Um Hilfswerke in Misskredit zu bringen
Swissaid wird vor Gericht gezerrt

Am 29. November stimmt die Schweiz darüber ab, ob Konzerne auch für Unrecht ihrer ausländischen Tochterfirmen geradestehen müssen. Das Beispiel Swissaid zeigt, wie die Rohstoffbranche mit PR und Prozess dagegen kämpft.
Publiziert: 24.10.2020 um 13:35 Uhr
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Aktualisiert: 27.10.2020 um 22:59 Uhr
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Die Konzernverantwortungs-Initiative geniesst in der Bevölkerung breite Unterstützung.
Foto: zVg
Pascal Tischhauser

Die Tessiner Raffinerie Valcambi will das Hilfswerk Swissaid verklagen. Es soll nicht mehr sagen dürfen, dass Vacambi Gold aus zweifelhafter Herkunft verarbeite. Das teilte der Valcambi-Anwalt per Brief vom 16. Oktober 2020 Swissaid mit.

Bestätige man die Löschung der entsprechenden Studie auf der Webseite bis 30. Oktober nicht und stelle die Anschuldigungen auch nicht richtig, sei er ermächtigt, prozessuale Schritte einzuleiten, so der Anwalt.

Worum gehts?

In einer umfangreichen Studie hatte Swissaid dokumentiert, dass Valcambi Gold vom emiratischen Lieferanten Kaloti bezieht. Dieser wiederum beschaffe sich Konfliktgold aus dem Sudan. Zahlreiche Medien berichteten darüber, dass so in der Schweiz Gold reingewaschen werde.

Valcambi hatte zwar eingeräumt, in der Vergangenheit Geschäftsbeziehung zu Kaloti gepflegt zu haben, doch das Tessiner Unternehmen wies die Anschuldigung zurück, Konfliktgold zu verarbeiten. Seither war es ruhig geworden um die Sache. Alles schaut auf die Corona-Pandemie. Valcambis frühere Geschäftsbeziehungen nach Dubai waren längst vergessen.

Es geht um die Kovi

Warum zerrt Valcambi Swissaid dann jetzt noch vor Gericht? «Es geht um die Konzernverantwortungs-Initiative», ist sich SP-Nationalrat und Swissaid-Co-Präsident Fabian Molina (30) sicher.

Die Rohstoffbranche ist in heller Aufregung, weil erste Umfragen zeigen, dass die Konzernverantwortungs-Initiative (Kovi) gute Chancen hat. Kovi will Konzerne in der Schweiz dazu verpflichten, für Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen ihrer ausländischen Tochterfirmen geradezustehen.

Die Initiative kann als Frontalangriff auf die Schweizer Rohstoffbranche gesehen werden – eine Branche, bei der es um sehr viel Geld geht. Argumentativ ist es schwierig, gegen das Anliegen der Initiative anzukämpfen. Wer ist schon dagegen, dass ein hiesiger Konzern zur Verantwortung dafür gezogen werden soll, wenn ein Firmenableger in Afrika zur Gewinnung von Edelmetallen auf die Arbeit von Kindern setzt und deren Gesundheit ruiniert?

Mit PR und Prozess

Deshalb sollen die Absender des Volksbegehrens diskreditiert werden – und das mit System. BLICK kennt einen Auszug des Mailverkehrs des Valcambi-Anwalts und einer grossen PR-Agentur. Die Agentur liefert ein Argumentarium, um Stimmung zu machen gegen das Hilfswerk und dessen Studie.

Molina: «Unsere Recherche ist wasserdicht. Das Unternehmen Valcambi muss wissen, dass es vor Gericht gegen uns nicht gewinnen kann. Und selbst wenn – was es nicht tun wird – hätte Valcambi unter dem Strich nichts gewonnen.»

Warum will Valcambi dann den Prozess wagen? Der SP-Politiker ist überzeugt: «Das ist die pure Verzweiflung, bei der Kovi-Abstimmung vom 29. November zu unterliegen. Eine ganze Branche könnte plötzlich nicht mehr die Augen davor verschliessen, unter welchen Bedingungen Rohstoffe gefördert werden.»

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