Das sieht man selten: Jacqueline Badran (60), die Amazone der kleinen Leute, bricht in Tränen aus. Es sind Tränen der Erleichterung. Monatelang hatte die Zürcher SP-Nationalrätin gekämpft, unermüdlich war sie an allen Fronten gegen die Abschaffung der Emissionsabgabe angetreten.
Am Sonntag gab es den verdienten Sieg – und was für einen! 62,7 Prozent der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sagten Nein zum «Steuer-Bschiss», wie die SP die Vorlage populistisch getauft hatte. Bis auf Zug hat kein Kanton der Stempelsteuer-Abschaffung zugestimmt.
Die bürgerlichen Verlierer gaben sich zerknirscht. «Ich bedaure, dass wir mit unseren Botschaften nicht durchgedrungen sind», sagte FDP-Präsident Thierry Burkart (46) in der Blick-TV-Elefantenrunde nach der Niederlage.
Die nächste Schlappe droht im Herbst
Und es ist nur die erste Schlappe. Die nächste dürfte am 25. September folgen. Dann kommt die Abschaffung von Verrechnungssteuer und Umsatzabgabe auf Obligationen an die Urne. Erneut würden Konzerne und Banken entlastet. Und erneut hat die SP das Referendum ergriffen. Schon heute ist den Bürgerlichen klar: Auch diese Abstimmung werden sie verlieren. Finanzminister Ueli Maurer (71) geht jedenfalls davon aus – auch wenn er warnte: «Die Schweiz tut sich einen schlechten Dienst, wenn sie das Signal aussendet, dass Unternehmen nicht erwünscht sind.»
Was die Abstimmung im September brisant macht: An diesem Tag dürfte auch über die Erhöhung des Frauenrentenalters entschieden werden. Gut möglich, dass die Linken diese gleich mit versenken. Es wäre ein Debakel.
Bürgerliche müssen über die Bücher
Eigentlich hat das Parlament nur eine Möglichkeit, das zu verhindern. Es müsste sich bei der anstehenden Reform der zweiten Säule grosszügiger zeigen, als die Bürgerlichen derzeit bereit sind. Nur wenn bis im Sommer ein sozialverträglicher Pensionskassen-Kompromiss vorliegt, besteht der Hauch einer Chance, die AHV-Reform zu gewinnen.
Ein Signal – diesmal an die Kantone – dürfte die gescheiterte Abschaffung der Emissionsabgabe auch im Hinblick auf die OECD-Steuerreform sein. Die Kompensation für die wahrscheinlich höheren Unternehmenssteuern muss sorgfältig austariert werden. Ideen wie die Senkung der Einkommens- und Vermögenssteuern für Spitzenverdiener von Grosskonzernen werden einen schweren Stand haben.
Am Sonntag zeigte sich, dass wohl zumindest die Mitte aus der Stempelsteuer-Klatsche gelernt hat. «Nachdem wir gute Rahmenbedingungen für die Wirtschaft haben, müssen wir auch endlich Familien und den Mittelstand entlasten», so Präsident Gerhard Pfister (59). «Erst dann können wir weitere Entlastungen für die Wirtschaft angehen.»