Ausweiszwang oder nicht?
Desinformations-Vorwürfe um Jugendschutzgesetz

Gegen das neue Jugendschutzgesetz wurde das Referendum ergriffen. Es führe zum Ausweiszwang im Internet. Das stimme nicht, sagen die Befürworter. Dafür ernten sie scharfe Kritik von Experten.
Publiziert: 17.01.2023 um 08:20 Uhr
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Aktualisiert: 13.02.2023 um 14:24 Uhr
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Kinder und Jugendliche vor bedenklichen Inhalten im Internet schützen. Das ist das Ziel des neuen Jugendschutzgesetzes.
Foto: Getty Images
Thomas Müller

Das neue Jugendschutzgesetz steht unter Beschuss. Es sieht vor, dass Video-Inhalte im Netz erst nach einer Altersprüfung zugänglich sein dürfen. So sollen Kinder und Jugendliche geschützt werden.

Doch wie das gemacht werden soll, passt nicht allen. Das Referendum wurde ergriffen. Es sei ein «Ausweiszwang-Gesetz», bald müsse man den Pass zeigen, um Videos zu schauen, so der Vorwurf der Gegner.

Argument sei eine «Ente»

Wie SP-Nationalrat Matthias Aebischer (55) dem «Tages-Anzeiger» sagte, stimme es nicht, dass man bald den Pass zücken müsse, um Youtube-Videos zu schauen. Für ihn ist das Argument eine «Ente», eine «offensichtliche Verzweiflungstat», um die fehlenden Unterschriften zusammenzukriegen.

FDP-Ständerat Matthias Michel (59), der das Gesetz mitgestaltet hat, sagte im selben Artikel, die Argumente seien «an den Haaren herbeigezogen». Wie man den Jugendschutz umsetze, stehe noch nicht fest. Die Details würden erst später in einer Verordnung geregelt.

Desinformation oder Inkompetenz

Dafür erntet Michel Kritik. «Ich frage mich, ob ein solcher Politiker inkompetent ist oder Desinformation verbreitet», sagte Medienrechtsexperte Martin Steiger im Interview mit dem «Beobachter». Denn auf Ausweiskontrollen laufe die Umsetzung hinaus.

Von den Desinformations-Vorwürfen ist Michel überrascht: «Ich habe nie behauptet, es komme keine Ausweispflicht.» Er habe allein darauf hingewiesen, dass neben dem Einschicken des Passes noch andere technische Möglichkeiten gebe, sich im Internet auszuweisen, etwa die E-ID. So stehe es auch in der Botschaft des Bundesrates.

E-ID als Lösungsansatz

Die E-ID findet auch Steiger eine bessere Lösung. Doch seit der Veröffentlichung der Botschaft ist die E-ID an der Urne gescheitert. Eine neue Version der E-ID sei aber bereits in Arbeit, argumentiert Michel. Und: «Das Jugendschutzgesetz würde sich hervorragend als erster Anwendungsfall eignen. Als Bundesrat würde ich jetzt sagen: ‹Mit der Umsetzung warten wir dann auf die E-ID.›»

Dass sich die Landesregierung mit der Umsetzung Zeit lässt, bis eine E-ID bereit ist, ist jedoch nicht gegeben. So oder so sei zuerst aber die Branche am Zug, denn es handle sich um eine sogenannte Co-Regulierung, so Michel. Bei dieser muss die Branche Vorschläge für die Umsetzung erarbeiten.

Kritik auch von IT-Seite

Das lassen die Gegner nicht gelten. «Das ist in etwa so, als würde man festlegen, dass jemand in 10 Stunden in New York sein muss und sich nachher versichern würde, dass im Text nichts von Fliegen steht», empört sich Pascal Fouquet (41), Sprecher der Piratenpartei. Ohne Fliegen ginge das ja gar nicht. Verschiedene Experten teilen seine Einschätzung.

Auch von IT-Experten ernten Michel und Aebischer Kritik. Ein Faktencheck des ehemaligen IT-Professors der Universität Konstanz Marcel Waldvogel und des Digitaljournalisten Patrick Seemann, der im Online-Magazin «dnip.ch» erschienen ist, lässt an den Argumenten der Befürworter kein gutes Haar, kritisiert werden dabei weitere Aspekte als nur die Ausweispflicht.

Es wird knapp

Für das Referendumskomitee wirds langsam eng. Unterstützung haben die Piraten von Coronaskeptikern wie Mass-Voll sowie von der Operation Libero. Noch bis am 19. Januar können sie Unterschriften sammeln.

«Wir geben wirklich Vollgas!», versichert Piraten-Sprecher Fouquet. Aktuell rechne man mit über 43'000 Unterschriften und letzte Woche seien an nur an einem Tag 5000 dazugekommen. Er bleibt deshalb hoffnungsvoll: «Es wird knapp, aber es könnte reichen.»

Aebischer war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

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