So wählst du richtig
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Überfordert mit Unterlagen?So wählst du richtig

Am Sonntag geht es an die Urne
Das musst du zu den Wahlen 2023 wissen

Am 22. Oktober wählt die Schweiz ein neues Parlament. Doch wie geht das eigentlich? Und wer darf überhaupt wählen? Blick erklärt die wichtigsten Fragen zu den Wahlen 2023.
Publiziert: 20.10.2023 um 14:31 Uhr
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Aktualisiert: 20.10.2023 um 14:54 Uhr
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Tausende wollen, nur 246 National- und Ständeräte schaffen die Wahl ins Bundeshaus.
Foto: Keystone

Was wird am 22. Oktober gewählt?

Die Mitglieder des eidgenössischen Parlaments – das heisst 200 Nationalräte (Volksvertreter) und 46 Ständeräte (Kantonsvertreter). Eigentlich sind es nur 44 Ständeräte: Appenzell Innerrhoden wählte seinen Ständerat bereits im April des Wahljahrs an der Landsgemeinde – und das ist weiterhin Mitte-Politiker Daniel Fässler (63). In den Kantonen Obwalden steht der Sieger auch schon fest: Erich Ettlin (61) wurde in stiller Wahl im Amt bestätigt – es gab schlicht keinen Gegenkandidaten.

Wer darf überhaupt wählen?

Bei den Wahlen auf Bundesebene ist grundsätzlich jeder Schweizer oder jede Schweizerin wahlberechtigt, die oder der mindestens 18 Jahre alt ist – sofern die Person nicht wegen dauernder Urteilsunfähigkeit unter umfassender Beistandschaft steht. Um zum ersten Mal abzustimmen oder zu wählen, bedarf es keiner Registrierung. Wahlberechtigte werden von Amtes wegen im Stimmregister der Wohngemeinde eingetragen.

Dürfen Auslandschweizer auch wählen?

Ja, Schweizerinnen und Schweizer, die sich im Ausland niedergelassen haben, sogenannte Auslandschweizer, haben die Möglichkeit an eidgenössischen Wahlen teilzunehmen. Sie müssen sich dafür bei der zuständigen Schweizer Vertretung im Ausland anmelden und im Stimmregister ihrer letzten Wohngemeinde oder der Heimatgemeinde (falls sie nie in der Schweiz lebten) registrieren.

Kann man zum Wählen gezwungen werden?

Nein. Nur in einem Kanton besteht eine Stimm- und Wahlpflicht: Schaffhausen. Wer der Urne fernbleibt, wird mit sechs Franken gebüsst.

Brauche ich einen Ausweis, um an die Urne gehen zu können?

Nein, jeder Stimmberechtigte erhält von Amtes wegen die Stimmrechts-Unterlagen per Post zugesandt und wird im Wahlregister des Wohnortes vermerkt. Die Wahlabgabe kann dann per Post (dafür ist es jetzt allerdings schon zu spät) oder am Wahltag an der Urne erfolgen.

Gibt es E-Voting für die Nationalratswahl?

Ja! Bestimmte Stimmberechtigte in den Kantonen Basel-Stadt, St. Gallen und Thurgau können elektronisch wählen und damit Erfahrungen mit dem von der Post entwickelten System gewinnen. Basel-Stadt will E-Voting Auslandschweizerinnen und -schweizern sowie Personen mit Behinderung zur Verfügung stellen. Im St. Gallen wollen die Behörden das E-Voting für Stimmberechtigte im Ausland sowie in den Gemeinden Kirchberg, Widnau, Goldach, Vilters-Wangs und Rapperswil-Jona zur Verfügung stellen. Im Thurgau können nur Auslandschweizer elektronisch wählen.

Wer organisiert die Wahlen eigentlich?

Für die Wahlen zuständig sind die Kantone und die Gemeinden. Die Bundeskanzlei informiert über die geltenden Regeln und kontrolliert, dass niemand auf verschiedenen Wahllisten doppelt kandidiert.

Doch die Regeln sind – wie vieles in der Schweiz – von Kanton zu Kanton unterschiedlich. So bestimmen in den Kantonen mit mehr als einem Nationalratssitz die Parteien oder sonstige Gruppen Wahllisten mit Kandidaten. Gewählt werden können dann nur Kandidaten, die auf der Wahlliste stehen.

Anders ist es in Kantonen mit nur einem Sitz in der grossen Parlamentskammer. In Obwalden und Nidwalden können nur Personen gewählt werden, die effektiv auf den Wahlzetteln der Parteien stehen. In Uri, Glarus, Appenzell Innerrhoden und Appenzell Ausserrhoden kann jeder Stimmberechtigte gewählt werden. Diese Kantone kennen kein zwingendes Anmeldeverfahren.

Wie wird bestimmt, wer wie viele Sitze bekommt?

