Seit dem Juli 2022 werden Therapien bei Psychologinnen und Psychologen durch die Grundversicherung bezahlt. Zuvor mussten die Psychotherapeutinnen angestellt sein, etwa bei einem Psychiater. Nun können sie direkt mit den Krankenkassen abrechnen, wenn ein Arzt die Therapie angeordnet hat. Damit, so die Hoffnung, würden die Wartelisten kürzer, Patientinnen und Patienten müssten nicht mehr monatelang auf einen Termin warten.
Laut Zahlen des Krankenkassenverbands Santésuisse haben in den vergangenen 16 Monaten 6000 neue selbständige Psychologinnen und Psychologen ihre Arbeit aufgenommen. Es gibt heute mehr Psychiaterinnen und Psychotherapeuten (9600), die in einer Praxis tätig sind als Haus- und Kinderärzte (9000).
Kosten von 785 Millionen Franken
Und dennoch haben die Klagen der Patienten nicht abgenommen. Noch immer scheint es eine grosse Unterversorgung in der Psychotherapie zu geben. Hat das grössere Angebot vielleicht eine grössere Nachfrage geschaffen? Beim zuständigen Verband heisst es, man könne zu den Auswirkungen des neuen Modells keine Aussage treffen. «Eine Beurteilung erfordert eine umfassende Evaluationsanalyse über einen langfristigen Zeitraum», so Christiane Stieglitz, Geschäftsleiterin der Assoziation Schweizer Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten.
Eines aber ist heute schon klar: Die Änderung hat ein grosses Preisschild.Der Bund hatte kurzfristig Mehrkosten von 100, langfristig bis 270 Millionen Franken pro Jahr vorhergesagt. Nun zeigt sich, dass er sich massiv verschätzt hat: Pro Jahr verursacht der Wechsel bereits jetzt Mehrkosten von rund 300 Millionen Franken, insgesamt belaufen sich die Kosten auf 785 Millionen, die die Prämienzahler stemmen müssen. Das sind zwei Prämienprozent.
Vier Milliarden für die Verwaltung
Es ist kein Einzelfall: Gemäss dem Bundesamt für Statistik sind die Gesundheitskosten im Jahr 2022 auf 91,5 Milliarden Franken gestiegen. Das ist mehr als das gesamte Budget des Bundes.
Die grössten Kosten, fast 40 Milliarden, verursachen stationäre und ambulante Behandlungen vom einfachen Hausarztbesuch bis zur kompliziertesten Herztransplantation. Auf Platz 2 der Kostenblöcke landet die Langzeitpflege in Heimen und durch die Spitex. Etwas weniger geben wir für Medikamente und Hilfsmittel aus. Relativ gering sind die Kosten, die durch Prävention und Rehabilitation entstehen. Interessant: Vier Milliarden Franken kostet allein die Verwaltung des Gesundheitswesens – von Krankenkassen bis hin zu Spitälern.
Bezahlt wird das alles zum grossen Teil durch unsere Krankenkassenprämien (34,5 Milliarden Franken). Aber nicht nur. Mit 19 Milliarden ist auch der Anteil, den die Haushalte obendrauf zahlen, sehr hoch. Darunter fallen Franchise und Selbstbehalt, aber auch sogenannte «Out of pocket»-Zahlungen: Kosten, die man aus dem eigenen Portemonnaie zahlt, beispielsweise, wenn man in der Apotheke Kopfschmerztabletten oder Hustensirup kauft.
Von stationär zu ambulant
Und das ganze Gesundheitswesen wird immer teurer. Wie sehr, belegen eindrückliche Zahlen aus der Grundversicherung. Haben die Krankenkassen 2013 noch Kosten von 27,8 Milliarden Franken übernommen, stieg dieser Betrag inzwischen auf gut 40 Milliarden. Am deutlichsten zugelegt haben die Kosten in diesem Zeitraum bei der Physiotherapie (+121,7 Prozent), Spitex (+93,9 Prozent) und bei den ambulanten Behandlungen im Spital (+61,1 Prozent). Gesunken sind die Kosten nirgendwo.
Am wenigsten stark gestiegen sind sie bei den stationären Behandlungen (+12,1 Prozent). Das hat damit zu tun, dass immer mehr Behandlungen ambulant durchgeführt werden, und erklärt auch den grossen Kostenanstieg dort.
Wenig deutet darauf hin, dass sich der Trend umkehren wird. Einen Ausweg bieten will die Kostenbremse-Initiative der Mitte, über die am 9. Juni abgestimmt wird. Gespannt darf man auch sein, wie der Bundesrat auf die Kostenentwicklung im Bereich Psychotherapie reagiert. Vor zwei Jahren hatte die Landesregierung versprochen, die Kosten zu überwachen und allenfalls zu korrigieren.