Kinder gelangen im Internet problemlos an pornografische und gewaltvolle Inhalte. Mit dem neuen Bundesgesetz über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele (JSFVG) will der Bund dagegen vorgehen. Dafür nimmt er die Streaminganbieter in die Pflicht. Die neue Verordnung zum Gesetz ist Mitte Juni in die Vernehmlassung gegangen.
Referendum gegen das Jugendschutzgesetz ist gescheitert
Das Jugendschutzgesetz war im Januar heftiger Kritik ausgesetzt. Das Ziel werde auf Kosten der Bevölkerung klar verfehlt, sagte Datenschutzexperte Martin Steiger gegenüber dem Beobachter. Die Altersüberprüfung sei derzeit nur mit einem Ausweis möglich. Die Unternehmen könnten diese Daten problemlos speichern und weiterverwenden.
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Weiter kritisierte Steiger, dass den Unternehmen mit Sitz im Ausland keine Sanktionen drohen, da das Schweizer Recht dort nicht greife. «Die grossen Plattformen halten sich aber normalerweise an solche Regulierungen in einzelnen Märkten. Nicht aber sonstige Plattformen, wo der Jugendschutz besonders wichtig wäre, etwa Websites mit pornografischen Inhalten», so Steiger.
Der Präsident der Piratenpartei, Jorgo Ananiadis, bezeichnete das Gesetz letztes Jahr als Startschuss für eine neue Ausweispflicht im Internet. Netzsperren seien logische Konsequenzen daraus. Die Partei lancierte ein Referendum gegen das Gesetz, verfehlte jedoch die vorgegebene Anzahl von 50’000 Unterschriften um mehr als die Hälfte.
Die neue Verordnung lässt Fragen offen
Kommerzielle Plattformdienste wie Netflix, Instagram oder Steam müssen also künftig vor der erstmaligen Plattformnutzung das Alter kontrollieren. Allerdings lässt auch die Verordnung zum Gesetz immer noch offen, wie das Alter kontrolliert wird. Die Film- und Videospielbranche soll die Jugendschutzbestimmungen selbst erarbeiten.
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Im Vernehmlassungsbericht wird der physische Ausweis als eine Möglichkeit genannt. Die Nutzung eines elektronischen Identitätsausweises (E-ID) sei eine zweite. Nicht geeignet seien die Alterskontrolle per Kreditkarte, die blosse Eingabe des Alters oder das Setzen eines Häkchens zur Bestätigung der Volljährigkeit.
Kritiker sieht Vorwürfe bestätigt
Der Kampagnenleiter des Referendums der Piratenpartei, Pascal Fouquet, sagt: «Das Bundesamt hat sehr wohl mitbekommen, dass Datenschutzexperten und die Bevölkerung gegen das Gesetz aufbegehrt haben. Im Januar beschwichtigte der Bund sogar, es werde keinen Ausweiszwang geben. Die Verordnung zum Gesetz zeigt allerdings, dass es wohl immer die volle Absicht war, einen Ausweiszwang im Internet einzuführen.» Die Piratenpartei werde an der Vernehmlassung teilnehmen und gegen die Verordnung vorgehen, so Fouquet.
Der Bund widerspricht der Kritik. Yvonne Haldimann vom Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV), das auch für den Jugendschutz zuständig ist, sagt: «Es braucht eine einmalige Verifizierung des Alters. Diese muss jedoch nicht mit einem Ausweis erfolgen. Die E-ID ist aus unserer Sicht eine sehr gute Variante, um die Daten in der Schweiz zu behalten.»
Ein entsprechendes E-ID-Gesetz wurde allerdings 2021 an der Urne deutlich abgelehnt. Haldimann gibt sich dennoch zuversichtlich. Der Bund habe eine neue Lösung für die E-ID ausgearbeitet. Diese werde im Herbst vorliegen. Und das Jugendschutzgesetz entfalte erst in zwei Jahren seine Wirkung. «Wir gehen davon aus, dass die E-ID bis dahin nutzbar ist», so Haldimann.
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Doch auch wenn die Alterskontrolle mit dem Ausweis stattfinde, heisse das nicht, dass die Unternehmen über die Ausweisdaten frei verfügen könnten. Haldimann sagt: «So oder so gilt das Schweizer Datenschutzgesetz. Demnach dürfen Daten nur für den Zweck erhoben werden, für den sie vorgesehen waren – in dem Fall die Alterskontrolle.»
Gesetz soll ab Sommer 2026 wirksam werden
Die Vernehmlassung zur Jugendschutzverordnung dauert bis zum 6. Oktober an. Jede Person und jede Organisation kann sich am Verfahren beteiligen und eine Stellungnahme einreichen.
Das Gesetz wird schrittweise ab Juli 2024 in Kraft gesetzt. Danach haben die Branchenorganisationen zwei Jahre Zeit, eine Jugendschutzregelung zu erarbeiten, in der die Art der Alterskontrolle geregelt wird. Das BSV prüft im Anschluss, ob die Regelung gesetzeskonform ist. In diesem Fall erklärt sie der Bundesrat für verbindlich. Das Gesetz wird somit frühestens 2026 Wirkung zeigen.