Auf einen Blick
Die Abstimmung vom 22. September über die Reform der beruflichen Vorsorge (BVG) wird zur Zitterpartie. Kein Wunder, schenken sich Befürworter und Gegner im Abstimmungskampf nichts.
Besonders umstritten ist die Frage, wen und wie stark die Pensionskassen-Reform trifft. Klar ist: Viele Anpassungen treffen nur eine Minderheit der insgesamt gut 4,6 Millionen versicherten Erwerbstätigen. Insbesondere deshalb, weil der Grossteil bereits besser geschützt ist, als das Gesetz vorschreibt. Blick erklärt, wo sich die Reform trotzdem auf praktisch alle auswirkt.
Rentenzuschlag zahlen alle mit
Es ist das Kernstück der Vorlage: Der Mindestumwandlungssatz im BVG-Obligatorium soll von 6,8 Prozent auf 6,0 Prozent sinken. Die damit drohende Rentenlücke soll teilweise über einen Rentenzuschlag von maximal 200 Franken monatlich ausgeglichen werden. Diesen gibt es für eine Übergangsgeneration von 15 Jahrgängen und wird nach Alter und Altersguthaben abgestuft. Jüngere bekommen keinen Rentenzuschlag. Ebenso wenig ältere Erwerbstätige, die mehr als 441'000 Franken auf ihrem Pensionskassen-Konto angespart haben.
Aber: Alle Versicherten finanzieren den Rentenzuschlag über ihre Pensionskasse mit. 11,3 Milliarden Franken sind dafür insgesamt veranschlagt. Diesen Brocken müssen die Pensionskassen gemeinsam stemmen.
Einerseits leisten alle Vorsorgeeinrichtungen einen gewissen Beitrag an den Sicherheitsfonds, der diese Gelder umverteilt: Reichere Kassen zahlen damit quasi einen Solidaritätsbeitrag für schwächere. Allenfalls müssten dafür bei einzelnen Kassen auf eine begrenzte Lohnsumme die Lohnabzüge erhöht werden.
Ansonsten finanzieren die Kassen die Zuschläge aus Rückstellungen, womit weniger an die Versicherten ausgeschüttet werden kann. Beispielsweise, indem Versicherte weniger Zins erhalten. Oder, indem bei Pensionierten weiterhin auf einen Teuerungsausgleich verzichtet wird.
Höhere Verwaltungskosten
Die Verwaltungskosten der Pensionskassen sorgen immer wieder für Diskussionsstoff. Diese belaufen sich auf gut 7 bis 8 Milliarden Franken jährlich. Die Vermögensverwaltung macht den Löwenanteil aus. Die allgemeinen Verwaltungskosten, etwa für Personal, betragen gut ein Viertel.
Mit der BVG-Reform dürfte der administrative Mehraufwand «signifikant» zunehmen, hält der Bund in einem Bericht fest. Denn um den Rentenzuschlag-Anspruch abzuklären, müssen sämtliche Vorsorgeeinrichtungen bei allen Versicherten die Höhe des Vorsorgeguthabens überprüfen.
Mehr zur BVG-Reform
Pensionskassen-Experte Reto Leibundgut (49) vom Beratungsunternehmen c-alm sieht zudem zusätzlichen Aufwand auf die Kassen zukommen, weil auch abgeklärt werden müsse, wie sich etwa Mehrfachbeschäftigungen oder Vorbezüge auf das Alterskapital auswirken. «Das System ist sehr komplex, wodurch zusätzliche Abklärungen nötig werden», so Leibundgut. Er erwartet daher eine «deutliche» Zunahme der Verwaltungskosten. Die Summe lasse sich nicht genau beziffern. «Es ist aber Geld, welches weniger für Versicherungsleistungen zur Verfügung steht.»
Gesetzlich garantierte Mindestrente sinkt
Auch der tiefere Umwandlungssatz im BVG-Obligatorium trifft hypothetisch alle Versicherten, denn: Die gesetzlich garantierte Mindestrente sinkt.
Es war ein hochfliegendes Reformprojekt des damaligen SP-Sozialministers Alain Berset (52): die Altersvorsorge 2020, mit der er AHV und Berufliche Vorsorge (BVG) gleichzeitig reformieren wollte. Doch in der Abstimmung 2017 folgte der Absturz. Mit 52,7 Prozent Nein schickte das Stimmvolk die Rentenreform bachab.
