiss abwechseln, wechseln sich auf Zebralisten Frauen und Männer – oder auch Bisherige und Neue – ab. So versuchen Parteien, die Listenplätze möglichst gerecht zu verteilen.