Steigende Kosten, steigende Prämien
Das sind die Rezepte der Parteien

Was tun gegen die steigenden Gesundheitskosten? Jede Partei hat ihre eigenen Patentrezepte. Blick stellt sie vor.
Publiziert: 30.04.2024 um 18:59 Uhr
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Aktualisiert: 03.05.2024 um 10:37 Uhr
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Abschaffung der obligatorischen Krankenversicherung: SVP-Regierungsrätin Natalie Rickli machte vor knapp einem Jahr mit dieser Forderung Schlagzeilen.
Foto: KEYSTONE/Walter Bieri

Es war ein Vorschlag mit Sprengpotenzial. «Meiner Meinung nach sollte eine Abschaffung der obligatorischen Krankenversicherung in Betracht gezogen werden», sagte die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (46) vergangenen August in der «SonntagsZeitung». Kurz vor dem Prämienschock im September riss die SVP-Politikerin damit eine Debatte über Rezepte gegen die steigenden Gesundheitskosten an.

Das Thema ist seit Jahren ganz oben auf der Sorgenliste der Bevölkerung – und so versuchen die Parteien, sich gegenseitig mit Lösungen zu übertrumpfen. Aktuell im Fokus stehen zwei Volksinitiativen, über die die Schweiz am 9. Juni abstimmt.

SP und Mitte: Zwei Initiativen

Die SP will mit ihrer Prämienentlastungs-Initiative bei der Finanzierung ansetzen und die Haushalte vom Kostendruck befreien: Niemand soll mehr als zehn Prozent seines Einkommens für die Krankenkassenprämien bezahlen. Den Rest sollen Kantone und Bund übernehmen.

Die Mitte hingegen setzt bei den Kosten an. Sie will mit ihrer Kostenbremse-Initiative einen Kostendeckel installieren: Steigen die Prämien 20 Prozent stärker als die Löhne, sollen Leistungserbringer – Ärzte, Spitäler, Pharma, Apotheken, etc. – und Politik Sparmassnahmen ergreifen.

Und die anderen Parteien? Welche Ideen haben sie? Und was halten Experten davon?

SVP: Krankenkasse soll freiwillig werden

Geht es nach Rickli, muss man das System von Grund auf überdenken und auch die Abschaffung der obligatorischen Krankenversicherung prüfen. Der Nutzen ist fraglich. «Wird die obligatorische Krankenkasse abgeschafft, wird es wohl für alle teurer», sagte Gesundheitsökonom Willy Oggier damals zu Blick. Leiden würden vor allem jene, die krank sind: Sie müssten bei privaten Anbietern deutlich mehr bezahlen als jetzt.

Ausserdem will die Partei teure Präventionskampagnen stoppen und die Akademisierung der Pflege rückgängig machen.

FDP: Die Budget-Krankenkasse

Die FDP will nicht ganz so weit gehen, aber mehr Freiwilligkeit ins System bringen. Mit einer Budget-Krankenkasse liessen sich die Prämienkosten um mindestens ein Viertel senken. Dafür müssten Patienten auf Generika statt aufs teure Originalmedikament setzen, das elektronische Patientendossier würde obligatorisch und auch höhere Franchisen wären möglich.

«Wenn die Versicherten tatsächlich freiwillig wählen können, welches Modell sie möchten, kann man das durchaus prüfen», so Gesundheitsökonom Oggier. Es käme allerdings darauf an, welche Leistungen eine solche Kasse übernehmen würden. Je nachdem könnte eine Entsolidarisierung die Folge sein: Junge und Gesunde würden in eine Budget-Kasse wechseln, Ältere und chronisch Kranke müssten mehr zahlen.

Zudem fordert die Partei beispielsweise eine überregionale Spitalplanung und die Zulassung von Parallelimporten bei Medikamenten und Hilfsmitteln.

SP: Die Einheitskasse

Die SP fordert schon seit Jahren eine Einheitskrankenkasse und arbeiten momentan am Text einer neuen Volksinitiative. Bei einer Einheitskasse würde es nur noch eine oder deutlich weniger Kassen geben – zum Beispiel eine für die ganze Schweiz oder eine pro Kanton oder Region. Die Linke verspricht sich davon sinkende Kosten. Doch Experten zweifeln. Diese Kosten – etwa für Cheflöhne, Werbung und Administration machen nur einen kleinen Teil der Kosten aus. Und bei einer Einheitskasse fiele die Konkurrenz zwischen den Kassen weg, die auch kostensenkend wirkt.

Zudem will die Partei die Präventionsbemühungen stärken – das komme auf Dauer günstiger, sagt sie.

Grüne: Klimaschutz ist Gesundheitsschutz

Die Grünen sehen die Gesundheitspolitik ganzheitlich. So haben sie sich vorgenommen, die Prämienverbilligungen auszubauen, mittelfristig einkommens- und vermögensabhängige Prämien sowie eine Einheitskasse einzuführen.

Und sie wollen die Prävention stärken, um Krankheiten zu vermeiden. Auch ihren Kampf gegen Umweltzerstörung und Klimaerhitzung sehen die Grünen als Gesundheitspolitik: Allein in der Schweiz stürben jedes Jahr über 2000 Menschen an Krankheiten, die durch Luftverschmutzung ausgelöst wurden.

GLP: Fehlanreize beseitigen, auch am Lebensende

Die Grünliberalen wollen Fehlanreize beseitigen – etwa bei der Ärztedichte in den Städten, bei der teilweise ineffizienten Spitalplanung sowie bei den Medikamentenkosten. Die GLP will insbesondere die Zentralisierung der Spitzenmedizin vorantreiben. Dazu sollen sich die Kantone untereinander koordinieren.

Zudem will die Partei, dass der Umgang mit Krankheit und Tod enttabuisiert wird. So könnten mit Patientenverfügungen fragwürdige und kostspielige Lebensverlängerungen vermindert werden.

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