Im Nationalrat hängt die Anzahl Sitze, die einem Kanton zustehen, von dessen Bevölkerungsgrösse ab. Daher kommt es immer wieder zu Verschiebungen. Auf den Herbst 2019 zum Beispiel verloren die wenig wachsenden Kantone Bern und Luzern je einen Sitz, Genf und Waadt gewannen je einen, weil ihre Wohnbevölkerung am stärksten gewachsen ist. 2023 muss Basel-Stadt einen Sitz an Zürich abtreten.

Im Ständerat ist es anders. Hier hat jeder Kanton zwei Sitze zugute. Ausnahmen sind die Halbkantone: Basel-Stadt/Basel-Land, die beiden Appenzell sowie Ob- und Nidwalden. Sie dürfen nur je einen Sitz im Stöckli belegen.

Welche Parteien kann man wählen?

Bei der Bundeskanzlei sind insgesamt 14 Parteien registriert. Allerdings werden ja nicht Parteien gewählt, sondern Personen, die sich auch zu Listen zusammenfinden können. Ein Beispiel dafür ist die Corona-Massnahmen-Kritiker-Bewegung Mass-Voll. Um an den Wahlen teilnehmen zu können, musste Mass-Voll aber Unterstützer für ihre Listen finden.

Wie genau wählt man eigentlich?

Einige Parteien – zum Beispiel die SP – treten mit mehreren Listen an. Klassisch sind die Männer-Liste, die Frauen-Liste und eine Junge Liste. Auf diesen Listen stehen die Kandidaten. Man kann die Liste, die einem gefällt, nun einfach in das kleinere Couvert stecken.

Oder man ändert eine Liste ab. So kann man die Namen von Kandidaten, die einem nicht passen, mit einem schwarzen oder blauen Kugelschreiber streichen. Oder man kann Namen ein zweites Mal draufschreiben – das nennt sich kumulieren. Bei Letzterem erhalten die Kandidaten dann sozusagen zwei Stimmen. Derselbe Namen darf aber höchsten zweimal auf einer Liste erscheinen.

Und was ist Panaschieren?

Eine andere Möglichkeit, die Liste zu ändern, ist das Panaschieren, also Mischen. So kann man etwa die GLP-Liste nehmen, aber Namen von Kandidaten aus anderen Parteien, die man mag, dazuschreiben – beispielsweise von der Mitte-Partei. Dann muss man jedoch die entsprechende Zahl an GLP-Kandidaten streichen. So kann man seine generelle Parteipräferenz zum Ausdruck bringen, aber dennoch auch andere Kandidaten wählen.

Die Wählenden können sogar die leere Liste nehmen und selbst Kandidaten von verschiedenen Listen hinschreiben. Sie tragen also die Kandidatennummern, die Vornamen, Namen und Wohnorte in die leere Liste ein. Und sie können wieder jemanden doppelt aufschreiben. Dabei dürfen sie aber nur maximal so viele Kandidaten aufschreiben, wie ihr Kanton Sitze hat. Weniger darf man jedoch aufschreiben und somit Linien leer lassen. Wenn zudem oben auf der selbst zusammengesetzten Wahlliste ein Listenname eingetragen wird, werden die leeren Linien dieser Liste zugerechnet – beispielsweise den Grünen.

Gekritzel auf den Listen, unvollständige Nummern und Namen oder das Wort «dito» statt der Wiederholung eines Kandidatennamens sind unzulässig.

Und wenn ich die Wahlliste ausgefüllt habe?

Die ausgefüllte Liste stecken die Wählenden dann – allenfalls zusammen mit jener für die Ständeratswahl – ins kleinere Couvert und kleben dieses zu. Dann muss man unbedingt den Stimmrechtsausweis im dafür vorgesehenen Feld unterschreiben – ausser im Kanton Basel-Stadt.

Das kleinere Couvert und der unterschriebene Stimmausweis werden dann zusammen ins wiederverwendete grössere Couvert gesteckt. Das grosse Couvert muss dann zugeklebt und je nach Kanton noch frankiert werden. – Und ab geht die Post.

Oder du gehst mit den ausgefüllten Wahlunterlagen am Sonntagmorgen, 22. Oktober 2023, persönlich an die Urne.

Was kann ich tun, wenn ich aus Versehen die falsche Partei gewählt habe?

Nichts. Wenn der Wahlzettel ausgefüllt und abgeschickt ist, gilt er. Immerhin: Die nächste Gelegenheit kommt in vier Jahren – so häufig finden die eidgenössischen Wahlen statt.

Was ist eigentlich dieses Proporzsystem?

