Viele Medikamente teurer statt günstiger – missglücktes Sparpaket ärgert Gesundheitspolitiker
«Das darf nicht sein!»

Die Politik versucht, die Kosten im Gesundheitswesen zu senken. Bei den Medikamentenpreisen aber zahlen viele Patienten künftig mehr. Das kommt im Parlament nicht gut an.
Publiziert: 18.05.2024 um 21:13 Uhr
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Aktualisiert: 19.05.2024 um 09:48 Uhr
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Am 1. Juli ändern sich die Medikamentenpreise. Dies, weil das Bundesamt für Gesundheit mit Apotheken, Ärzten, Spitälern und Kassen ein neues Modell für die Vertriebsmarge ausgehandelt hat.
Foto: Keystone

Das ist eine bittere Pille! Eigentlich will der Bund das stetige Kostenwachstum im Gesundheitswesen bremsen. Ab Juli gelten deshalb für den Verkauf von rezeptpflichtigen Medikamenten neue Vertriebsmargen. Auf günstige Medikamente wird die Marge erhöht, auf teure wird sie gesenkt. Während die Hersteller also gleich viel bekommen, sollen Ärzte, Apotheker und Spitäler animiert werden, mehr günstige Medikamente abzugeben. 

Das Problem: Gerade oft verschriebene Grundversorgungsmedikamente werden deutlich mehr kosten, wie Blick aufzeigte. Das betrifft zum Beispiel das Schmerzmittel Ibuprofen oder das bekannte Antirheumatikum Ponstan.

Ersparnisse bei Prämien auf Kosten von Versicherten

Bei Gesundheitspolitikern sorgt das für Stirnrunzeln. Laut dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) sind so zwar 60 Millionen Franken pro Jahr einzusparen. Das sind aber nur knapp 0,2 Prämienprozent. Ein Tropfen auf den heissen Stein. Und: Die Ersparnisse bei den Prämien gehen auf Kosten von uns Versicherten. Wegen der Franchise bezahlen Patientinnen und Patienten günstige Medikamente meist selbst. Teure Präparate dagegen übersteigen die Franchise oft – und werden von den Krankenkassen übernommen.

«Es ist zwar begrüssenswert, wenn Kosten auch bei den Medikamenten eingespart werden können», findet etwa SP-Nationalrätin Sarah Wyss (35). «Ich bin aber sehr enttäuscht, dass die Vertriebsmarge massiv davon profitiert. Das darf nicht sein!» Hier zeige sich einmal mehr, wie gross der Lobbyismus im Gesundheitswesen sei. «Leidtragend sind die Menschen, die nun noch mehr selbst bezahlen müssen.» Schon heute würden rund 60 Prozent der Gesundheitskosten von den Haushalten bezahlt, davon 17 Milliarden als Kostenbeteiligung wie selbstbezahlte Medikamente.

«Preiserhöhung wird wehtun»

Ausgehandelt wurde das Modell vom BAG mit dem Spitalverband H+, dem Apothekerverband Pharmasuisse, dem Krankenkassenverband Curafutura und der Ärztegesellschaft FMH. Das Amt spricht von einem Kompromiss. Immerhin würden rund zwei Drittel der betroffenen Arzneimittel günstiger, nur ein Drittel teurer.

Das stimmt zwar für die Anzahl Medikamente, nicht aber für jene verkaufter Packungen. Laut dem Verband Intergenerika werden knapp 56 Prozent der Medikamente teurer. Und das sind eben oft die, die wir selbst bezahlen. So würden Mehrkosten im dreistelligen Millionenbereich auf die Patienten verschoben.

«Diese Preiserhöhung wird wehtun und wurde bei den Partnerverhandlungen vermutlich zu wenig gewichtet», sagt Grünen-Nationalrätin Manuela Weichelt (56). Die Einsparungen von 60 Millionen Franken seien zwar zu begrüssen, das Modell brauche aber wohl Anpassungen – bei denen dann auch die Patientenorganisationen einbezogen werden.

Noch bevor also das neue Preismodell in Kraft tritt, wird es vom Parlament bereits wieder zerpflückt.

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