Daraufhin packten Bundesrat und Parlament die beiden Säulen getrennt an. Einen knappen Abstimmungserfolg verbuchte Berset zusammen mit der bürgerlichen Parlamentsmehrheit letztens bei der AHV-Reform, mit der eine Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 erfolgte.
Nun ist die Pensionskassen-Reform an der Reihe, die eine bürgerliche Mehrheit im Parlament gegen den Widerstand der Linken durchgebracht hat. Linke und Gewerkschaften haben erfolgreich das Referendum ergriffen, sodass das Stimmvolk nun am 22. September 2024 über die Reform entscheiden wird.
Das sind die wichtigsten Eckwerte:
Tieferer Umwandlungssatz
Der Mindestumwandlungssatz im BVG-Obligatorium soll von heute 6,8 Prozent auf 6,0 Prozent sinken. Das bedeutet: Auf 100'000 Franken angespartes Alterskapital gibt es nur noch 6000 statt 6800 Franken Rente pro Jahr. Das führt zu einer Rentenlücke von rund 12 Prozent.
Rentenzuschlag für Übergangsgeneration
Es ist das eigentliche Herzstück der Vorlage. Die drohende Rentenlücke soll über einen Rentenzuschlag ausgeglichen werden. Allerdings nur für eine Übergangsgeneration von 15 Jahrgängen. Zudem wird er nach Alter und Einkommen abgestuft. Für die ersten fünf Jahrgänge gibt es maximal 200 Franken monatlich, dann sinkt er ab. Wer weniger als 220'500 Franken in der Pensionskasse hat – etwa ein Viertel der Versicherten – bekommt den vollen Zuschlag. Ein weiteres Viertel mit bis 441'000 Franken Altersguthaben erhält einen Teilzuschlag. Wer mehr Geld im Rentenkässeli hat, geht leer aus. Gut die Hälfte der Versicherten bekommt also nichts. Finanziert wird der Rentenzuschlag über Lohnabzüge – allerdings begrenzt bis 176'400 Franken.
Flexibler Koordinationsabzug
Vom sogenannten Koordinationsabzug hängt ab, wie hoch der versicherte Lohn ausfällt. Einkommen minus Koordinationsabzug ergibt die versicherte Lohnsumme. Galt bisher ein fixer Abzug von 25'725 Franken, soll dieser neu 20 Prozent des Einkommens betragen. Das BVG-Obligatorium gilt bis 88'200 Franken Einkommen. Der Abzug würde in diesem Fall also 17'640 Franken ausmachen. Unter dem Strich bleibt somit ein versicherter Lohn von 70'560 Franken. Auf Letzterem müssten also die Lohnbeiträge bezahlt werden.
Angepasste Altersgutschriften
Die Lohnbeiträge in die Pensionskasse – die sogenannten Altersgutschriften – werden mit der Reform geglättet: Bis im Alter von 44 Jahren beträgt die Altersgutschrift künftig 9 Prozent (bisher 7 beziehungsweise 10 Prozent) auf dem BVG-pflichtigen Lohn. Ab 45 Jahren sind es 14 Prozent (bisher 15 beziehungsweise 18 Prozent). Damit werden die Altersgutschriften gerade bei den älteren Arbeitskräften gesenkt. Das soll ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern. Die Beiträge sollen wie heute ab 25 Jahren gezahlt werden.
Tiefere Eintrittsschwelle
Um in einer Pensionskasse versichert zu sein, muss man heute bei einem Arbeitgeber mindestens 22'050 Franken jährlich verdienen. Nach einem langen Hin und Her hat sich das Parlament darauf geeinigt, dass die Eintrittsschwelle auf 19'845 Franken sinken soll. Damit würden 70'000 Personen neu in einer Pensionskasse versichert, 30'000 Personen stärker als bisher. Insgesamt betrifft die Senkung 100'000 Arbeitnehmende.
Es war ein hochfliegendes Reformprojekt des damaligen SP-Sozialministers Alain Berset (52): die Altersvorsorge 2020, mit der er AHV und Berufliche Vorsorge (BVG) gleichzeitig reformieren wollte. Doch in der Abstimmung 2017 folgte der Absturz. Mit 52,7 Prozent Nein schickte das Stimmvolk die Rentenreform bachab.