Die meisten Kantone wählen nach dem Proporzverfahren. Das heisst: Die Sitze im Parlament werden möglichst genau nach dem Wähleranteil verteilt, den die Parteien an der Urne erzielen. Deshalb heisst die Proporz- auch Verhältniswahl. Zuerst wird also die Parteistärke pro Kanton ermittelt und die Sitze entsprechend auf die Parteien verteilt. Erst dann erhalten jene Politiker mit den meisten Stimmen einen Sitz. Beispiel: In einem Kanton, der 10 Sitze zu vergeben hat, bekommt die Partei X mit einem Wähleranteil von 20 Prozent zwei Mandate. Die beiden Politiker der Partei X mit den meisten Stimmen erhalten diese beiden Sitze.

Und wie funktioniert das Majorzverfahren?

Sechs kleine Kantone mit nur einem Nationalratssitz verwenden das Majorzverfahren. Es sind dies: Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden, Glarus, Nidwalden, Obwalden und Uri. Ebenso sind die Ständeratswahlen fast überall Mehrheitswahlen. Derjenige Politiker (und nicht die Partei), der am meisten Stimmen erhalten hat, ist gewählt. Sofern auch das absolute Mehr (siehe unten) erreicht wurde. Aufgrund dieser Hürde kommt es bei Ständeratswahlen mit vielen Kandidaten häufig zu zweiten Wahlgängen.

Was ist das absolute Mehr?

Es ist dann erreicht, wenn ein Politiker mindestens die Hälfte der abgegebenen, gültigen Stimmen plus eine Stimme erhalten hat. Bei zwei Kandidaten hat jener, der mehr Stimmen erhalten hat, automatisch das absolute Mehr erreicht. Je mehr Kandidaten, desto höher das absolute Mehr und desto schwieriger, dieses zu erreichen.

Und wann kann ich den Bundesrat wählen?

Der siebenköpfige Bundesrat wird nicht durch das Volk gewählt. Vielmehr wählt die sogenannte Vereinigte Bundesversammlung, also der National- und Ständerat, die Bundesräte. Die nächsten Bundesratswahlen finden am 13. Dezember statt. Wo nicht nur ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin für den abtretenden Alain Berset (51) gesucht wird, sondern sich auch alle anderen sechs Bundesräte der Wiederwahl stellen. Auch Bundeskanzler Walter Thurnherr (60) tritt nicht mehr an und muss ersetzt werden.

Was sind Fraktionen?

Für die Wählenden sind Fraktionen normalerweise nicht wichtig. Aber für die Kandidierenden: Wenn beispielsweise von den Mass-Voll-Kandidaten nicht mindestens fünf gewählt werden, können sie keine eigene Fraktion, also Gruppe, im Parlament bilden. Das heisst: Massvoll-Chef Nicolas Rimoldi (28), der am ehesten Chancen auf einen Sitz hat, müsste sich dann eine Fraktion suchen – oder allein politisieren. Dann aber kann er nicht Einsitz in eine Kommission nehmen.

Wichtig ist: In einer Fraktion können sich nicht nur Parlamentarier aus derselben Partei, sondern eben auch Gleichgesinnte zusammentun. Die Fraktionen beraten wichtige Geschäfte im Parlament vor und versuchen, sich auf einheitliche Positionen festzulegen. Vor allem aber erhalten sie vom Bund einen jährlichen Beitrag zur Deckung der Kosten ihrer Sekretariate. Der Beitrag setzt sich zusammen aus einem Grundbetrag von 144'500 Franken und zusätzlich 26'800 Franken pro Fraktionsmitglied.

Sind Listenverbindungen auch sowas wie Fraktionen?

Nein, aber die Listenverbindungen sind wiederum wichtig für die Wahlen. Denn in Kantonen, in denen nach dem Proporzverfahren gewählt wird, können die Parteien, ihre Listen miteinander verbinden, um die Chancen auf Sitzgewinne zu erhöhen. Denn bei der Verteilung der Sitze nach der Wahl werden die miteinander verbundenen Listen zunächst als eine einzige Liste behandelt, was die Chance auf zusätzliche Mandate erhöht. Anschliessend werden die Sitze nach den Proporzregeln auf die einzelnen Listen verteilt.

Gibt es nicht auch noch Unterlistenverbindungen?

Doch, damit können die in einer Listenverbindung zusammengeschlossenen Parteien die Aussicht auf einen Sitzgewinn noch weiter verbessern. Das ist dann aber hohe Wahlmathematik. Und nur die Verbundenden mit gleicher Bezeichnung dürften sich noch weiter zusammentun. Also beispielsweise die Partei X, die X-Frauen und die X-Jungen bilden mit der Partei Y und Y-Frauen eine Listenverbindung. Dann dürfen sich nur die X, X-Frauen und die X-Jungen zu einer Unterliste verbinden. Und die Partei Y und die Y-Frauen dürfen eine Unterliste machen. X mit Y geht aber nicht.

Fazit?

Man kann alles verkomplizieren, aber: Für die Wählenden ist eigentlich nur zentral, welche Kandidatinnen und Kandidaten sie als National- und Ständeräte im Bundeshaus sehen wollen. Diese Namen schreiben sie auf die Liste.

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