Die Linke reitet auf einer steuerpolitischen Erfolgswelle: 2017 bodigte sie die Unternehmenssteuerreform III, 2020 die höheren Kinderabzüge und Anfang dieses Jahres die Stempelsteuer. Folgt schon bald der vierte Streich?
Denn jetzt ist klar: Auch die Teilabschaffung der Verrechnungssteuer kommt vors Volk. «Wir haben bereits über 65'000 Unterschriften gesammelt», bestätigt SP-Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo (63, LU) zu Blick.
Zusammen mit Gewerkschaften und Grünen hat die SP das Referendum ergriffen. Am 5. April wird es eingereicht, schon im Herbst dürfte das Volk darüber befinden.
Es geht um Hunderte Millionen
Das Gesetz sieht vor, die Verrechnungssteuer auf Zinserträgen bei inländischen Obligationen aufzuheben. Ebenso wird die Umsatzabgabe auf Schweizer Obligationen gestrichen. Dem Bund geht damit einmalig eine Milliarde Franken flöten – zusätzlich resultiert jedes Jahr ein Steuerausfall von 200 Millionen Franken.
Allerdings ist der Ausfall mit den Zahlen des aktuellen tiefe Zinsumfeldes berechnet. «Steigen die Zinsen wieder an, gehen dem Bund rasch einmal 500 oder 600 Millionen Franken jährlich verloren», warnt Birrer-Heimo. «Geld, das wir für die Bewältigung der Corona-Pandemie und den Folgen des Ukraine-Kriegs dringend brauchen.»
Der Bund werde in den nächsten Jahren deutlich mehr investieren müssen, um beispielsweise in der Energieversorgung mit dem Ausbau erneuerbarer Energien unabhängiger zu werden und von russischem Erdgas wegzukommen.
«Öffnet Tür und Tor für Steuerhinterziehung»
Der Wirtschaftspolitikerin geht es aber auch um Steuergerechtigkeit. «Jeder von uns zahlt auf seinem Sparkonto weiterhin Verrechnungssteuer – und wer seine Zinserträge korrekt angibt, erhält die Verrechnungssteuer auch wieder zurückerstattet», erklärt sie. «Die Teilabschaffung hingegen öffnet einem kleinen Kreis von Privilegierten Tür und Tor für Steuerhinterziehung. Die ehrlichen Steuerzahler sind die Geprellten.»
Die bürgerliche Seite hingegen argumentiert damit, dass der Wirtschaftsstandort Schweiz gestärkt werde. Gerade mit Blick auf die per 2024 geplante OECD-Mindeststeuer von 15 Prozent für Unternehmen brauche es auch Entlastungsmassnahmen.
Für Birrer-Heimo ein No-Go: «Wir brauchen keine neuen Steuergeschenke, von denen vor allem Finanzierungsgesellschaften profitieren», sagt sie. «Erst recht nicht in einer Zeit, in der viele Menschen den Gürtel enger schnallen müssen.»
Grosskampftag für Linke
Voraussichtlich im September kommt die Vorlage an die Urne – zusammen mit der AHV-Reform und damit der Erhöhung des Frauenrentenalters. Für die Linke wird es ein Grosskampftag.
«Dem Stimmvolk wird geradezu vor Augen geführt, dass das Kapital und die Vermögendsten einmal mehr profitieren sollen, während ein Teil der Bevölkerung Abstriche machen muss», sagt sie. «Diese Mischung kommt bestimmt nicht gut an.»