Daraufhin packten Bundesrat und Parlament die beiden Säulen getrennt an. Einen knappen Abstimmungserfolg verbuchte Berset zusammen mit der bürgerlichen Parlamentsmehrheit letztens bei der AHV-Reform, mit der eine Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 erfolgte.
Nun ist die Pensionskassen-Reform an der Reihe, die eine bürgerliche Mehrheit im Parlament gegen den Widerstand der Linken durchgebracht hat. Linke und Gewerkschaften haben erfolgreich das Referendum ergriffen, sodass das Stimmvolk nun am 22. September 2024 über die Reform entscheiden wird.
Das sind die wichtigsten Eckwerte:
Tieferer Umwandlungssatz
Der Mindestumwandlungssatz im BVG-Obligatorium soll von heute 6,8 Prozent auf 6,0 Prozent sinken. Das bedeutet: Auf 100'000 Franken angespartes Alterskapital gibt es nur noch 6000 statt 6800 Franken Rente pro Jahr. Das führt zu einer Rentenlücke von rund 12 Prozent.
Rentenzuschlag für Übergangsgeneration
Es ist das eigentliche Herzstück der Vorlage. Die drohende Rentenlücke soll über einen Rentenzuschlag ausgeglichen werden. Allerdings nur für eine Übergangsgeneration von 15 Jahrgängen. Zudem wird er nach Alter und Einkommen abgestuft. Für die ersten fünf Jahrgänge gibt es maximal 200 Franken monatlich, dann sinkt er ab. Wer weniger als 220'500 Franken in der Pensionskasse hat – etwa ein Viertel der Versicherten – bekommt den vollen Zuschlag. Ein weiteres Viertel mit bis 441'000 Franken Altersguthaben erhält einen Teilzuschlag. Wer mehr Geld im Rentenkässeli hat, geht leer aus. Gut die Hälfte der Versicherten bekommt also nichts. Finanziert wird der Rentenzuschlag über Lohnabzüge – allerdings begrenzt bis 176'400 Franken.
Flexibler Koordinationsabzug
Vom sogenannten Koordinationsabzug hängt ab, wie hoch der versicherte Lohn ausfällt. Einkommen minus Koordinationsabzug ergibt die versicherte Lohnsumme. Galt bisher ein fixer Abzug von 25'725 Franken, soll dieser neu 20 Prozent des Einkommens betragen. Das BVG-Obligatorium gilt bis 88'200 Franken Einkommen. Der Abzug würde in diesem Fall also 17'640 Franken ausmachen. Unter dem Strich bleibt somit ein versicherter Lohn von 70'560 Franken. Auf Letzterem müssten also die Lohnbeiträge bezahlt werden.
Angepasste Altersgutschriften
Die Lohnbeiträge in die Pensionskasse – die sogenannten Altersgutschriften – werden mit der Reform geglättet: Bis im Alter von 44 Jahren beträgt die Altersgutschrift künftig 9 Prozent (bisher 7 beziehungsweise 10 Prozent) auf dem BVG-pflichtigen Lohn. Ab 45 Jahren sind es 14 Prozent (bisher 15 beziehungsweise 18 Prozent). Damit werden die Altersgutschriften gerade bei den älteren Arbeitskräften gesenkt. Das soll ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern. Die Beiträge sollen wie heute ab 25 Jahren gezahlt werden.
Tiefere Eintrittsschwelle
Um in einer Pensionskasse versichert zu sein, muss man heute bei einem Arbeitgeber mindestens 22'050 Franken jährlich verdienen. Nach einem langen Hin und Her hat sich das Parlament darauf geeinigt, dass die Eintrittsschwelle auf 19'845 Franken sinken soll. Damit würden 70'000 Personen neu in einer Pensionskasse versichert, 30'000 Personen stärker als bisher. Insgesamt betrifft die Senkung 100'000 Arbeitnehmende.
Das heisst aber nicht, dass damit für alle die reale Rente sinkt. Denn der Grossteil der Versicherten ist bereits besser geschützt, indem ihre Pensionskassen freiwillig höhere, also überobligatorische Leistungen anbieten. Experte Leibundgut schätzt, dass weniger als 10 Prozent aller Aktivversicherten mit einer Rentensenkung rechnen müssen.
Die linken Reformgegner dagegen befürchten, dass die tiefere Mindestgarantie für zusätzlichen Spielraum sorgt, der früher oder später doch für Verschlechterungen genutzt werden könnte.